Freitag, 19. April 2024

Archiv

Behörden und NSU
Lehren aus dem rechten Terror

Ende 2011 flog der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) auf. Damals fanden die deutschen Behörden heraus, dass die rechtsextreme Terrorgruppe bereits in den 1990er-Jahren für zahlreiche Morde und Gewaltakte verantwortlich war. Was hat sich in der Ermittlungsarbeit seitdem verändert?

Von Ludger Fittkau und Nadine Lindner | 03.02.2015
    Schild des Bundesamts für Verfassungsschutz mit dem Bundesadler an einer Eingangstür des Gebäudes, durch die eine Frau geht.
    Die Thüringer informierten nicht die Sachsen, die Niedersachsen nicht die Thüringer und keiner den Bund. (picture alliance / dpa - Oliver Berg)
    Limburg an der Lahn, Hessen. Die Altstadt unterhalb des mächtigen Doms, enge Gassen. Mittendrin - eine städtische Obdachlosenunterkunft. In einem Zimmer der Einrichtung liegt im Herbst 2014 ein Toter. Er ist 55 Jahre alt und stammt aus Ruanda. Sein Kopf weist schwere Verletzungen auf. Polizei und Staatsanwaltschaft in Limburg gehen von einem Gewaltverbrechen aus. Eine Sonderkommission wird gebildet.
    "Die Sonderkommission klärt nicht nur die Tat als solche auf, sondern sie überprüft auch in einem zweiten Schritt - und das ist ein anderer Teil der Sonderkommission -, ob in irgendeiner Form Verbindungen der Täter zu anderen, rechtsradikalen Gruppen bestehen", sagt Manuel Jung, seit fünf Jahren Staatsanwalt in Limburg an der Lahn.
    Für den 35 Jahre alten Ermittler ist der Fall des obdachlosen Mannes aus Ruanda das erste Tötungsdelikt, in dem es möglicherweise auch um rechtsextreme Motive geht.
    "Man sagt der Justiz ja immer nach, sie wäre auf dem rechten Auge blind. Da kann ich nur zu sagen, das rechte - und auch das linke Auge - ist hier bei den Staatsanwaltschaften in Hessen sogar besonders geschärft."
    Das sei nicht erst seit den NSU-Morden so, glaubt Manuel Jung. Aber seitdem besonders:
    "Als Allererstes hinterfragt man natürlich die Ermittlungsstrategien und Ermittlungsmaßnahmen, die man in der Vergangenheit eingeleitet und durchgeführt hat. Insbesondere im Hinblick auf ihre Effektivität. Aber auch auf ihre Qualität."
    Rückblick. Am 4. November 2011 explodiert ein Wohnhaus im sächsischen Zwickau. Vier Tage später stellt sich eine gewisse Beate Zschäpe der Polizei in Jena. In diesen Tagen im November 2011 begreifen die deutschen Behörden, dass es eine Terrorgruppe namens Nationalsozialistischer Untergrund, NSU, gegeben hat, die seit den späten 1990er-Jahren für eine lange Reihe von Morden und Gewaltakten verantwortlich war.
    Seither haben parlamentarische Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern versucht zu klären, was Polizei, Verfassungsschutz und auch die Politik so unendlich falsch gemacht haben können, dass sie den Zusammenhang nie erkannt haben. In München wird auch in dieser Woche der Prozess vorm Oberlandesgericht gegen Beate Zschäpe fortgesetzt. Was aber hat sich bislang in der konkreten Ermittlungsarbeit verändert, seit die Republik von der zehn Jahre lang ungestört mordenden Terrorzelle erfuhr?

    Veränderung seit dem NSU: Operatives Abwehrzentrum (OAZ) in Sachsen
    Leipzig, Sachsen. Die sichtbarste Veränderung seit dem NSU heißt in Sachsen Operatives Abwehrzentrum, kurz OAZ. 120 Mitarbeiter sitzen beim OAZ in Leipzig, sie sollen seit 2013 dafür sorgen, dass Informationen von Polizei und Verfassungsschutz zusammenfließen und von beiden Behörden verwendet werden können. Polizeipräsident Bernd Merbitz leitet das OAZ, das er als bundesweit einmalig beschreibt.
