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Bei Preiserhöhung "Widerspruch einlegen"

Die Preisänderungsklauseln vieler Energieversorger verstoßen gegen gesetzliche Mindestanforderungen. Als Kunde sollte man bei angekündigten Preiserhöhungen für Strom und Gas Widerspruch einlegen, rät Jürgen Schröder von der Verbraucherzentrale NRW.

Jürgen Schröder im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 11.07.2011
    Susanne Kuhlmann: Mit ihren Preisänderungsklauseln in Strom- und Gaslieferverträgen verstoßen viele Energieversorger gegen gesetzliche Mindestanforderungen. In zwei Urteilen aus den letzten Jahren hatte der Bundesgerichtshof festgelegt, dass die Preisanpassungsregeln aus der Grundversorgungsverordnung für Strom- und Gaskunden als Mindestanforderungen gelten sollen. Im Falle der Anbieter energiehoch3 GmbH und der GELSENWASSER AG sah die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen diese Mindestanforderungen verletzt und klagte gegen die Unternehmen. Das Landgericht Dortmund erklärte deren Anpassungsklauseln daraufhin für unwirksam. – Jürgen Schröder ist zuständig für Energierecht bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und uns jetzt zugeschaltet. Herr Schröder, wir sollten zunächst zwei Begriffe klären, die in dem Rechtsstreit eine Rolle spielen: die Grundversorgung und die Sonderkunden.

    Jürgen Schröder: Ja, richtig. Es gibt zwei Arten von Kunden. Die grundversorgten Kunden sind diejenigen, die noch nie den Anbieter gewechselt haben und ihrem Versorger treu geblieben sind und die noch nicht mal beim örtlichen Grundversorger einen anderen Tarif gewählt haben. Und Sonderkunden sind alle anderen, sprich die Kunden, die mal den Anbieter schon gewechselt haben, oder die beim örtlichen, in der Regel beim Stadtwerk, also beim Grundversorger, einen anderen als den allgemeinen Tarif gewählt haben.

    Kuhlmann: Ist es denn überhaupt rechtens, dass die Anpassungsklauseln aus dieser Grundversorgungsrichtlinie als Mindestanforderung gelten?

    Schröder: Der Bundesgerichtshof hat das ja festgestellt, dass diese Klauseln wirksam seien. Die Grundversorgungsverordnung enthält für diese grundversorgten Kunden eine Rechtsgrundlage für Preiserhöhungen. Da steht einfach drin, Preise mit öffentlicher Bekanntgabe wirksam, Punkt, nicht mehr und nicht weniger, und das ist aus unserer Sicht viel zu wenig. Deshalb hat der Bundesgerichtshof auch in vielen anderen Urteilen zu Sonderkunden festgestellt, dass die dort zugrunde liegenden Preisanpassungsklauseln allesamt unwirksam sind. Aber diese strengen Kriterien hat er aufgeweicht und hat gesagt, auch für Sonderkunden soll es genügen, wenn sich der Versorger an den Leitlinien der Grundversorgungsverordnung orientiert und einfach diesen lapidaren Satz reinschreibt. Das Ganze steht nun allerdings auf dem juristischen Prüfstand beim Europäischen Gerichtshof sogar, denn in unserer großen Klage gegen RWE im Frühjahr diesen Jahres hat der Bundesgerichtshof diese Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt. Da wird es dann darum gehen, ob die Energieversorger diese Regelung aus der Grundversorgungsverordnung überhaupt übernehmen dürfen, und falls der Europäische Gerichtshof unserer Auffassung folgt und zum verbraucherfreundlichen Ergebnis kommt, dann kippt sogar diese Regelung in der Grundversorgungsverordnung.

    Kuhlmann: Was heißt das denn für die Kunden? Was sollten die tun, wenn ihnen Preiserhöhungen angekündigt werden?

    Schröder: Wenn ein Strom- oder Gaskunde Preiserhöhungen angekündigt bekommt, dann sollte er dagegen protestieren und Widerspruch einlegen. Es reicht im Prinzip, wenn man nach der Jahresrechnung reagiert. Da sollte man zeitnah tun, binnen weniger Tage oder Wochen. Das hat der Bundesgerichtshof auch festgestellt. Dann wahrt man seine Rechte. Also wenn man eine Preiserhöhung bekommt, Widerspruch einlegen.

    Kuhlmann: Viele Leute versuchen ja, jetzt über das Internet einen günstigeren Anbieter zu finden mit Hilfe von Preisrechnern. Was muss man dabei beachten?

    Schröder: Preisrechner sind zwar einerseits ein gutes Hilfsmittel, um Preise vergleichen zu können, andererseits aber auch nicht ganz ungefährlich. Es gibt viele Preisrechner, die haben eine sogenannte Voreinstellung, da sind auch Tarife mit Kaution und mit jährlicher Vorkasse berücksichtigt. Diese Haken in den entsprechenden Rubriken sollte man schleunigst entfernen und dann den Preisvergleich vornehmen, weil wir haben ja gerade bei dem Unternehmen Teldafax gesehen, wozu es führen kann, wenn man sich auf solche Regelungen einlässt. Wenn der Versorger insolvent wird, ist das Geld für die Kunden letztlich verloren.
    Bei Preisrechnern sollte man mindestens zwei oder drei Preisrechner bemühen. Man bekommt auch nicht immer das gleiche Ergebnis heraus, auch wenn man die identische Postleitzahl und den Verbrauch eingibt. Da gibt es also unterschiedliche Listen und dort sorgfältig miteinander vergleichen und letztlich anhand verschiedener anderer Gesichtspunkte dann den Anbieter auswählen. Unterm Strich heißt das, der Preis allein ist nicht alles, billig ist nicht immer gut und günstig für den Verbraucher.

    Kuhlmann: Energieversorger missachten gesetzliche Vorgaben bei Preiserhöhungen. Wie Verbraucher darauf reagieren sollten, erläuterte Jürgen Schröder von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Danke schön nach Düsseldorf.

    Schröder: Ja, gerne geschehen.