Dienstag, 23. April 2024

Archiv


Beckstein: Keine Zweifel an aggressiv-kämpferischer Haltung der NPD

Die NPD sei ein "politisches Ärgernis", findet der ehemalige bayerische Innenminister und Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU). Dennoch zeigt er Verständnis für seinen Parteifreund, Bundesinnenminister Friedrich, der die Erfolgsaussichten eines erneuten Verbotsverfahrens skeptisch sieht.

Günther Beckstein im Gespräch mit Jasper Barenberg | 03.12.2012
    Jasper Barenberg: Mitgehört hat Günther Beckstein (CSU), ehemaliger Ministerpräsident Bayerns und ehemaliger Innenminister des Freistaates. Schönen guten Morgen, Herr Beckstein.

    Günther Beckstein: Einen schönen guten Morgen.

    Barenberg: Sie haben ja den ersten Verbotsantrag damals entscheidend mit vorangetrieben und dann erleben müssen, wie hoch das Bundesverfassungsgericht die Hürden legt. Warum sollte man jetzt einen zweiten Versuch wagen?

    Beckstein: Ich selber habe keine Zweifel, dass die NPD eine aggressiv-kämpferische Haltung gegen das Grundgesetz hat. Das war damals nach meiner Überzeugung völlig eindeutig zu Tage liegend. Die Gemeinschaft mit Kameradschaften, die sogar gewaltsam gegen Ausländer und Behinderte vorgegangen sind, war damals in einer Vielzahl von Fällen nachgewiesen und übrigens auch, dass der Bundesvorstand der NPD das jeweils mit unterstützt hat, diese Haltung, und von daher war das klar. Aber die Schwierigkeit war damals, dass V-Leute offensichtlich mit dazu beigetragen hatten, dieses Material zusammenzutragen, und weiter auch in den Vorstandsgremien der NPD waren. Und damit hat das Bundesverfassungsgericht formalrechtliche Schranken gesehen. Allerdings war das nur eine Minderheit der Richter. Jetzt sind die V-Leute abgeschaltet. So steht das jedenfalls überall zu lesen, ich selber bin ja seit fünf Jahren nicht mehr Innenminister, habe damit also auch nicht mehr die Insider-Kenntnisse. Aber die V-Leute sind jedenfalls in den oberen Etagen abgeschaltet. Das bedeutet, dass das Material aus meiner Sicht erst mal im Wesentlichen nur aus öffentlichen Quellen ist. Auch das wird reichen. Aber es wird sicher da erhebliche Diskussionen geben, mit einem erheblichen Prozessrisiko ist schon zu rechnen.

    Barenberg: Natürlich! Man weiß nie vorher, was Richter am Ende entscheiden.

    Beckstein: Die Gerichte werden wissen wollen, inwieweit welche V-Leute noch innerhalb der NPD sind, und ob da alle Länder dann das offenlegen, das ist eine schwierige Frage.

    Barenberg: Sie haben eben gesagt, Sie haben überhaupt keine Zweifel, jedenfalls was das Material angeht und was die verfassungsfeindliche Einstellung der NPD angeht. Kann denn ein solches Verfahren gelingen, wenn der Bundesinnenminister, wenn Hans-Peter Friedrich so große Zweifel hat?

    Beckstein: Gut, es ist natürlich auch die Aufgabe eines Bundesinnenministers, dem in ganz besonderer Weise als dem Vorgesetzten der Bundessicherheitsbehörden die Verantwortung zukommt, dass der auch auf Bedenken hinweist. Das halte ich für naheliegend. Ob jemand mit Überzeugung, oder ob er den Antrag auch mit gewissen Bauchschmerzen stellt, ist rechtlich ohne Bedeutung. Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass Hans-Peter Friedrich, wenn der Antrag gestellt ist, ihn mit aller Kraft unterstützen wird. Und dass er vorher auf Bedenken hinweist, ist, glaube ich, schon auch ein Teil seiner Amtspflicht. Ich habe Respekt vor ihm, dass er das macht.

    Barenberg: Und Sie fordern ihn nicht auf, jetzt etwas genauer zu sagen und sich etwas stärker hinter diesen Antrag zu stellen?

    Beckstein: Also ich bin mir sicher: Wenn der Beschluss fällt, wird er mit aller Macht dafür eintreten, alle Erkenntnisse seiner nachgeordneten Behörden vortragen. Aber dass er auf Risiken hinweist, das ist seines Amtes, und er ist ja jemand, der anders als Otto Schily oder auch als ich sein Amt versteht. Wir haben immer ganz besonders, ja manchmal auch schneidig bestimmte Meinungen gesagt. Er ist jemand, der insgesamt in sehr abwägender Form die Sicherheitsbehörden führt. Und dazu passt eben auch, dass er hier sehr wohl darauf hinweist, dass es alles andere als ein leichtes Verfahren sein wird, dass möglicherweise sogar eine gewisse Änderung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts gegenüber damals notwendig ist. Das ist meine Auffassung. Es war ja damals eine Mehrheit der Richter, die das Verfahren weiter betreiben wollte, und nur eine Minderheit hat das verhindert. Und wenn diese Minderheit ihre Meinung hoffentlich in der Zwischenzeit aufgegeben hat, es sind ja auch andere Personen, dann müsste das Verfahren zu einem Erfolg kommen. Denn dass die NPD ein politisches Ärgernis ist - und zwar nicht nur für die Konkurrenten als Parteien, sondern für die allerallermeisten Bürger -, das ist meine feste Überzeugung.

    Barenberg: Sagt der ehemalige Innenminister des Freistaates Bayern und der frühere Ministerpräsident seines Landes Günther Beckstein. Danke für das Gespräch heute Morgen.

    Beckstein: Auf Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.