    "Das GIAS, also die gemeinsame Informations- und Analysestelle, die tagt einmal in der Woche, wo die Vertreter vom OAZ, LKA und LMV zusammensitzen, die Lage bewerten, die in der Vergangenheit liegt, eine Woche, und was in der Zukunft noch zu erwarten ist. Gleichzeitig gemeinsame Lagebilder auch abzustimmen und gemeinsame Strategien gegen den Rechtsextremismus zu entwickeln."
    Der mangelnde Informationsfluss gilt auch in Sachsen als eine der Hauptursachen dafür, dass der NSU so lange unentdeckt bleiben konnte.
    Als sich nach und nach das komplette Ausmaß des Terrors zeigte, war es für den heutigen Leiter des OAZ ein Schock. Denn der Kampf gegen den Rechtsextremismus prägt sein Berufsleben. 2009 bekam Merbitz deshalb den Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden.
    "Ja, wie soll man darauf reagieren? Es war Entsetzen, Nachdenken, ich war erst mal geplättet. Weil diese Dimension, dass man das jetzt unter einem ganz anderen Gesichtspunkt von Rechtsextremisten sehen muss, das war nicht nur Neuigkeit, das war erschreckend."
    Im ersten Jahr hat das OAZ 310 Ermittlungsverfahren bearbeitet, mit einer Aufklärungsquote von 61 Prozent. Die Zahlen für 2014 liegen noch nicht vor. Als exemplarisch für die neue sächsische Wachsamkeit beschreibt Merbitz, wie die Polizei gegen Übergriffe auf die sorbische Minderheit im vergangenen Jahr vorging. Im Frühsommer wurden zweisprachige Ortseingangsschilder übersprüht, später sogar Jugendliche angegriffen.
    "Und wir sind dann da hin, haben das alles besprochen. Dann kamen noch mehr Überfälle, da haben wir gesagt, hier stimmt etwas nicht, hier geht es gegen eine Minderheit. Hier ist auch eine politische Motivation dahinter. Wenn es gegen Minderheiten oder Andersdenkende etwas in Erscheinung tritt, sind wir als OAZ sofort am Ball."
    Auch bei Delikten rund um Asylbewerberheime wird das OAZ aktiv. Hier hält Sachsen einen traurigen Rekord. Laut Amadeu-Antonio-Stiftung fand ein Drittel der bundesweit notierten rassistisch motivierten Körperverletzungen im Freistaat statt.
    Das OAZ ist also Aushängeschild für die Lernfähigkeit sächsischer Behörden. Aber hat sich auch die alltägliche Arbeit der sächsischen Polizei verändert, ist sie sensibler geworden, was mögliche politische Hintergründe einer Straftat angeht? 1998 tauchten Beate Zschäpe und ihre beiden Kumpane, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, unter und lebten unter falschen Namen im sächsischen Zwickau. Bis zum Selbstmord von Mundlos und Böhnhardt gelang es den Behörden nicht, sie zu finden.
    Trennung von Polizei und Verfassungsschutz
    Besuch bei der Gewerkschaft der Polizei, Landesverband Sachsen. Die Beamten seien immer sensibilisiert gewesen, sagt der Polizeigewerkschafter Hagen Husgen, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Aber:
    "Ich denke mal, dass das Trennungsgebot zwischen der Polizei und dem Verfassungsschutz vielleicht zu wörtlich genommen worden ist. Und jeder hat seine Aufgabe gemacht. Und es hat die linke Seite vergessen, der rechten Seite – die anderen zu informieren. Die Verfassungsschützer sind ihrem Auftrag nachgekommen, indem sie Informationen gesammelt haben. Aber die Zusammenarbeit mit der Polizei hat nicht so hingehauen wie es hätte sein müssen."
    Ja, es gibt Weiterbildungsangebote in Sachen Rechtsextremismus. Aber, klagt Husgen, die Personaldecke sei zu dünn, als dass diese wahrgenommen werden könnten. Und auch das OAZ sei ein Stück weit Symbolpolitik.
    "Dass man, wenn man zusätzliche Aufgaben hat, und im Freistaat Sachsen hat der Extremismus zugenommen. Dass man da auch das entsprechende Personal, die entsprechenden Finanzen zur Verfügung stellen muss. Und das ist das, was mir ganz eindeutig fehlt als Gewerkschafter. Man hat das OAZ gebildet, ja, aber man hat auch nur aus dem bestehenden Bestand rekrutiert."
