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Bei Stuttgart 21 "930 Millionen und nicht mehr"

"Die Mehrkosten von 1,1 Milliarden hat das Land nun nicht zu vertreten", betont Wolfgang Drexler (SPD), Vizepräsident des Stuttgarter Landtages und Mitglied im Landesverkehrsausschuss. Die Landesregierung lehne die Beteiligung daran ab. "Die Volksabstimmung gilt für uns", betont er.

Wolfgang Drexler im Gespräch mit Thielko Grieß | 27.02.2013
    Thielko Grieß: Das Thema wollen wir noch ein wenig vertiefen, und dazu bin ich jetzt verbunden mit Wolfgang Drexler, SPD-Politiker, Vizepräsident des Landtages in Baden-Württemberg und Mitglied im Landesverkehrsausschuss. Herr Drexler, guten Tag!

    Wolfgang Drexler: Guten Tag.

    Grieß: Wie lange will sich das Land denn aus der Kostendiskussion heraushalten, immer abwinken und keinen Cent mehr zahlen?

    Drexler: Wir halten uns ja nicht heraus. Wir zahlen 930 Millionen Euro.

    Grieß: Das ist der alte Stand. Wir reden ja auch von Mehrkosten in Höhe von einigen Milliarden.

    Drexler: Na ja, gut. Aber die Mehrkosten von 1,1 Milliarden hat das Land nun nicht zu vertreten. Wir sind immer davon ausgegangen, dass das gut geplant ist. Und wenn heute die Bahn darauf kommt, dass Leitungen im Untergrund liegen. Und wenn man einen Tunnel baut, muss man die wegräumen, das ist nicht eingeplant, dann, muss ich schon sagen, sind das schwere Fehler, und insofern war es ja auch richtig, dass der Bahnvorstand gesagt hat, diese Kosten übernehmen wir. Da wäre ja eine öffentliche Debatte auch ziemlich peinlich. Von daher gesehen sehen wir auch nicht ein, dass wir mehr wie 930 Millionen zahlen. Wir beteiligen uns an einem Bundesprojekt, um es mal deutlich zu sagen, mit 930 Millionen, die Stadt Stuttgart noch mal mit Geld und der Flughafen auch noch mal, damit der Flughafen angebunden wird. Alles andere ist eigentlich gar nicht Aufgabe des Landes!

    Grieß: Nun hat aber die Deutsche Bahn – wir haben es gerade gehört – intern offenbar auch einige Zweifel. Und diese Zweifel wachsen, das Projekt Stuttgart 21 könnte sozusagen endgültig aus der Wirtschaftlichkeitsrechnung herausfallen.

    Drexler: Gut, wir sagen natürlich, dass der Ausstieg – und die Zahlen, die uns vorliegen, beweisen das – erheblich teurer sein wird. Das sagt ja auch der Bahnvorstand. Und dann muss der Bahnvorstand für sich entscheiden, ob er einen sehr viel teureren Ausstieg plus Neuplanung plus neue Beteiligung plus neues Geld in diesen Bahnknoten, mit welcher Form die Anbindung dann auch stattfindet, machen muss. Und das ist nach uns vorliegenden Kosten erheblich teurer für den Bund und für die Bahn, als Stuttgart 21 fertigzumachen. Aber die letzte Entscheidung und auch die Zahlen, die dann vorliegen, das muss der Bahnvorstand entscheiden und der Aufsichtsrat.

    Grieß: Hier wird also gepokert. Und wer zuerst das Mikado-Stäbchen bewegt, der hat verloren und muss zahlen?

    Drexler: Nein, überhaupt nicht! Der Bund muss vielleicht mal zur Kenntnis nehmen, dass es ja eine Volksabstimmung gab, nach 60 Jahren die erste Volksabstimmung in Baden-Württemberg mit einer hohen Beteiligung, wo die Leute gesagt haben, nicht aussteigen, aber auch gewusst haben, 930 Millionen zahlt das Land. Und diese Volksabstimmung gilt für uns! Und dann kann man nicht immer kommen und sagen, na ja, Volksabstimmung habt ihr gehabt, aber jetzt muss man neue Kostenbeteiligungsformen finden. Das ist einfach nicht gut. Entweder es entscheidet das Volk über die Beteiligung auch des Landes Baden-Württemberg oder es entscheidet nicht. Und es hat entschieden.

    Grieß: Die Bahn argumentiert ja nun auch, dass sie zwar Projektträger ist, den Nutzen aber ja doch am Ende vor allem die Stadt Stuttgart und eben das Land haben. Ist das Land da erpressbar seitens der Bahn? Sie brauchen doch die Deutsche Bahn als Projektträger.

    Drexler: Ja, natürlich brauchen wir die Deutsche Bahn, aber wenn die Schnellbahnstrecke bis Wendlingen kommt, müsste von Wendlingen bis Stuttgarter Altbahnhof, sage ich mal, auch eine Anbindung erfolgen. Die kostet den Bund natürlich auch erheblich Geld. Das vergessen die Leute in Berlin offensichtlich, das immer gegenüberzustellen. Wir sind nicht erpressbar. Wir haben von Anfang an gesagt, 930 Millionen und nicht mehr. Und wenn die Bahn dann die Sprechklausel zieht, was ja vereinbart ist, und der Herr Grube sagt, dann wird man während des Baus dann vor Gericht gehen, dann muss die Bahn halt vor Gericht gehen und diese Sprechklausel klären lassen. Aber wir sehen nach den bisher vorliegenden Zahlen überhaupt keinen Anlass, mehr zu bezahlen. Und das hat nichts mit Strategie zu tun, das hat was mit unserer Volksabstimmung zu tun und es hat etwas mit der Festlegung des Parlaments einstimmig über alle Fraktionen zu tun.

