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Begehrtes Land am Rande der Karpaten

In Rumänien besitzen immer weniger Eigentümer immer mehr Land. Seit zehn Jahren kaufen Konzerne und Investoren große Felder, weil sie auf hohe Erlöse hoffen. Umweltverbände kritisieren deshalb die Subventionspolitik der EU.

Von Thomas Wagner | 15.07.2013
    Marcel Wiesehoff ist deutscher Agrarinvestor in Westrumänien, bewirtschaftet rund um die Kleinstadt Oravita über 3000 Hektar Nutzfläche:

    "Vor zehn Jahren haben hier die Ersten, die dieses Geschäft gesehen haben, für 50 Euro, ja für 50 D-Mark den Hektar gekauft. Und das hat jetzt eine Wertigkeit von 5000 Euro. Das ist natürlich eine große Spekulation, eine große Wertsteigerung."

    Ionica Prohab arbeitet bei der "Directia Agricul al Judetul Timis", also bei der Landwirtschaftsdirektion im westrumänischen Verwaltungskreis Temeswar.

    "Die Ausländer, die hier in den letzten Jahren Land gekauft haben, sind in erster Linie Italiener, Syrer, Luxemburger."

    Nach dieser Aufzählung kommen diejenigen, die in den vergangenen Jahren Land in Rumänien gekauft haben, aus fast allen europäischen Ländern; manche sind auch erheblich weiter weg Zuhause. Landkauf oder, wie Kritiker sagen, "Land-Grabbing" in Rumänien - das ist ein Prozess, der bereits seit über zehn Jahren eingesetzt hat, nach der Rückübereignung der unter den Kommunisten enteigneten Agrarflächen. Und am Anfang der Landkäufe waren Spekulanten, die auf einen starken Anstieg der Grundstückspreise hofften, sehr häufig unter den Interessenten. Kritiker befürchten als Folge daraus gravierende Folgen: Die gesamte Agrarfläche in der Hand von nur wenigen Eigentümern, die mit Monokulturen das Land auslaugen. Doch all diese Effekte sind nach Ansicht von Marcel Wiesehoff, Chef des mit deutschem Kapital arbeitenden Unternehmens "Banat Farming", so nicht eingetreten. Wer heute in Rumänien Land kauft, will in aller Regel darauf nachhaltige Landwirtschaft betreiben, über längere Zeiträume hinweg. Die Voraussetzungen dafür seien ideal.

    "Hier gibt es humusreiche Schwarzerde-Böden. Und wir haben kontinentales Klima. Wir haben zum Beispiel für Mais hier sehr, sehr ideale Wachstumsvoraussetzungen."

    Und deshalb kaufen sowohl rumänische als auch ausländische Investoren seit über zehn Jahren Land auf, mit denen die ursprünglichen Eigentümer kaum etwas anfangen können. Es sind die Nachkommen jener Rumänen, die in der kommunistischen Ceausescu-Diktatur enteignet wurden und ihre Äcker an die großen Staatsbetriebe abgeben mussten. Erst ab etwa 2004 bekamen die Nachfahren die Flächen zurück. Die meisten ließen die Felder brachliegen, weil sie weder über das Geld noch über das "Know-how" zur Bewirtschaftung verfügten. Das rief rumänische und ausländische Investoren auf den Plan. Marcel Wiesehoff:

    "Was sich in den letzten fünf Jahren da abgespielt hat, das ist einfach Wahnsinn. Das hätte ich nie gedacht, wie viele Brachflächen da in die Kultur genommen wurden. Es gibt immer noch Brachflächen, fruchtbares Land, das brachliegt und in die Kultur genommen werden kann."

    An diesem großen Angebot wird sich auch im kommenden Jahr nichts ändern, wenn natürliche Personen bei Landangeboten zugreifen dürfen.

    "Dieser Zusammenhang, dass da Einzelpersonen Land kaufen dürfen, wird überhaupt keinen Effekt nach sich ziehen."

    Der Grund: Bisher schon konnten ausländische Firmen Land kaufen, selbst ohne einheimische Teilhaber. Wer also Land wollte, musste lediglich die bürokratische Prozedur einer Unternehmensgründung über sich ergehen lassen. Auf der einen Seite jene rumänischen Familien, die die rückübertragenen Flächen nicht bewirtschaften wollen oder können, auf der anderen Seite Investoren, die über ihre Firmen die einzelnen Parzellen aufkaufen und zu erheblich größeren Einheiten zusammenfügen - dieses System fördert aber eher die Entstehung großer Agrarfabriken als kleine Familienbetriebe in Rumänien:

    "Die Betriebsstruktur ist hier eher groß. Hier gibt es eher große Betriebe, wie ich sie vorher nicht kannte. Also das Ganze spielt sich zwischen 1000 und 10.000 Hektar ab. Wir sind mit 3400 Hektar ein oberer mittlerer Betrieb, aber auch ein Großer."

    Wachstumsmöglichkeiten für landwirtschaftliche Investitionen bietet Rumänien nach wie vor: "Terrain de vinzare", zu deutsch: "Land zu verkaufen" - das steht in krakeliger Schrift auf primitiven Holztafeln am Rande großer, brachliegender Felder. Vor allem nationalistisch gefärbte Politiker konnten dabei gerne mit Parolen wie "Nu vindem zare", "Wir verkaufen unser Land nicht." Aber: Trotz aller Landkäufe der vergangenen Jahre könne von einem Ausverkauf der rumänischen Agrarflächen keine Rede sein, sagt Ionica Prohab von der Agrardirektion Temeswar:

    "”Bisher wurden ungefähr 68.000 Hektar Land an ausländische Investoren verkauft, vor allem an Italiener. 530.808 Hektar beträgt die landwirtschaftliche Nutzfläche in unserem Landkreis insgesamt. Das heißt: Nur etwa elf Prozent gingen an ausländische Interessenten. Und das ist eine akzeptable Größenordnung.""

    Damit zeichnet der Mann vom rumänischen Landwirtschaftsamt, wenn es um Landkäufe durch Ausländer geht, ein differenziertes Bild. Allerdings kann er damit nicht die Kritik vieler Umweltorganisationen an der Subventionspolitik der Europäischen Union entkräften. Der Fehler liege im System der Flächen-Kopplung: Wer mehr Land hat, bekommt mehr Geld. Auch der deutsche Agrarinvestor Marcel Wiesehoff empfindet das nicht als hilfreich:

    "Ich habe auch die Möglichkeit in Rumänien, die Fläche frei von mehrjährigen Unkräutern zu halten, wie immer das auch aussieht, und habe dann schon einen hohen Subventionsanspruch, weil natürlich viele diese Flächen anmelden, ohne etwas zu tun, mit dem Risiko, eine Kontrolle zu bekommen. Die aber bleibt aus."