    In diesem Punkt muss sogar Kerstin Köditz von der Linkspartei zustimmen. Sie war Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss des sächsischen Landtags. Auch sie beklagt den Personalmangel bei der Polizei. Beim vorhandenen Personal kann sie allerdings keinen Wertewandel erkennen.
    "Mir fallen in den letzten Jahren einige Beispiele ein, wo ich da sehr vorsichtig bin, ob sich bei der Polizei wirklich was geändert hat, erinnern Sie sich an das junge Pärchen aus Hoyerswerda, das die Stadt verlassen musste, nachdem sie von diesen Neonazis mehrfach bedroht worden sind. Ich beobachte keine Sensibilisierung, so leid mir das für den einzelnen Polizisten vielleicht jetzt tut."
    Alte Kriminalfälle werden in Hessen neuaufgerollt
    In Hessen sollen nun Extra-Ermittlungseinheiten, sogenannte Cold Case Units, rückwirkende Sensibilität beweisen. Sie rollen alte Kriminalfälle noch einmal unter dem Aspekt auf, ob rechts-terroristische Hintergründe übersehen wurden. Andreas Grün, hessischer Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei:
    "Die arbeiten im Untergrund, nationalsozialistischer Untergrund, wie der Name schon sagt, hier geschieht nichts in der Öffentlichkeit, und da ist es dann besonders wichtig, alle zur Verfügung stehenden Mittel noch einmal zu nutzen, um in diese Richtung noch einmal zu versuchen, noch einmal einen Ansatz zu bekommen."
    Noch haben die Cold Case Units allerdings keine neuen, heißen Spuren zum NSU und seinem Umfeld in Hessen gebracht, so Andreas Grün. Insbesondere der Mord an Halit Yozgat in Kassel am 6. April 2006 beschäftigt in Hessen weiterhin Justiz, Polizei und auch die Politik. Halit Yozgat wurde damals in seinem Internetcafé durch zwei Pistolenschüsse getötet. Der Mord wird dem NSU zugeschrieben. Bis heute ist unklar, welche Rolle ein Mitarbeiter des Hessischen Verfassungsschutzes gespielt hat, der zur Tatzeit anwesend gewesen sein soll. Die hessische Landtagsopposition wirft dem heutigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier vor, damals als Innenminister Ermittlungen behindert zu haben. Thorsten Schäfer-Gümbel, SPD-Fraktionschef:
    "Gerade mit Blick auf die Ereignisse in Kassel muss man feststellen, dass Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln wollten, und dass das Landesamt für Verfassungsschutz mit der massiven Rückendeckung des damaligen Innenministers Volker Bouffier sich daran nicht beteiligt hat und verhindert wurde, dass dort weitere Ermittlungen stattfinden. Das hinterlässt Fragen, die wollen wir auch geklärt haben."
    Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags soll in dieser Sache nun mit Zeugenbefragungen beginnen. Janine Wissler, Linken-Fraktionschefin im Landtag, setzt mit ihrer Kritik bei der Beschäftigung von sogenannten V-Leuten, also Verbindungsleuten des Verfassungsschutzes an. Hessen solle hier dem Beispiel des Nachbarlandes Thüringen folgen. Thüringen will künftig auf den Einsatz von V-Leuten verzichten. Janine Wissler:
    "Ich finde, dass man aus der Geschichte des NSU nicht die richtigen Schlüsse gezogen hat, ganz im Gegenteil. Schlussfolgerung hätte ja sein müssen, dass man in Hessen aber auch in allen anderen Bundesländern sofort die V-Leute abschaltet. Sie liefern keine Informationen oder falsche Informationen, werden aber finanziert, und dieses Geld fließt direkt in den Aufbau von rechten Strukturen, von Nazi-Strukturen. Deswegen sagen wir: Eine erste Lehre hätte sein müssen, dass man sofort das V-Leute-Unwesen beendet, dass man aufhört, Nazis dafür zu bezahlen, dass sie Nazis sind."
