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Beginn der Finanzkrise in Deutschland
Der lange Schatten des Jahres 2007

Vor zehn Jahren begann die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit, sie erreichte Deutschland im Sommer 2007. Seither ist manches getan worden, um die Banken sicherer zu machen. Experten bezweifeln aber, dass das reicht. Manche fürchten, dass das Risiko einer neuen Krise sogar gestiegen ist.

Von Brigitte Scholtes | 29.07.2017
    Die Hochhäuser der Skyline von Frankfurt am Main: Im Vordergrund ist die Untermain-Brücke zu sehen, die die Frankfurter Innenstadt mit dem Museumsufer und dem Stadtteil Sachsenhausen verbindet.
    Die Skyline von Frankfurt: Hier haben viele Banken ihren Sitz, in Frankfurt sitzt auch die EZB. Sie alle wurden von der Finanzkrise erfasst. (picture-alliance / dpa / Wolfram Steinberg )
    "Die Krise hat die Grundpfeiler des westlichen Finanzsystems erschüttert."
    Sagt Axel Weber im Rückblick auf das, was im Sommer 2007 geschehen ist. Damals war er Präsident der Deutschen Bundesbank; die Finanzkrise hat er hautnah miterlebt.
    Alles hatte in den USA angefangen, wo die Banken massenweise Immobilienkredite verkauft hatten – und zwar auch an Kunden, die ihre Schulden voraussichtlich niemals würden zurückzahlen können. Aus den faulen Krediten entstand die Immobilienkrise – doch kaum jemand ahnte, dass daraus eine weltweite Finanzkrise erwachsen würde.
    Die IKB war das erste Opfer der Finanzkrise in Deutschland
    Noch im Frühjahr 2007 hatten Experten das Finanzsystem als sicher eingeschätzt, erinnert sich Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken:
    "Der IWF hat damals den Banken oder überhaupt dem Thema Finanzstabilität attestiert, dass alles in Butter ist, dass die Risiken gering sind."
    Was für eine Fehleinschätzung. Das wurde auch in Deutschland spätestens Ende Juli deutlich. Am Beispiel einer Bank, von der die meisten Deutschen noch nie etwas gehört hatten, der Mittelstandsbank IKB. Die hatte noch am 20. Juli ihre wirtschaftliche Lage als stabil dargestellt, als den Verantwortlichen aber wohl längst klar gewesen sein muss, dass sich die Bank mit schlechten amerikanischen Hypothekenkrediten verspekuliert hatte, im Fachjargon "Subprime" genannt.
    Damit war die IKB das erste Opfer der Finanzkrise in Deutschland. Das Entsetzen war groß, selbst ein Kenner der Bank wie Analyst Dieter Hein zeigte sich damals überrascht und verärgert:
    "Das ist natürlich ein Schlag ins Gesicht des Kapitalmarktes und was momentan ist, ist eigentlich ein Desaster für die IKB."
    Udo Steffens, Präsident der Frankfurt School of Finance and Management nennt im Rückblick einen wesentlichen Grund für dieses Desaster:
    "Die IKB war ja ein klassischer Fall, die sich relativ kurzfristig über Anleihen am Geldmarkt refinanzierten, um es dann mittel- bis langfristig auszuleihen, die hatten also ein Mismatch zwischen den beiden Bilanzseiten, und das ist dann letztlich zurückgeführt worden, weil dann die kurzfristige Finanzierung zusammenbrach, weil es eben Unkenrufe gab, dass hier die Liquidität langsam zusammenbrechen würde. Und dann standen sie quasi im Hemd da."
    Diese Unkenrufe kamen von der Deutschen Bank. Die hatte der IKB am 27. Juli vor zehn Jahren, einem Freitag, eine Kreditlinie gekappt - aus Sorge um deren Zahlungsfähigkeit. Josef Ackermann, damals Chef der Deutschen Bank, verteidigte dieses Vorgehen später:
    "Wenn die Deutsche Bank nicht am Freitag auf die Problematik hingewiesen hätte und wir über das Wochenende unter der Führung des Finanzministers mit Bundesbank, BaFin, aber auch allen Bankverbänden erreicht hätten, dass wir bis Sonntagabend - glaube ich, um elf - einen Text hatten, den man bekannt geben konnte und der gezeigt hat, dass dieses Problem aufgefangen wird, hätten wir am Montag, weil sich schon die ersten Gerüchte an den internationalen Märkten übers Wochenende abzeichneten, größte Verwerfungen im deutschen Markt vorgefunden."
