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Belarus - Texte und Stimmen (4/7)
Der Gefangenentransporter Awtosak

Der Gefangenentransporter Awtosak ist zu einem Symbol für Belarus geworden. In seinem Computer fand Viktor Martinowitsch eine 13 Jahre alte Kurzgeschichte darüber, die nicht erst im August 2020 zu neuer Aktualität gelang.

Von Viktor Martinowitsch. Aus dem Russischen von Hartmut Schröder | 27.12.2020
Die Polizei bringt sich in Minsk in Stellung.
Die Polizei bringt sich in Minsk in Stellung (TASS)
Martinowitsch schreibt: „Ich kann keine Serien schauen. Ich kann nicht lesen. Das Wichtigste aber - ich kann mich nicht mit dem beschäftigen, was mir stets Ruhe gab: Ich kann keine Prosa schreiben. Neulich, nachdem ich erfahren habe, dass zwei meiner Studentinnen, sehr kluge Köpfe, festgenommen und nach Paragraf 23.34 zu 14 Tagen verurteilt wurden und mein engster Freund heimlich - selbst seinen Angehörigen gegenüber - ins Ausland geflohen ist (ihm drohte Haft), da dachte ich: Was wird, wenn sie kommen, um mich zu holen? Was werden sie sehen, wenn sie die alten Dateien auf meinem Computer umpflügen? Das brachte mich zu den Ordnern, die ich angelegt hatte, als ich ganz am Anfang meines Weges in die Literatur stand.So fand ich diesen Text, den ich schon vergessen hatte. Einen Text, den ich für mich selbst geschrieben hatte, 2007, nach den ersten Massenprotesten, als friedlichen Bürgern erstmals der Awtosak vorgestellt wurde, ein Laster zum Gefangenentransport.“(ZEIT Online 18.10.2020)
Viktor Martinowitschs Text "Ein schrecklicher Scherz, dieser Awtosak" können Sie auf "ZEIT Online" nachlesen.
Viktor Martinowitsch, 1977 in Belarus geboren, ist Schriftsteller, Serienfan, "Freitext"-Blogger bei ZEIT Online, wo der hier gesendete Essay zuerst erschienen ist. Nach dem Studium der Journalistik in Minsk lehrt er heute Politikwissenschaften an der Europäischen Humanistischen Universität in Vilnius. Martinowitschs Romane gelten als politisch brisant, sie decken couragiert die Mechanismen des Regimes auf. Der Roman "Paranoia", in Belarus verboten, erschien 2014 in deutscher Übersetzung. Anfang 2021 kommt Viktor Martinowitschs neuer Roman "Revolution" in Deutschland heraus.

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Eine Reihe in sieben Teilen