    Grieß: Es gibt ja verschiedene Möglichkeiten. Möglicherweise würde das Projekt doch noch abgebrochen, man baut einen Kombibahnhof oder belässt es doch beim alten Kopfbahnhof ...

    Drexler: ..., was alles teurer wird!

    Grieß: ..., was alles möglicherweise teuer wird, aber möglicherweise dann doch nicht teurer als die geplante Variante von Stuttgart 21.

    Drexler: Doch! Teurer! – Wenn die Zahlen der Bahn stimmen – und sie zahlen jetzt insgesamt zwei Milliarden für den Ausstieg, die Bahn alleine -, dann müssen sie einfach rechnen, dass sie dann den Untergrund dieses Bahnhofes herstellen müssen. Da sind lauter Katakomben. Und die Bahn sagt, 1,3 Milliarden, ohne dass sie dann irgendeine Verbesserung haben. Dann sind sie bei 3,3. Ich kann Ihnen die ganzen Zahlen einfach auflisten, die alle von der Bahn kommen. Dann muss man fragen, sind sie richtig. Wir gehen davon aus, dass die stimmen. Und dann haben wir auch noch die Neubaustrecke, aber da beteiligt sich das Land ja mit einer Milliarde, aber nur deswegen, damit diese Baumaßnahme etwas vorzeitig begonnen wird. Auch darüber würde das Land ja dann diskutieren, ob sie das dann überhaupt machen muss, wenn Stuttgart 21 nicht kommt. Sie sehen also: Die Beträge sind schon erheblich, die hier auf dem Prüfstand stehen. Und auch die Bundespolitik muss sich dann entscheiden, was ist für sie günstiger, weiterzubauen oder nicht weiterzubauen. Und ich sage noch mal: Die Zahlen hat der Aufsichtsrat vor sich. Und ich hoffe, dass der Aufsichtsrat sich alle Zahlen vorlegen lässt und dann Pro und Contra abwägt und dann entscheidet. Und dann nehmen wir zuerst mal die Entscheidung, die die Bahn macht, ob sie weiterbauen will oder nicht, hin. Aber es gibt keine Mehrbeteiligung des Landes Baden-Württemberg über die 930 Millionen hinaus.

    Grieß: Herr Drexler, wenn man sich die Baustelle anschaut am Bahnhof in Stuttgart, dann ist dort zu beobachten, dass sich wenig bewegt. Ich höre gerade, Sie sind, glaube ich, auch auf einem Bahnhof. Also es bewegt sich wenig auf der Baustelle von Stuttgart 21. Es ist eine halbe Ruine, weil ja einige Teile schon abgerissen wurden. Wie lange kann denn dieser Zustand noch anhalten?

    Drexler: Da müssen Sie den Bauherren Bahn fragen.

    Grieß: Und Sie halten sich dann da soweit raus?

    Drexler: Nein! Wir sind doch nicht der Bauträger. Wir sind nicht der Bauherr! Bauherr ist die Bahn. Die Bahn beantragt die Genehmigungen, die Bahn macht einen Baustellenfortschrittsplan. In diesem Plan ist jetzt drin, dass, wenn die Genehmigung für das Grundwasser kommt, man dann im Herbst im Grunde genommen in den Untergrund geht und die Tunnelbaumaßnahmen beginnt. Vielleicht beginnen sie auch schon vorher, aber die Baumaßnahmen werden jetzt vorbereitet. Im Übrigen: Das Tiefgebäude im Nordausgang ist schon ausgehoben, wird gerade im Untergrund gebaut. Also es wird gebaut. Aber der große Bereich wird angefangen, wenn alle Genehmigungen da sind.

    Grieß: Wie sehen Sie die Haltung Ihres größeren Koalitionspartners, der Grünen? Dort bei den Grünen vernimmt man zumindest lautes Zähneknirschen und man bereitet möglicherweise schon mal eine Beerdigung des Projekts vor. "Wenn nicht jetzt, wann dann", heißt es.

    Drexler: Also ich weiß nicht, woher Sie die Haltung haben. Der Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) hat am Montag noch mal erklärt, es gibt keine Ausstiegsdiskussion vom Land Baden-Württemberg, übereinstimmende Haltung beider Koalitionspartner, der Kostendeckel gilt, 930 Millionen, auch dies übereinstimmend.

    Grieß: Er hat allerdings auch ...

    Drexler: Ob es knirscht oder nicht knirscht, weiß ich jetzt nicht, woher Sie das holen. Es ist die Auffassung der Landesregierung und der sie tragenden Parteien.

    Grieß: Der Ministerpräsident hat auch gesagt, er wolle nicht sehenden Auges in ein Desaster schliddern. Er könnte zu dem Schluss kommen, dass irgendwann die Desastergrenze überschritten ist.

    Drexler: Ich weiß nicht, was Sie als Desaster bezeichnen. Wir warten gerade auf die Entscheidung des Aufsichtsrates der Deutschen Bahn und dann muss die Bahn die Zahlen, die sie dann hat, auch gegenüber dem Land erklären, nämlich im Lenkungskreis. Dies ist ja bisher auch noch nicht geschehen.

    Grieß: Das Land Baden-Württemberg will sich an möglichen Kostensteigerungen für Stuttgart 21 nicht beteiligen. Das ist die Auffassung von Wolfgang Drexler (SPD), Vizepräsident des Landtages. Herr Drexler, danke für das Gespräch heute Mittag.

    Drexler: Bitte! – Tschüss!

    Grieß: Tschüss.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.