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Beinahe-Blackout in Deutschland
Bundesnetzagentur rügt Stromhändler

Der Blackout stand kurz bevor: Zwei Stromhandelsunternehmen haben laut Bundesnetzagentur im Juni letzten Jahres auf dem Strommarkt für massive Engpässe gesorgt. Für diesen Vorfall wurden die Unternehmen nun abgemahnt.

Von Theo Geers | 21.04.2020
Strommast im Sonnenaufgang vor einem dramatischen Himmel.
Viel Mast, wenig Strom: Nur mit Hilfe aus dem Ausland konnte der Engpass im Juni 2019 beherrscht werden (picture alliance / Imagebroker)
Es erinnert an einen Krimi. Monatelang hat die Bundesnetzagentur unzählige Transaktionen am Strommarkt unter die Lupe genommen. Nun hat sie die ersten zwei Firmen öffentlich an den Pranger gestellt: Die Energie Vertrieb Deutschland aus Hamburg – EVD - und Optimax Energy aus Leipzig. Beide Unternehmen, da ist sich die Bundesnetzagentur ganz sicher, haben mit Spekulationen auf den Strompreis an drei Tagen im Juni letzten Jahres auf dem Strommarkt für massive Engpässe gesorgt.
Auf dem Weg zum Blackout
Die Lage war so ernst, dass die großen Stromnetzbetreiber damals in ganz Europa ganz kurzfristig die Leistung von sechs Gigawatt zusammenkratzen mussten, um das Stromnetz stabil zu halten. Das entspricht der Leistung von fünf bis sechs großen Atomkraftwerken, weil der Markt völlig unvorbereitet war, schoss der Strompreis durch die Decke – in der Spitze kostete der Ausgleichsstrom knapp 38 000 Euro pro Megawattstunde – das Tausendfache des Normalpreises. Deutschland stand zwar nicht unmittelbar vor einem Blackout, war aber auf dem Weg dorthin. Fiete Wulff, der Sprecher der Bundesnetzagentur:
"Nach unserer Auffassung ist da ein ganz schwerwiegender Verstoß, der das System nicht Gefahr gebracht hat, aber das Potenzial hat, das Stromsystem in Gefahr zu bringen – und deswegen sind das schwerwiegende Verstöße gegen die Pflichten von Händlern, das ist uns unheimlich wichtig. "
Die Vorwürfe sind massiv. Die EVD und Optimax Energy sind Stromhandelsunternehmen. Sie müssen in ihrem Kundenkreis dafür sorgen, dass die Stromeinspeisung zum Beispiel durch Käufe an der Strombörse und auf der anderen Seite der Stromverbrauch der Kunden immer ausgeglichen sind. Die Betonung liegt auf dem Wort "immer". Ist das nicht der Fall, bricht das Stromnetz zusammen. Um einen Blackout zu verhindern, müssen solche sogenannten Bilanzkreisverantwortliche deshalb zum Beispiel auch schon mal sehr kurzfristig, also innerhalb von ein-zwei Stunden, Strom nachkaufen, wenn absehbar ist, dass ihre Kunden zum Beispiel mehr Strom brauchen als zuvor prognostiziert wurde.
Verantwortung für Stromversorgung auf andere abgewälzt
Diesen Ausgleichsstrom haben die nun abgemahnten Unternehmen nicht einkauft. Er war ihnen zu teuer. Stattdessen verließen sie sich darauf, dass die Stromlücke bei ihnen von den großen Stromnetzbetreibern schon ausgeglichen würde. Diese Stromnetzbetreiber halten immer eine bestimmte Menge Regelenergie vor. Wird sie abgerufen, stellen sie diese Regelenergie dem Bilanzkreisverantwortlichen hinterher in Rechnung. Das war für Firmen wie Optimax und EVD im Juni letzten Jahres schlicht billiger als selbst Strom nachzukaufen, Erzeugung und Verbrauch auszugleichen. Fiete Wulff:
"Unternehmen, die am Strommarkt tätig sind, müssen erstens wissen, dass sich solche Verstöße aufklären lassen und, dass wir solche Verstöße aufdecken. Und müssen zweitens wissen, dass dies Verstöße sind, die zwar im ersten Schritt nicht sanktioniert werden, auf lange Sicht die Marktposition eines Unternehmens gefährden können."
Heißt übersetzt: Dieses Mal kommen die beiden Stromhandelsfirmen mit einer Abmahnung davon. Sollten die beiden Unternehmen aber erneut dabei erwischt werden, dass sie die Verantwortung für die Sicherheit der Stromversorgung auf andere überwälzt haben, können die Netzbetreiber ihnen den Bilanzkreisvertrag auch kündigen. Das wäre das Ende, denn ohne einen solchen Vertrag, gibt es keine Teilnahme am Stromhandel.