    Der Schriftzug der IKB Bank an der Zentrale der Kreditbank in Düsseldorf.
    Am 27. Juli 2007 wurde der IKB eine Kreditlinie gekappt. Die Finanzkrise hatte Deutschland erreicht. (dpa / Achim Scheidemann)
    So wurde die IKB am 30. Juli 2007 vor einer Pleite gerettet – ein bedeutendes Ereignis, dessen war sich Jan-Pieter Krahnen, Professor für Kreditwirtschaft und Finanzierung an der Goethe-Universität Frankfurt, schon damals bewusst:
    "Meines Erachtens ist der Tag, an dem dieser Rettungsversuch stattgefunden hat, ein Tag für die Geschichtsbücher. Ein Ereignis, das wir in der deutschen Nachkriegsgeschichte nicht erlebt haben, eine Rettungsaktion einer privaten Bank durch den Staat durch den Einsatz staatlicher, öffentlicher Gelder. Und so eine Rettungsaktion ist ein letzter Ausweg, der am Vorabend einer ansonsten drohenden großen Krise zulässig ist."
    Peer Steinbrück las den Bankern die Leviten
    Das aber war erst der Beginn. Denn in Pakete mit solch schlecht besicherten Immobilienkrediten in den USA hatten auch andere investiert, vor allem Landesbanken, in der Hoffnung auf hohe Renditen: Die Düsseldorfer WestLB, die HSH Nordbank, die SachsenLB, die Landesbank Baden-Württemberg - sie alle waren über Zweckgesellschaften, sogenannte Conduits, hohe Risiken eingegangen.
    Der damalige sozialdemokratische Bundesfinanzminister Peer Steinbrück las den Bankern wenig später die Leviten:
    "Die nennen Sie dann 'Conduit' oder Investmentvehikel oder strukturierte Produkte. In Wirklichkeit ist es eine Wundertüte, wo Sie nicht wissen, wo die Risiken und der Knallfrosch drin ist. Sie haben keine blasse Ahnung davon."
    Schon einen Monat nach der IKB strauchelte die SachsenLB, die dann 2008 von der Landesbank Baden-Württemberg übernommen wurde.
    Auch andere Landesbanken wie die HSH Nordbank mussten von ihren Bundesländern gestützt werden. Doch nicht alle Banken wurden gerettet: Die Düsseldorfer WestLB wurde trotz massiver Stützung durch Sparkassen und Landesregierung Jahre später aufgespalten.
    Aber auch private Banken waren betroffen: Die Hypo Real Estate wurde ebenfalls zunächst aufgefangen, dann verstaatlicht und schließlich aufgespalten. Die Commerzbank geriet in Schwierigkeiten, weil sie Ende August 2008 dem Versicherungskonzern Allianz die verlustreiche Dresdner Bank abgekauft hatte – bevor dann im September in den USA die Investmentbank Lehman Brothers zusammenbrach. Damit erreichte die Finanzkrise einen Höhepunkt.
    Das Wirtschaftssystem stand vor einem Zusammenbruch. Die Zentralbanken weltweit pumpten viel Liquidität in die Finanzmärkte, sie drückten die Zinsen schnell nach unten und bewahrten so das Finanzsystem vor einem Kollaps. Da habe man aus der Geschichte, aus der großen Finanzkrise Ende der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts, gelernt, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank:
    "Die akute Krise ist sehr viel effektiver eingedämmt worden und die Märkte haben durchaus einen Respekt vor den Notenbanken und auch den Finanzministerien bekommen, wie doch das Finanzsystem in dieser Zeit wieder vom Krisenlevel heruntergebracht werden konnte."
    Denn auch die Politik wurde aktiv: So brachte die Bundesregierung in kürzester Zeit ein Gesetz auf den Weg, zur Stabilisierung der Finanzmärkte - mit üppigen staatlichen Garantien und Kapitalzufuhren für die Banken. Vor allem für die Commerzbank: Der Staat stützte sie mit stillen Einlagen und Eigenkapital, bis heute ist die Bundesrepublik mit 15,6 Prozent an dem Bankhaus beteiligt.

    Wie dramatisch die Bundesregierung die Lage einschätzte, zeigte sich dann Anfang Oktober 2008, als Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen mit dem damaligen Finanzminister Steinbrück vor die Medien trat und versicherte:
    Bundeskanzlerin Angela Merkel und Peer Steinbrück sprechen über die Finanzkrise
    Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück mussten oft vor die Presse treten und zum Thema Finanzkrise Stellung nehmen. (picture alliance / dpa)
    "Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein."
