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Beck: Weißrussland darf nicht weiter unter den Mantel des Kreml schlüpfen

Sanktionen gegen Weißrussland laufen ins Leere, solange Russland das diktatorische Regime Lukaschenko weiter unterstütze, sagt Marieluise Beck, Osteuropaexpertin der Grünen. Dennoch zeige die wirtschaftlich desolate Lage, dass das Land auf Dauer auf den Westen angewiesen sei.

Marieluise Beck im Gespräch mit Peter Kapern | 29.02.2012
    Peter Kapern: Kalter Diplomatenkrieg zwischen der EU und Weißrussland. Gestern verschärfte die EU ihre Sanktionen gegen die letzte Diktatur Europas. Daraufhin forderte der weißrussische Machthaber Alexander Lukaschenko den polnischen und den EU-Botschafter zur Ausreise aus seinem Land auf. Die EU-Staaten nahmen diese Vorlage auf und riefen dann postwendend alle ihre Botschafter aus Minsk zurück.

    Bei uns am Telefon nun Marieluise Beck, die Osteuropa-Expertin der Grünen-Bundestagsfraktion, die selbst von den weißrussischen Behörden mit einem Einreiseverbot belegt worden ist. Guten Tag, Frau Beck.

    Marieluise Beck: Guten Tag!

    Kapern: Frau Beck, der Sprecher des weißrussischen Außenministeriums hat mit einer guten Portion Sarkasmus gesagt, wenn die EU-Botschafter nun in ihren Heimatländern Bericht erstatten, dann können sie dabei auch gleich deutlich machen, dass Druck auf Weißrussland völlig sinnlos ist. Muss man nicht sagen, der Mann hat recht, denn bislang hat ja noch keine EU-Sanktion die weißrussische Diktatur ins Wanken gebracht?

    Beck: Das riesige Problem der Sanktionspolitik sowohl des IWF als auch des Europarats als auch der EU, wo sich alle einig sind, dass ein autoritär bis diktatorisches Regime Lukaschenko nicht gestützt werden darf, greift ins Leere, solange Russland bereit ist, in die Bresche zu springen. Man muss sich noch mal klar machen, dass es eine Politik der ausgestreckten Hand an Lukaschenko gab – bis zu den Wahlen -, und es ist ein großer Vertrauensbruch gewesen, dass mit der Zerschlagung der Opposition, die am 19. Dezember 2010 begonnen hat, diese Vereinbarungen, die getroffen worden waren zwischen der EU und Lukaschenko, von seiner Seite nicht eingehalten worden sind.

    Kapern: Das heißt, die EU ist völlig machtlos?

    Beck: Nein, ich glaube nicht, dass die EU machtlos ist, denn selbst wenn kurzfristig Lukaschenko unter den Mantel des Kreml schlüpfen kann, so ist doch letztlich Belarus darauf angewiesen, dass es auch eine offene Tür zum Westen hat. Das sehen wir daran, dass die wirtschaftliche Situation in Belarus dramatisch schlecht ist. Die Inflation galoppiert, das heißt, der einfache Mensch muss damit leben, dass die Gehälter sich immer und immer wieder halbieren. Das alltägliche Leben ist sehr schwer in Belarus. Die Staatsbetriebe, die nach wie vor über 80 Prozent ausmachen, sind ineffektiv, also ein bisschen wie das, was wir früher mal in der DDR erlebt haben. Es muss auch aus ökonomischen Gründen in Belarus Bewegung geben und eine Öffnung.

    Kapern: Das klingt etwas optimistisch, angesichts der Tatsache, dass immer dann, wenn es in der weißrussischen Wirtschaft Spitz auf Knopf steht, Geld aus Moskau, notfalls sogar aus Teheran oder aus Venezuela kommt.

    Beck: Das ist eines der Probleme der Sanktionspolitik, wenn nicht alle mitziehen. Russland hat die Gelegenheit genutzt und hat eingekauft. Sie haben nämlich, als der IWF kein Geld mehr bereit war zu geben, gesagt, dann, lieber Lukaschenko, verkaufe uns doch die Gaspipeline, auf die war Russland immer schon scharf, weil ihnen das eine weitere Monopolstellung bei dem Transport von Gas und Öl zuschiebt, und dafür sind dann noch einmal drei Milliarden aus Russland nach Weißrussland geflossen. Aber das sind immer nur ganz kurzatmige Hilfen. Es bleibt die Tatsache, dass wenn es in diesem Land jenseits dieses einen Diktators nicht endlich einen Aufbruch gibt auch aus der Umgebung des Diktators, der die Verantwortung für die Entwicklung des Landes übernimmt, dann wird es einen immer stärkeren Abschwung des allgemeinen Lebens der Bevölkerung geben.

    Kapern: Wenn Sie so große Hoffnung darauf setzen, wenn die EU so große Hoffnung darauf setzt, dass eine immer maroder werdende Wirtschaft letztendlich zum Sturz Lukaschenkos beiträgt, warum verhängt die EU dann keine Wirtschaftssanktionen?

    Beck: Es gibt gezielte Sanktionen gegen die Firmen, deren Ertrag direkt Lukaschenko und seiner Umgebung zugutekommen, ...

    Kapern: ... , die aber gut umgangen werden können, wie man in Weißrussland hört.

    Beck: Es gibt immer Umgehungstatbestände, aber der politische Wille und soweit es administrativ durchschaubar ist, wird es durchgesetzt. Das Problem von Strohmännern ergibt sich immer auch bei der Frage von Konten, wie wir wissen, ja ein großes Thema. Dass keine allgemeine Sanktion ausgesprochen worden ist, ist verbunden mit dem Wunsch, nicht die Bevölkerung ganz unspezifisch treffen zu wollen.

    Kapern: Marieluise Beck war das, die Osteuropa-Expertin der Grünen-Bundestagsfraktion, heute Mittag im Deutschlandfunk. Frau Beck, vielen Dank für das Gespräch, schönen Tag noch. Tschüß!

    Beck: Bitte schön, Herr Kapern.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.