    Die Abschaltung von V-Leuten - das geht dem hessischen Innenminister Peter Beuth (CDU) entschieden zu weit. Die Politik des Nachbarlandes Thüringen passt ihm überhaupt nicht:
    "Ich mache mir, was Thüringen angeht, große Sorgen. Die unselige Verbindung aus Sozialdemokraten, Linken und Grünen, die in ihrer Koalitionsvereinbarung für den Verfassungsschutz ein paar Vorgaben machen, die dazu führen können - das werden wir den Kollegen auch noch mal mitgeben - die dazu führen können, das eine Zusammenarbeit zwischen den Verfassungsschutzämtern im Verbund und Thüringen dann nicht mehr möglich sein wird."
    Unterschiedliche Erkenntnisse im NSU-Ausschuss in Sachsen
    Wie im Bund, in Thüringen und auch in Hessen wurde auch in Sachsen ein NSU-Untersuchungsausschuss gebildet. Er tagte bis 2014, doch kamen Regierung und Opposition zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die damalige Opposition aus Linken, SPD und Grünen erkannte gravierende behördliche Fehler. Für die damals wie heute regierende CDU dagegen waren die Versäumnisse überschaubar. Der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Christian Hartmann.
    "Im Wesentlichen glaube ich, war es von besonderer Bedeutung, dass auch der Freistaat sich mit dem Thema umfassend beschäftigt hat. Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass die Frage des Informationsaustausches sowohl zwischen Landesverfassungsschutz und dem Landeskriminalamt als auch zu den einzelnen Polizeidienststellen zu verbessern war. Ein Fehlverhalten allerdings war in den gesamten Untersuchungen nicht feststellbar."
    Der NSU-Untersuchungsausschuss musste im vergangenen Juli in aller Schnelle beendet werden, denn Ende August stand die Landtagswahl auf dem Programm.
    Es ist gut möglich, so heißt es aus Linkspartei und CDU übereinstimmend, dass es auch in der noch jungen Legislaturperiode wieder einen Untersuchungsausschuss geben wird, um etwa das Kapitel "sächsische Justiz" auch noch zu bearbeiten. Einen konkreten Beschluss gibt es allerdings noch nicht. Kerstin Köditz mahnt:
    "Parallel dazu empfinde ich so eine gewisse Schlussstrich-Mentalität. 'Das Thema ist doch jetzt für uns erledigt. Wir haben nachgewiesen, dass wir keine Fehler gemacht haben. Könnten wir uns bitte den aktuellen Aufgaben stellen.'"
    Neue Regeln für das Führen von V-Leuten
    Wie in Thüringen und Hessen stehen auch in Sachsen bei der Frage, wie die Behörden dem NSU womöglich sogar geholfen haben könnten, die V-Leute des Verfassungsschutzes im Zentrum der Debatte. Die verdeckte Beobachtung dieser Kreise sei jedoch notwendig, erklärt Gordian Meyer-Plath, Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz.
    "Ich halte V-Leute nach wie vor für ein unverzichtbares Mittel der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung."
    Meyer-Plath verweist allerdings darauf, dass es nun neue Regeln für das Führen von V-Leuten gibt:
    "Das ist Teil des Reformprozesses, es gibt immer verschiedene Modelle, wie man das handhabt. Weil eine Nähe zwischen Auswertung und Beschaffung Informationsflüsse beschleunigt. Mir war es wichtig, diese Trennung durchzuführen. Um dem Verdacht aus dem Weg zu gehen, dass da nicht kritisch hingeschaut wird, man ist froh, über jede Information, die kommt. Sondern diejenigen klar organisatorisch von denen getrennt sind, die die Information beschaffen."
    Hessische Gefängnisse im Umgang mit Extremisten
    In Hessen richtet sich nun auch die Aufmerksamkeit darauf, was in den Gefängnissen passiert, wenn tatverdächtige Extremisten gefasst wurden. Ähnlich wie etwa bei Salafisten soll es Rechtsextremisten künftig schwerer gemacht werden, noch hinter Gittern terroristische Anschläge zu planen, die dann nach der Haftentlassung umgesetzt werden. Eva Kühne-Hörmann (CDU) ist hessische Justizministerin. Sie setzt auf intensivere Fortbildungen der Vollzugsbeamten für den Umgang mit gewaltbereiten Extremisten im Knast:
    "Wir haben die Fortbildungen so organisiert, dass man an einzelnen Kriterien sehen kann, ob es sich um einen Straftäter aus einem extremistischen Milieu handelt. Das kann man an Tätowierungen sehen, das kann man an Formulierungen sehen und an anderen Dingen mehr. Das heißt wir haben viel in die Fortbildung gesteckt und haben da auch Erfolge."