    Denn die Bundesregierung hatte Sorgen vor einem Bank-Run: dass also ähnlich wie in der Weltwirtschaftskrise der späten 20er-Jahre die Bankkunden ihre Einlagen würden sichern - also abheben - wollen. Denn das hätte den Zusammenbruch weiterer Banken oder des gesamten Systems bewirkt.
    Die erste Folge dieser Krise: Ein Wirtschaftseinbruch, und das weltweit, erinnert sich Ulrich Kater von der Dekabank:
    "Das nächste Thema, was sich dann in 2008 und 2009 zeigte und was uns überrollt hat, war dann die Reaktion in der Wirtschaft, in der Konjunktur, mit diesem beispiellosen Konjunktureinbruch, den wir dann 2009 erlebten, wo es tatsächlich einen Rückgang der Konjunktur wegen der Unsicherheit aus dem Bankensektor gegeben hat wie wir das eben seit 80 Jahren nicht erlebt hatten."
    Die Banken wurden an die Kandare genommen
    Den Grund dafür erläutert der Ökonom Martin Hellwig:
    "Weil die Verluste, die die Banken in der Krise gemacht hatten, ihr Eigenkapital so aufgefressen hatten, dass sie bewegungsunfähig waren. Hätten die vorher mehr Eigenkapital gehabt, hätten sie diese Verluste besser überstehen können."
    So wurden die Banken an die Kandare genommen – in den USA schneller und stärker als in Europa. In den USA nämlich hatten die Kreditinstitute keine Wahl: Sie mussten Eigenkapitalspritzen des Staates annehmen. In Deutschland etwa zierte sich da vor allem die Deutsche Bank noch. Sie schaffe das alleine, versicherte ihr damaliger Chef Josef Ackermann immer wieder gern, so etwa im Februar 2009:
    "Wenn man Geld nicht notwendig hat, dann nimmt man nicht Geld vom Staat. Das ist unsere tiefe ordnungspolitische Überzeugung. Wenn wir es schaffen, wird man sicher in 10, 20 Jahren mit großem Stolz sagen, dass diese Bank diese größte Finanzkrise seit der großen Depression eigenständig gemeistert hat. Das wäre schon etwas, was für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Zeichen der Freude und des Stolzes sein könnte."
    Geld vom Staat hat die Deutsche Bank zwar nicht genommen. Aber sie hat für ihre Verfehlungen kräftig büßen müssen: Denn gerade die Investmentbanker der Deutschen Bank hatten in den USA kräftig mitgemischt; unter der Aufarbeitung dieser Spekulationen und Zockereien leidet das Geldhaus heute noch, auch wenn sich die Deutsche Bank allmählich, nach Zahlungen vieler Milliarden Dollar an Strafen, wieder stärker um ihr eigentliches Geschäft kümmern kann.
    Ist das Finanzsystem mittlerweile sicherer geworden? Schließlich haben im Herbst 2008 die Politiker der westlichen Industrieländer hoch und heilig versprochen, nie wieder werde der Steuerzahler mit seinem Geld für die Rettung einer Bank herangezogen. Ein Versprechen, das in jüngster Zeit mit der Rettung etwa italienischer Geldhäuser gebrochen wurde.
    Die Banken sitzen noch immer auf faulen Krediten
    Aber grundsätzlich müssen die Banken seither mehr Eigenkapital haben, sie können also nicht mehr auf Kredit zocken – oder zumindest nicht mehr so stark wie früher. Sie müssen nun drei Prozent ihrer Bilanzsumme an Eigenkapital vorhalten – als Verlustpuffer für Kreditausfälle. Das ist einerseits immer noch sehr wenig. Andererseits aber ist nun viel stärker eingegrenzt, was als sogenanntes hartes Eigenkapital definiert wird. Eine wichtige Entscheidung, meint Elke König, Chefin der Europäischen Abwicklungsbehörde:
    "Banken haben heute deutlich mehr Kapital, deutlich qualitativ besseres Kapital, und auch Liquidität wird nicht mehr als Gott gegeben immer vorhanden angesehen, sondern sehr klar überwacht."
    Der Ökonom Martin Hellwig aber hält dies für nicht weitreichend genug. Er kritisierte schon vor einigen Jahren:
    "Ist man weniger Risiken eingegangen? Kaum. Man hat einfach die Risikomodelle geändert. Wenn eine Bank hohe Risiken eingeht, soll sie für diese Risiken mehr eigene Mittel einsetzen. Und wenn eine Bank so gut wie gar keine Risiken eingeht, dann braucht sie auch nicht viel eigene Mittel. In der Praxis beobachten wir, dass die Banken immer sagen: ‚Das Zeugs, was wir kaufen, ist praktisch nicht riskant.‘ Und das lassen die Regeln auch zu. Die Banken dürfen ihre eigenen Modelle verwenden, um die Risiken zu messen, was immer ‚messen‘ hier heißen mag."
