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Beckstein zu Seehofers Moskau-Reise
"Gerade in kritischen Situationen dürfen nicht alle Fäden abreißen"

Der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) hat die Reise von CSU-Chef Horst Seehofer nach Moskau verteidigt. Gerade in Spannungszeiten sei es wichtig, dass nicht alle Kontakte abreißen, sagte Beckstein im DLF. Nur durch Gespräche könne Schritt für Schritt eine Annäherung Russlands an europäische Standards wieder erreicht werden.

Günther Beckstein im Gespräch mit Daniel Heinrich | 03.02.2016
    CSU-Politiker Günther Beckstein (15.05.2014)
    CSU-Politiker Günther Beckstein (dpa / picture-alliance / Matthias Balk)
    Daniel Heinrich: Herr Beckstein, Horst Seehofer ist in Moskau, sein Vorvorgänger Edmund Stoiber hat die Reise eingefädelt und ist auch dabei. Warum sind Sie eigentlich nicht mitgefahren?
    Günther Beckstein: Horst Seehofer hat natürlich Edmund Stoiber mitgenommen. Edmund Stoiber war oft in Moskau, kennt Putin. Ich selbst kenne zwar auch Putin, aber nur von einer einzigen Begegnung, ich selbst halte auch nichts davon, dass ich jetzt sozusagen in die Politik von Horst Seehofer eingreifen will. Ich selbst hätte, wenn ich gefragt worden wäre, abgesagt. Ich bin auch gar nicht gefragt worden, und ich bin darüber nicht böse.
    Heinrich: Ist einem bayerischen Ministerpräsidenten in der jetzigen Weltlage eine solche Reise gestattet, nach Russland?
    Beckstein: Also ich halte es ganz eindeutig. Wir haben eine Regionalpartnerschaft mit Moskau, und wichtig ist ja gerade in Spannungszeiten, dass nicht alle Kontakte abreißen. Deswegen hatte ja auch sowohl der Bundesaußenminister als auch die Kanzlerin nicht etwa abgeraten, sondern haben genau dargelegt, was die kritischen Punkte im Moment sind, damit Seehofer über die Details der Politik informiert ist. Aber ich bin überzeugt, dass gerade in kritischen Situationen, wie wir sie jetzt auch im Verhältnis zu Russland haben, der Kontakt auf niedrigerer Ebene stattfinden soll, damit nicht alle Fäden abreißen. Man kann nicht hoffen, dass Menschen sich ändern und zum Beispiel Russland wieder mehr auf Europa zugeht, wenn man überhaupt nicht mit ihnen redet, sondern es kann nur durch Gespräche wieder Schritt für Schritt eine Annäherung an europäische Standards erreicht werden. Dass das auf der ganz großen Ebene nicht möglich ist, wenn Merkel und Putin reden, da ist jedes Wort von weltpolitischer Bedeutung. Wenn über den Kulturaustausch oder vielleicht auch Wirtschaftsaustausch zwischen Bayern und Moskau geredet wird und dann ein Besuch bei Putin ist, dann ist das etwas, wo man einfach, sage ich mal, in einer erweiterten Nachbarschaft aufeinander zugeht, und das ist wichtig.
    Heinrich: Also Horst Seehofer ist nicht der neue Ersatzaußenminister?
    Beckstein: Nein, natürlich nicht. Darum hat ja auch der Außenminister zugestimmt und ihn sogar informiert und gebrieft für diese Reise.
    Heinrich: Wenn wir bei Politikerzitaten sind, dann darf ich Jürgen Trittin zitieren. Der sagt, Horst Seehofer will Angela Merkel ärgern. Fällt Horst Seehofer – ich will es jetzt noch mal genau wissen – nicht Angela Merkel gerade ein bisschen in den Rücken bezüglich der Sanktionspolitik?
    "Das ist ein Rumnörgeln der Opposition"
    Beckstein: Seehofer wird ja nicht etwa Verhandlungen führen, die gegen die Bundesregierung sind. Selbst, wenn er das wollte, hat er dazu ja keinerlei Macht, zumal das auf europäischer Ebene beschlossen wird, wo Seehofer gar nicht dabei ist. Ich sehe das ganz offen gestanden in erster Linie als ein Rumnörgeln der Opposition. Bei der letzten Reise waren die Grünen und die Opposition dabei, nachdem eine Abgeordnete der Grünen dann, ohne das mit dem Ministerpräsidenten und Delegationsleiter abgesprochen haben, einen Besuch bei einem Oppositionellen gemacht hatte und es dadurch großen Ärger gegeben hat, hat jetzt Seehofer niemanden eingeladen, und das ist damit die Revanche. Ich sehe das aber nicht, offen gestanden, als eine echt hochpolitische Auseinandersetzung, denn sonst hätte Merkel oder Steinmeier oder die erste Garde, Herr Gabriel, sich gegen die Reise ausgesprochen, und das war ja nicht der Fall.
    Heinrich: Sind Aussagen denn von Horst Seehofer, er sei skeptisch von Anfang an gegenüber den Sanktionen gewesen gegenüber Russland, sind die hilfreich momentan.
    Beckstein: Ich halte sie für verständlich. Sie teilen doch wahrscheinlich eine große Mehrheit der Bevölkerung. Ob tatsächlich es richtig ist, zum Beispiel den Handel mit Russland zu beschränken. Wir haben in vielen Jahren, übrigens die SPD in besonderer Weise, Willy Brandt war dafür das Symbol, dass man gesagt hat, Wandel durch Annäherung. Wir wollen Gespräche führen gerade auch mit Leuten, die ein anderes System haben. Dass man mit den Russen, dass man mit der DDR Kontakte aufgenommen hat, und zwar nicht, um sich anzubiedern, sondern um sozusagen für die eigenen Ideen ein Stück zu werben. Ich sage, das muss meines Erachtens auch heute erfolgen. Darum unterstütze ich auch beispielsweise die Reise von Steinmeier nach Saudi-Arabien. Wie sollen wir denn mit Ländern, mit denen wir Schwierigkeiten haben, überhaupt zu einem Abgleich von Interessen kommen, wenn man mit denen nicht mehr redet. Dann kann es doch nur immer weiter auseinander gehen und immer schwieriger werden. Mit dem Reden kann man zusammenkommen, und deswegen halte ich diese Gespräche für hilfreich.
    Heinrich: Sie haben Willy Brandt zitiert. Holt sich die CSU jetzt Anleihen von der SPD?
    "Man kann sich gegen Lob nicht wehren"
    Beckstein: Wenn es vernünftig ist, haben wir immer auch Ideen von der Opposition übernommen. Wir haben nicht immer gesagt, dass wir diese Ideen von der Opposition haben, aber selbstverständlich, das gehört zum politischen Geschäft, dass man Dinge, die andere in die Diskussion eingebracht haben, mit prüft, und wenn sie gut sind, auch ein Stück davon sich beeinflussen lässt.
    Heinrich: Sie haben gesagt, die Opposition kritisiert die Reise. Ganz stimmt das nicht. Sara Wagenknecht findet das sogar ziemlich gut, dass Horst Seehofer jetzt in Moskau ist. Kann einem CSU-Politiker ein Lob von Linksaußen eigentlich gefallen?
    Beckstein: Man kann sich gegen Lob nicht wehren, dass aber das Lob von Wagenknecht nicht von Bedeutung für uns ist, liegt auf der Hand.
    Heinrich: Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein. Haben Sie ganz herzlichen Dank für das Gespräch!
    Beckstein: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.