Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Behandlungsfehler
Rechtliche Folgen für Arzt und Patient

Juristisch betrachtet ist ein ärztlicher Kunstfehler die Verletzung des Behandlungsvertrages zwischen Patient und Arzt. Dem Patienten hilft das in der Situation wenig, denn zunächst einmal ist er derjenige, der in der Beweispflicht ist. Doch es gibt eine Ausnahme.

Von Gudula Geuther | 29.10.2015
    In einer Augenklinik wird eine Patientin auf dem Stuhl liegend behandelt. Die OP wird auf einen Bildschirm an der Wand übertragen.
    Die Beweislast bei einem Behandlungsfehler dreht sich aber um, wenn der Arzt einen groben Behandlungsfehler begangen hat. (Universitätsklinikum Heidelberg)
    "Lege artis", kunstgerecht hat der Arzt seine Patienten zu behandeln. Nüchterner betrachtet ist der Kunstfehler eine Verletzung des Behandlungsvertrages. Über den sagt das Bürgerliche Gesetzbuch:
    "Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist."
    Über Alternativen und Folgen informieren
    So weit, so allgemein. Wann folgt ein Arzt diesen Maßstäben? An sich kann er selbst entscheiden, wie er vorgeht. Das aber nur in engem Rahmen. Er muss den Patienten über Alternativen und ihre Folgen aufklären.
    Gibt es mehrere Herangehensweisen, die gleich wirksam sind, ist das Risiko mit einzustellen. Auch das klingt noch recht allgemein. Denn: Wer entscheidet das? Es genügt nicht, dass der Patient nach der Behandlung nicht besser oder gar schlechter dran ist als zuvor. Nicht jede Behandlung, die nicht zu Erfolg führt, ist ein Behandlungsfehler.
    Beweispflicht liegt beim Patienten
    Ob tatsächlich ein solcher Fehler vorliegt, wird vor Gericht im Zweifel ein Gutachter bewerten. Dabei muss aber auch klar sein: Gutachter sind keine Richter. Das gilt auch für die Frage, ob ein Behandlungsfehler ursächlich ist für die Beschwerden, die der Patient später hat – oder im Extremfall gar für seinen Tod. Dass es gerade die Behandlung durch den Arzt war, die den Schaden herbeigeführt hat, muss normalerweise der Patient oder seine Hinterbliebenen beweisen. Das wird – der menschliche Körper ist komplex - sehr häufig nicht gelingen.
    Ausnahme grober Behandlungsfehler
    Die Beweislast dreht sich aber um, wenn der Arzt einen groben Behandlungsfehler begangen hat. Davon geht – wieder ganz abstrakt gesprochen – der Bundesgerichtshof aus, wenn – Zitat: "der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf."
    In verschiedenen Entscheidungen stellte der Bundesgerichtshof klar: Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob es allgemeine Leitlinien und Handlungsanweisungen gibt. Und: Der Richter muss letztlich selbst entscheiden. Nur, dass ein Gutachter sich nicht dazu entschließen kann, den Fehler des Kollegen als grob zu bezeichnen, genügt nicht.
    Was gut oder falsch gelaufen sei, beurteile der Gutachter. Ob das juristisch gesehen ein grober Fehler sei, beurteile das Gericht.