    Die Banken lagerten im Verlauf der Jahre ihre Altlasten zwar aus, aber immer noch sitzen die Geldhäuser – vor allem in Südeuropa – auf beängstigend hohen Bergen an faulen Krediten.
    Auch ein weiteres Problem besteht noch: die enge Verflechtung zwischen Banken und Staaten. Die führte von 2009 an zu einer weiteren Verschärfung der Krise, zur Staatsschuldenkrise. Vor allem kleine Staaten gerieten ins Taumeln, weil sie ihren Bankensektor mit Krediten und Bürgschaften gestützt hatten, um den Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern. Dafür wurden im Euroraum zwischen 2008 und 2014 fünf Prozent der Wirtschaftsleistung aufgewendet. Das überforderte manche Staaten wie Irland, Portugal oder auch Griechenland.

    Es wurden diverse Rettungspakete geschnürt, Rettungsfonds wie der EFSF gegründet. Und trotzdem bekamen die Regierungen die Krise nicht in den Griff, es drohte sogar das Zerbrechen der gemeinsamen Währung, des Euro. Auf dem Höhepunkt dieser Krise sprach EZB-Präsident Mario Draghi vor fünf Jahren die inzwischen berühmten Worte:
    Mario Draghi hat die Augen geschlossen, im Hintergrund ist ein Eurozeichen zu sehen.
    "Whatever it takes": Mario Draghis Worte auf dem Höhepunkt der Finanzkrise sind berühmt geworden. (dpa/ picture-alliance/ Arne Dedert)
    "Within our mandate, the ECB is ready to do whatever it takes to preserve the Euro. And believe me - it will be enough."
    Die EZB werde alles tun, um den Euro zu retten – koste es, was es wolle. Das tat und tut sie bis heute mit einer ultralockeren Geldpolitik, bei der sie mindestens bis Ende dieses Jahres noch monatlich am Finanzmarkt Wertpapiere im Volumen von 80 Milliarden Euro kauft.
    Die gemeinsame Einlagensicherung fehlt immer noch
    Die Eurokrise konnte so eingedämmt werden. Aber die enge Verflechtung von Banken und Staaten bleibt auch in umgekehrter Richtung weiter bestehen: Denn in den Bankendepots lagern immer noch viele Staatsanleihen der jeweiligen Nationalstaaten. Beim Kauf anderer Wertpapiere, etwa Unternehmensanleihen, müssen sie einen Risikopuffer aufbauen. Das gilt nicht, wenn sie Staatsanleihen kaufen - das hat sich bis heute nicht geändert.
    Auch der Aufbau der Bankenunion, auf die man sich in Folge der Krise geeinigt hatte, ist bis heute nicht vollendet worden. Zwar gibt es inzwischen eine gemeinsame Bankenaufsicht, weil die nationalen Aufsichten unterschiedliche Standards an ihre Geldhäuser gelegt hatten. Nun kontrolliert die EZB die 129 größten Kreditinstitute im Euroraum und macht auch kleineren Instituten indirekt Vorgaben. Die einheitliche Bankenabwicklungsbehörde als zweite Säule der Bankenunion soll sicherstellen, dass marode Geldhäuser abgewickelt werden können, ohne dass das Finanzsystem kollabiert.
    Aber die dritte Säule, die gemeinsame Einlagensicherung, fehlt immer noch. Sie soll eigentlich dafür sorgen, dass die Banken selbst genügend Kapital vorhalten, um die Spareinlagen ihrer Kunden abzusichern. Diese Regelung blockiert Deutschland mit Verweis auf die vielen kleinen Institute, die dann womöglich mit ihrem Kapital für die Fehler maroder Banken, vor allem im südeuropäischen Raum, einstehen müssten.
    Eine weitere Erkenntnis der letzten Jahre: Waren die Vorschriften für die Banken vor der Finanzkrise eher lasch, habe man die Regulierung danach zu weit getrieben, sagt etwa Felix Hufeld, Präsident der deutschen Bankenaufsicht Bafin.
    "Wir haben ein Maß an Regulierung erreicht, das kleinere Banken über Gebühr und – mit Blick auf ihr Risikoprofil – unnötig belastet. Das sollten wir ändern – ohne allerdings Abstriche bei der Finanzstabilität insgesamt zu machen."
