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Behörden
Erstes bundesweites Transparenz-Ranking veröffentlicht

Das Informationsfreiheitsgesetz - um die Jahrtausendwende eingeführt – ermöglicht Bürgern, Akten von Behörden anzufordern und Klarheit über Verwaltungsvorgänge zu bekommen. Doch die Beamten tun sich noch immer schwer damit, Informationen herauszugeben – das zeigt das bundesweite Transparenzranking, das heute in Berlin veröffentlicht wurde.

Von Anja Nehls | 02.03.2017
    Regale voll mit Akten von Antragstellern stehen in Berlin im BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, aufgenommen am 03.03.2015. Foto: Britta Pedersen | Verwendung weltweit
    Allein die Möglichkeit, dass Bürgerinnen und Bürger Einsicht nehmen können, sorge laut Experten schon dafür, dass weniger gemauschelt werde. (dpa / Britta Pedersen )
    Wohin fließt das Geld aus den Rettungsfonds der Euro Länder? Welche Verträge hat das Land Berlin mit den Stromversorgern geschlossen? Welche Lobbyisten-Vertreter waren auf einem Empfang des Ministerpräsidenten? Hat die Hamburger Polizei eine Datei zur Sportgewalt?
    Allesamt Fragen von Bürgern an die Vertreter der öffentlichen Verwaltung. Beantwortet werden diese Fragen allerdings häufig nicht so gerne. Nein, es gebe keine solche Datei, bügelte die Polizei damals den Fragenden ab. Dass das nicht stimmte, erfuhr er erst viel später:
    "Und da hat die Polizei gesagt, ja, Sie haben ja nach einer Datei zur Sportgewalt gefragt, wir haben aber nur eine Date zur Szenen- und Gruppengewalt im Sport. Das ist was ganz anderes."
    Sagt Arne Semsrott von der "Open Knowledge Foundation". Inzwischen habe Hamburg das fortschrittlichste Transparenzgesetz aller deutschen Bundesländer. Hier sei der Paradigmenwechsel von einer Holschuld der Bürger zu einer Bringschuld der Behörden vollzogen worden, freut sich Ralf-Uwe Beck von der Initiative "Mehr Demokratie". Die meisten Informationen werden jetzt sogar im Internet veröffentlicht:
    "In Hamburg ist es zum Beispiel geregelt, dass Verträge, die eine bestimmte Summe ausmachen zur Daseinsvorsorge zu veröffentlichen sind, also wenn es um Stromversorgung geht, Wasserversorgung, diese Dinge. Gutachten auch, die im Auftrag von Behörden und auf Kosten der Steuerzahler erstellt worden sind, Geodaten, Verbraucherinformationen, das alles ohne dass ich umständlich erst Anträge stellen muss und auf Auskunft warten muss."
    Eine Lücke die man dringend schließen muss
    Sogar die Verträge zur Elbphilharmonie sind in Hamburg seit 2012 öffentlich. In anderen Bundesländern sei es schwieriger an Informationen zu gelangen oder unmöglich, haben die Organisationen festgestellt. In Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Bayern gibt es zum Beispiel noch überhaupt kein Informationsfreiheitsgesetz auf Landesebene. In einem bayerischen Lebensmittelskandal wollten Journalisten vom Bayerischen Rundfunk Akten vom bayerischen Verbraucherschutzministerium einsehen. Aber die Akten blieben unter Verschluss, kritisiert Jutta Müller vom bayerischen Journalistenverband im bayerischen Fernsehen:
    "Gerade so ein Fall wie Bayern-Ei, wo es natürlich massenhaft Unterlagen gibt, wo es auch sehr darauf ankommt, wann wusste wer was zeitlich et cetera, da sieht man, wie wichtig so ein Anspruch auf Akteneinsicht zum Beispiel ist und deswegen ist da eine Lücke, die man dringend schließen muss."
    Später bot das Verbraucherschutzministerium eine – zumindest theoretische - Kooperation an – allerdings seien allein für das Sichten der Akten rund 24.000 Euro zu zahlen.
    "So dass das natürlich auch abschreckenden Charakter hat, dass die Menschen abwägen, ob sie sich diese Auskunft leisten können oder nicht und wir meinen, die Informationsfreiheit darf kein Preisschild haben. Wenn wir Bürgerrechte vom Geld abhängig machen dann grenzen wir gerade auch sozial schwächere aus, die wir hineinnehmen wollen in die politische Debatte", meint Ralf-Uwe Beck von "Mehr Demokratie".
    Mehr Informationseinsicht bedeutet weniger Mauschelei
    Nur der Zugang zu Informationen erlaube es, dass Menschen sich einbringen und behördliche Vorgänge kritisch begleiten. Allein die Möglichkeit, dass Bürgerinnen und Bürger Einsicht nehmen, sorge schon dafür, dass weniger gemauschelt wird. Allerdings kennt allein das seit elf Jahren gültige Informationsfreiheitsgesetz für die Bundesbehörden mehr als zwei Dutzend Ausnahmen: Datenschutzgründe, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder, innere Sicherheit. All das muss zunächst gegen das öffentliche Interesse abgewogen werden, sagt Arne Semsrott. Nur wenn das öffentliche Interesse höher ist, als der Schutz privater Interessen müssten Informationen herausgegeben werden.
    "Wir haben vor kurzem Klage eingereicht in Sachsen-Anhalt, weil es da ein Gutachten gibt, zu einem Gefängnis, die JVA Burg. Das Gutachten haben wir angefragt und das Ministerium will uns das jetzt nicht herausgeben, aus Urheberrechtsgründen. Aber wir glauben, dass das öffentliche Interesse aber da deutlich überwiegen muss."
    Allerdings liegt Sachsen–Anhalt im Ranking der Informationsrechte nur im hinteren Mittelfeld. Das Interesse der Bürger an Informationen wächst dagegen. 2014/15 gab es allein 18.000 Anfragen nach Dokumenten an Bundesbehörden.