    Kühne-Hörmann sieht noch weitere Lehren, die aus der NSU-Mordserie bereits gezogen wurden - auch über Hessen hinaus:
    "Es hat sich einiges getan, es hat zum Beispiel konkrete Maßnahmen gegeben, zum Beispiel die Ausweitungen der Kompetenzen des Generalbundesanwaltes, die es früher nicht gab. Wir diskutieren darüber, ob man künftig fremdenfeindliche Motive bei der Strafzumessung besonders berücksichtigen kann."
    In der Limburger Altstadt arbeiten Sonderkommission der Polizei sowie Staatsanwaltschaft weiterhin daran, den gewaltsamen Tod des Obdachlosen aus Ruanda aufzuklären. Doch der Limburger Staatsanwalt Manuel Jung bezieht auch Position in einer kontroversen bundespolitischen Debatte - dem Streit um die Vorratsdatenspeicherung. Jung befürwortet sie, obwohl er weiß, dass man für die Bewältigung der Datenflut mehr Personal bräuchte:
    "Man muss sich vergegenwärtigen: Wenn wir eine solche Vorratsdatenspeicherung wieder einführen würden, ist es so, dass Millionen von Informationen und Daten gespeichert werden, die natürlich auch dann abgelesen und genutzt werden müssen. Das heißt, die müssen analysiert werden und die müssen eingeschätzt werden, ob diese Daten dann auch relevant sind."
    Auch eine andere Organisation der Ermittlungsteams bei Verdacht auf extremistische Gewalttaten könnte vielfach mehr Effizienz bringen, glaubt der Staatsanwalt Jung. Hilfreich sind seiner Meinung nach auch kurze Wege zwischen Polizei und Staatsanwaltschaften, wie es sie in Limburg gibt - aber etwa in vielen Großstädten nicht:
    "Weil ich hier aus der Erfahrung wirklich bestätigen kann, dass gerade diese kurzen Dienstwege zu einer enormen Effektivität führen. Und das wäre tatsächlich eine Überlegung, die man treffen könnte: in kleinen Einheiten zu arbeiten."
    In Jungs Fall des im Herbst 2014 in der Limburger Obdachlosenunterkunft getöteten Ruanders half jedoch die zügige Bildung der Sonderkommission nur bedingt. Man konnte zwar schnell einige Verdächtige aus dem Obdachlosenmilieu der Stadt verhaften. Doch gestalteten sich die weiteren Ermittlungen bisher zäh. Zeugen, die wohnungslos sind, müssen oft erst einmal aufgespürt werden. Das kann dauern. Ob der Kriminalfall einen rechtsextremistischen Hintergrund hat, ist bis heute noch offen. Doch bei dem was er bisher weiß, gibt Manuel Jung zumindest für den Raum Limburg vorsichtig Entwarnung:
    "Wir haben momentan keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich hier in Limburg eine rechtsradikale Szene gebildet hat oder bilden wird."
    Ganz anders sieht es dagegen in Sachsen aus. Auch wenn die NPD aus dem Parlament ausgeschieden ist, bleibt die Szene verankert. Im Verfassungsschutzbericht 2013 spricht die Behörde von 2.500 Personen. Wobei die klassische Bindung an die NPD abnehme und sich die Aktivität in subkulturelle Ebenen verlagere.
    Landesverfassungsschutz-Präsident Gordian Mayer-Plath gibt also noch keine Entwarnung für den Freistaat.
    "Allein durch das Personenpotenzial ist Sachsen auf der Rechtsextremismus-Karte der Bundesrepublik Deutschland ein wichtiger Faktor."
    Die Demonstrationen der Pegida sind nach Aussage von Meyer-Plath kein Beobachtungsobjekt. Man verfolge lediglich die Aktivitäten der bekannten Rechtsextremisten dort, die nun versuchten, auf diesen Zug aufzuspringen.
    Institutionelle Veränderungen, die teils als kosmetisch kritisiert werden, eine personell angeschlagene Polizei, eine stabile rechte Szene und ein weiterer NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag: Die Aufarbeitung des NSU-Terrors ist noch längst nicht beendet.