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Bedrohte Blogger in Bangladesch
Ein Leben in Angst

In Bangladesch wurden seit Jahresbeginn mindestens vier säkulare Blogger und Online-Aktivisten mit Fleischerbeilen niedergemetzelt. Zu den Anschlägen bekannten sich Gruppen, die mit der verbotenen "Ansarullah Bangla" in Verbindung stehen. Auch der 24-jährige Ananya Azad, der seit Juni Stipendiat der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte ist, steht auf ihrer Todesliste.

Von Brigitte Neumann | 24.10.2015
    Der Blogger Ananya Azad aus Bangladesch sitzt in einer Wohnung in Hamburg an seinem Laptop.
    Der Blogger Ananya Azad aus Bangladesch. (picture alliance / dpa / Christian Charisius)
    Ananya Azad ist ein zierlicher 24-Jähriger mit langen schwarzen Locken und einem offenen Gesicht. Eigentlich war er auf dem Weg, Professor für Marketing an der Universität von Dhaka zu werden. Aber nun musste er sein Studium abbrechen und fliehen. Wir trinken Kaffee. Ich frage ihn, wie er schläft. Nur mit Licht, sagt er. Heimweh? Ja, nach Mama, "Mom" sagt er.
    "Ich habe keinen Vater mehr. Nur meine Mutter lebt noch – in Bangladesh. Und ich bin nicht da, ich weiß nicht, ob es ihr gut geht, ob sie gut isst. Diese Dinge gehen mir durch den Kopf."
    Ananya Azad entstammt einer Familie der liberalen Oberschicht Bangladeshs. Sein Vater, der Schriftsteller und Linguist Humayun Azad, der, wie heute sein Sohn, für Menschenrechte und Meinungsfreiheit kämpfte, wurde bei einem Anschlag schwer verletzt, überlebte aber. Da ihm die religiösen Extremisten weiter nach dem Leben trachteten, nahm er ein Stipendium der PEN-Stiftung in München an. Dort starb Azad Senior wenige Tage nach seiner Ankunft 2004 unter nicht ganz geklärten Umständen. Sein Sohn Ananya war damals 13 Jahre alt. Und auch er wird, wie sein Vater, wegen Beleidigung des Islam verfolgt. Auch er findet Zuflucht in Deutschland.
    Azad kritisiert die destruktive Seite von Religionen
    "In den vergangenen Monat habe ich Todesdrohungen erhalten. Sie haben öffentlich erklärt, dass ich der nächste bin, der dran glauben muss. Und die fundamentalistische Gruppe Ansarullah Bangla stellte mein Foto auf ihre Web-Seite, sie strichen mein Gesicht durch und erklärten: Ananya wird getötet. Aber nicht nur die sind hinter mir her, eine Reihe kleinerer Fundamentalistengruppen hat sich dem Aufruf angeschlossen."
    In seinem Blog, das er inzwischen auf Facebook schreibt, kritisiert Azad die destruktive Seite von Religionen, auch die des Islam. Er setzt sich für Frauenrechte und Meinungsfreiheit ein. Sein in Bangla gehaltenes Blog hat 18.000 Abonnenten. Werden diese Texte von seinen Lesern als Grundlage für eine Diskussion genutzt?
    "Wer meine Gedanken nicht gut heißt, hält sich nicht lange mit Kritik auf. Sie fangen gleich an mit Hass und ihre Kommentare kann man alle so zusammenfassen: Ich werde dich umbringen."
    Die anderen Blogger aus Ananya Azads Umfeld nennen sich Rationalisten, Säkularisten oder Wissenschaftler. Damit zielen sie ab auf die selbst ernannten militanten Verteidiger des Islam, wie Al Quaida. Dabei ist das Grundprinzip des Säkularismus in der Verfassung von Bangladesh verankert. Aber der Staat tut nichts mehr dafür, seine säkular eingestellten Bürger zu schützen.
    Sechs weitere in Deutschland lebende Blogger stehen auf der Todesliste
    "Meine seelische Verfassung ist grade nicht so gut. Denn meine Freunde und Bloggerkollegen werden einer nach dem anderen umgebracht. Letzten Monat traf es wieder einen - Neloy Neel. Er kritisierte, was die Religiösen in unserem Land anrichten. Sie drangen in sein Haus ein und töteten ihn dort. Das passiert in Bangladesh … einfach so. Und da sollten wir uns wehren. "
    Neloy Neel war der vierte Blogger innerhalb eines halben Jahres. Und weil Ananya Azad als nächster auf der Liste steht, hat er Angst - auch nach zwei Monaten in Deutschland, in seiner geheimen Wohnung.
    "Ich sage Ihnen etwas. Zwei Wochen nachdem ich in Berlin ankam, erklärte eine der fundamentalistischen Gruppen, dass sie nach Deutschland kommen würden, um Blogger zu töten. Das war das erste Mal, dass eine solche Gruppe ankündigte, Zielpersonen nun auch im Ausland umzubringen."
    Zusammen mit Azad stehen sechs weitere in Deutschland lebende Blogger aus Bangladesh auf der Todesliste der Terroristen.