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Beistand der Bundesregierung
"Frankreich erwartet mehr"

Im Kampf gegen den Terror erwarte Frankreich ein größeres Engagement als das jetzt von Bundeskanzlerin Angela Merkel genannte, sagte der deutsch-französische Journalist Gérard Foussier im Deutschlandfunk. Der angekündigte militärische Beistand dürfte die Regierung in Paris frustriert haben. Dabei sei Frankreich auch nicht immer solidarisch gewesen.

Gérard Foussier im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 25.11.2015
    Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande stehen in einem prunkvollen Saal im Elysée-Palast in Paris an einem Stehpult.
    Zeichen der Solidarität: Angela Merkel besucht François Hollande in Paris. (picture-alliance / dpa / Yoan Valat)
    Frankreichs Präsident François Hollande habe jedoch mehr als angedeutet, dass er Verständnis habe, dass es den Deutschen aufgrund ihrer Geschichte schwer falle, sich militärisch zu engagieren, sagte der Chefredakteur der Zeitschrift "Dokumente", die die deutsch-französischen Beziehungen analysiert. Frankreich erwarte den Einsatz von Bundeswehr-Tornados auch in Syrien.
    "Die deutsch-französische Freundschaft lebt von Symbolen", sagte Foussier, "auch wenn es nicht immer so klappt, wie man sich das vorstellen möchte". Nach den Terroranschlägen halte Frankreich die Karte der Emotion hoch. Die Verbündeten seien solidarisch mit den Franzosen, weil die Tat der Terroristen grausam war. Und so sei in England die französische Nationalhymne "Marseillaise" gesungen worden - in Frankreich aber sei nie die britische Nationalhyme "Good Save The Queen" gesungen worden, als Terroranschläge London erschüttert hatten.
    Die momentane Phase der Emotion werde aber schon bald schwächer, sagte Foussier. "Und dann muss Frankreich mit anderen Karten kommen, vor allem bei den Amerikanern und bei den Russen, denn Frankreich hat nicht immer Solidarität gezeigt, auch wenn die Amerikaner danach gefragt haben."

    Das komplette Interview zum Nachlesen:

    Tobias Armbrüster: Bei mir im Studio ist jetzt Gérard Foussier, Chefredakteur der deutsch-französischen Zeitschrift "Dokumente", "Documents". Diese Zeitschrift widmet sich seit Jahrzehnten den ganz grundsätzlichen Fragen der deutsch-französischen Beziehungen. Schönen guten Abend, Herr Foussier.
    Gérard Foussier: Guten Abend!
    Armbrüster: Herr Foussier, wie wichtig ist in dieser Zeit der Partner Deutschland für Frankreich?
    Foussier: Die deutsch-französische Freundschaft lebt von Symbolen, schon seit vielen Jahrzehnten, seit '63 spätestens, seit der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages. Und immer wieder haben es beide Länder nötig, zu zeigen, wie eng sie zusammenarbeiten möchten, auch, wenn es nicht immer so klappt, wie man sich das doch vorstellen möchte. Diese Symbole sind auch in solchen Phasen wie jetzt - nach diesem gravierenden Anschlag der Terroristen in Paris - von großer Bedeutung. Denn schon in der Vergangenheit hatte Frankreich das Gefühl, ziemlich alleine zu sein im Kampf gegen den Terrorismus. Es gab zwar schon sehr früh, ich glaube, 2011 oder 2012 Hinweise vom damaligen deutschen Bundesaußenminister Westerwelle, dass der Terrorismus in Afrika oder der Islamismus in Afrika eine große Gefahr auch für Europa bedeuten würde, aber als dann Frankreich beschloss, damals unter Sarkozy, in Mali einzugreifen, dann hatte Deutschland seine Stimme verweigert an der UNO. Auch dieses Jahr in Mali gegen die Terroristen, in Mali gegen die Islamisten ...
    Armbrüster: Sie meinen in Libyen damals?
    Foussier: Das war in Libyen 2012 und dann dieses Jahr in Mali. Da waren die Deutschen auch nicht dabei.
    Armbrüster: Sie sprechen jetzt, Herr Foussier, von Symbolen. Soldaten in Mali und Soldaten im Norden des Irak und möglicherweise auch Tornado-Aufklärungsflüge über Syrien, das wäre ja deutlich mehr als ein Symbol?
    Foussier: Das wäre mehr. Aber was Frankreich sich erhofft, sind natürlich höhere Zahlen als die, die heute genannt worden sind.
    Armbrüster: Das heißt, das was da heute genannt wurde, das ist eher frustrierend für Paris?
    Foussier: Es wäre sicherlich frustrierend. Wenn man sich auch mal die Größe des Landes ansieht, die Bedeutung des Islamischen Staates, des sogenannten Islamischen Staates, wenn man das vor Augen hat, da kann man natürlich nicht mit ein paar Soldaten auch von oben mit Flugzeugen das Problem lösen. Frankreich hat sich bereit erklärt, weil Frankreich auch die entsprechenden Waffen hat und gesetzlich die entsprechenden Möglichkeiten hat, anzugreifen. Man darf nicht vergessen: Frankreich darf, oder der Präsident als Oberbefehlshaber der Streitkräfte kann einfach so entscheiden, jetzt schicken wir die Jungs nach Syrien oder irgendwo hin. In Deutschland ist es etwas mühsamer, denn die Deutschen haben eine Parlamentsarmee. Da muss erst mal der Bundestag entscheiden, ob alles richtig ist.
    Armbrüster: Und bei uns in Deutschland schwingt natürlich immer auch ein bisschen Geschichte mit.
    Foussier: Natürlich!
    Armbrüster: Das sind nicht nur Gesetze, die dem im Weg stehen, oder der Deutsche Bundestag, sondern ein genereller, sicher auch gesellschaftlicher Vorbehalt gegen solche Einsätze. Ist man sich darüber in Frankreich im Klaren? Verstehen das die Franzosen?
    Foussier: Nicht immer. Aber heute, wenn man genau hinhört, was da Francois Hollande gesagt hat: Er hat das mehr als angedeutet. Er hat Verständnis dafür, dass es eine andere Situation gibt in Deutschland als in Frankreich. Deswegen können die Deutschen nicht so leicht - leicht ist vielleicht nicht das richtige Wort - entscheiden wie die Franzosen, wenn es um Krieg geht. Das Wort hat Hollande als erster benutzt, das Wort Krieg gegen den Islamischen Staat. Er hat Verständnis dafür. Trotzdem hat er in einem Nebensatz betont, es wäre aber schön, wenn die Deutschen präsenter wären, als nur mit, ich sage es einfach so flapsig, Medikamenten, Decken und Ausbildungsmaßnahmen, alles was man auch schon vorher da gehört hat. Frankreich erwartet mehr. Frankreich erwartet - die Flugzeuge sind nicht genannt worden, aber sicherlich ein paar Einsätze von Tornados oder Ähnliches. Nicht nur als Unterstützung in Mali, sondern auch in Syrien selbst. Und das ist nicht so direkt ausgesprochen worden. Das war wahrscheinlich auch zu früh. Die haben das beim Essen besprochen. Aber das ist sicherlich die Intention bei den Franzosen.
    Armbrüster: Können wir uns da in den kommenden Tagen und Wochen auf mehr Druck vonseiten Frankreichs einstellen?
    Foussier: Druck ist schwer. Frankreich hat nicht nur gute Karten. Frankreich hat die Karte der Emotionen im Moment. Alle sind solidarisch mit Frankreich, weil diese Tat der Terroristen grausam war. Aber es war schön und gut, dass die Marseillaise auch in England und woanders gesungen wird als Zeichen der Solidarität. In Frankreich wurde nie "God save the Queen" gesungen, als die Anschläge in England stattgefunden haben. In Spanien genauso und in Russland genauso nach dem Unfall, nach dem Abschießen der Maschine über Russland, in der Türkei nicht, im Libanon auch nicht. Das heißt, diese Phase der Emotionen wird irgendwann auch schwächer. Und dann muss Frankreich mit anderen Karten kommen, vor allem bei den Amerikanern und bei den Russen, denn Frankreich hat nicht immer Solidarität gezeigt, wo die Amerikaner auch mal danach gefragt haben.
    Armbrüster: Herr Foussier, ich würde zum Schluss gerne noch Ihren Blick auf Angela Merkel richten. Um Sie dreht sich auch an so einem Tag wie heute wieder ganz viel in ganz vielen Debatten. Ist sie in Frankreich eine beliebte deutsche Kanzlerin?
    Foussier: Sie war erst mal im Sommer, oder sagen wir bis Juli sehr unbeliebt. Da gab es ja ganz böse Karikaturen. Und man hatte auch eigentlich den Eindruck, dass sie die Tore aufgemacht hat am Ende des Sommers für die Migranten, um vielleicht ihr Image aufzupolieren. Ich glaube nicht, dass das die wahre Intention gewesen ist von der Bundeskanzlerin. Dann war sie natürlich sehr beliebt. Dann hat man genauso wie in Deutschland Mutter Angela und das neue Gesicht Deutschlands gezeigt. Es gab sogar eine große Überschrift, ach wäre sie nur Französin und so weiter. Das hat aber nicht lange gedauert und mittlerweile fragt man sich, aber genauso wie in bestimmten politischen Kreisen in Deutschland, ob es wirklich richtig war, die Tore aufzumachen. Und man fragt sich natürlich auch, wie man das Problem lösen kann. Für einen Franzosen sicherlich schwierig, zwischen Kontingenten und Obergrenzen und sonstigen Ausdrücken zu unterscheiden. Das ist auch ein deutsches Thema, viel mehr als ein französisches.
    Armbrüster: Das ist allerdings auch in Deutschland manchmal nicht ganz leicht zu verstehen, auch nicht für Deutsche. - Gérard Foussier war das, Chefredakteur der deutsch-französischen Zeitschrift "Dokumente", "Documents". Vielen Dank, Herr Foussier, dass Sie heute Abend die Zeit hatten, hier zu uns ins Studio zu kommen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.