    Es darf in den nächsten zehn Jahren nicht zu einer neuen Krise kommen
    In den USA denkt Präsident Donald Trump sogar darüber nach, alle Geldhäuser wieder stärker zu deregulieren - damit aber könnte die Wall Street aufs Neue entfesselt werden – das Risiko einer neuen Krise nehme bereits zu, meinen Experten. Deshalb plädiert Commerzbank-Chef Martin Zielke für eine andere Art der Regulierung:
    "Lasst uns zu einer effektiveren im Sinne von abgestimmten, konsistenteren Regulierung kommen, da wo es Sinn macht."
    Das könnte die Banken zumindest an einer Stelle entlasten. Denn geschwächt wie sie sind, müssen sie sich gleichzeitig wegen der Digitalisierung neu ausrichten. Das aber verschlingt neben den Kosten für die Regulierung viel Geld, und schließlich ächzen sie unter der Last der niedrigen Zinsen.
    Denn auch die Geldpolitik, die vor zehn Jahren das Finanzsystem vor dem Zusammenbruch bewahrte, belastet nun die Erträge der Banken. Immer noch trage die EZB mit ihrer Politik dazu bei, dass sich schwache Banken und Staaten halten könnten und nicht nachhaltige Finanzpolitik betrieben, mahnt der frühere Bundesbankpräsident Axel Weber, heute Chef der schweizerischen UBS:
    "Der Boom, den viele Kapitalmärkte in Folge der expansiven Geldpolitik erfahren haben, wird nicht nachhaltig sein, denn es wird zu einer Korrektur der Aktienkursbewertungen und zu einer Normalisierung auch im Bereich der festverzinslichen Erträge kommen, und unser Finanzsystem ist nicht gut gerüstet. Und diejenigen, die im Finanzsystem, und insbesondere im Kern Verantwortung haben, die Notenbanken, würden Gutes tun, dieses System langsam wieder Richtung Normalität zurückzuführen. Ich sehe das nur sehr schleppend. Und das in sich selbst kann ein weiteres Stabilitätsrisiko sein."
    Doch EZB-Präsident Mario Draghi sieht die Zeit für eine Normalisierung noch nicht gekommen, womöglich auch, weil vor allem die hoch verschuldeten Staaten im Süden Europas die Zeit noch nicht zum Schuldenabbau genutzt haben. Man müsse sich noch in Geduld üben, sagte er erst vor wenigen Tagen:
    "We need to be persistent and patient, because we aren’t there yet.”
    Es kann also noch dauern, glaubt auch Udo Steffens von der Frankfurt School - trotz der Gefahr der neuerlichen Blasenbildung an den Kapital- und auch Immobilienmärkten. Denn gerade erst zeigten sich zarte Erfolge – das Wachstum im Euroraum und auch die Beschäftigung zögen wieder an:
    "Die große Frage für die Geldpolitiker wird jetzt eben sein: Wie schafft man die Wende, ohne diese zarten Pflänzchen des Wachstums abzuwürgen? Das ist die Kunst der Geldpolitik, und wir werden wahrscheinlich ein langsames Einträufeln sehen von höheren Refinanzierungszinsen. Aber es wird wahrscheinlich genauso lange dauern, da wieder rauszukommen, wie es gedauert hat, da reinzukommen. Das heißt, es wird sicherlich ein Zyklus sein von noch mal bis zu zehn Jahren, bis man wieder auf sogenannte Normalzinssätze kommt, was immer dann im Einzelnen normal sein wird."
    Die Gefahr dabei: Es darf in den nächsten zehn Jahren nicht zu einer neuen Krise ähnlichen Ausmaßes kommen. Die Rückkehr zu einem wahrnehmbaren Zins wäre auch aus anderen Gründen sehr wichtig, sagt Jörg Krämer von der Commerzbank:
    "Nur dann, wenn es einen richtigen, einen spürbaren Zins gibt, nur dann merken auch die Menschen die Kosten der Schulden, und nur dann verhalten sie sich auch verantwortungsorientiert. Den Zins wiederherzustellen, ist ganz, ganz wichtig, um alle Beteiligten, Hausbauer, Unternehmer, Banken und Staaten, zu einem verantwortlicheren Handeln zu bewegen."
    Das wäre auch für die Bürger von Bedeutung. Ihr Vertrauen in dieses System ist ohnehin erschüttert. Sie tragen die Last dieser Finanzkrise, die Banker und Geldhäuser herbeigeführt haben.