Dienstag, 23. April 2024

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Beller Hof in Köln
Die Kunst des Spargelstechens

Die Spargelsaison hat begonnen. Statistisch gesehen isst jeder Deutsche anderthalb Kilogramm davon im Jahr. Spargel ist inzwischen das Gemüse mit der größten Anbaufläche in Deutschland. Auch auf dem Beller Hof, am Rande von Köln, ist man bereits bei der Spargelernte. Die Herausforderung dabei: Der Spargel sollte mit nur einem Stich gestochen werden.

Von Susanne Kuhlmann | 22.04.2016
    Körbe mit frischem weißem und grünem Spargel
    Spargel gedeiht in Deutschland fast überall. (dpa / picture alliance / Bernd Settnik)
    Verschiedene Hofgebäude gruppieren sich um einen Innenbereich, auf den umliegenden Grasflächen leuchten blaue und pinkfarbene Hyazinthen um die Wette mit anderen Frühlingsblühern, hohe Laubbäume treiben erstes Grün. Familie von Groote bewirtschaftet den Beller Hof im Süden Kölns in der dritten Generation. Auch Erdbeeren und Kirschen wachsen dort und Getreide und Zuckerrüben.
    Die ersten Spargeldämme liegen in Sichtweite, bedeckt von einer hellen Folie, die sich auf Tunnelbögen knapp über eine schwarze Folie spannt, den Feuchtigkeits- und Wärmeschutz der Dämme. Hofbesitzer Hubertus von Groote erklärt:
    "Das bedeutet, dass der Spargel eine gleichmäßigere Wärme hat und gleich andauernd auch hat."
    Stopp and go auf dem Spargelfeld
    Hubertus von Groote leitet den Beller Hof und stapft regelmäßig durchs Feld: mit groben Schuhen, warmer Jacke und Mütze gegen den Aprilwind. Mitten im Feld steht der Bulgare Valeri, einer der Saisonmitarbeiter, in Jeans und T-Shirt. Valeri zieht an einem Draht, der den akkubetriebenen Erntewagen vor ihm in Bewegung setzt und sofort wieder stoppt. Von Groote beschreibt das Verfahren, stopp and go auf dem Spargelfeld:
    "Jetzt hören wir wieder das Schleifen der Folie, und jetzt hält der wieder an, da, wo der nächste Spargel raus wächst. Die Maschine hebt nicht nur die Folie an, sondern die transportiert auch die Kiste, die er dadurch nicht tragen muss. So kann er sich mit dem Stechmesser ganz alleine aufs Ausgraben und Stechen beschränken."
    Hier und da reckt sich eine helle Spargelspitze aus der Erde. Valeri legt die obersten 10, 15 Zentimeter frei, fasst die Stange unterhalb des Kopfes und sticht sie in der Erde ab. Die Kunst sei, das mit einem Stich zu schaffen, betont der Spargelanbauer:
    "Wenn man unten blind weitermurkst mit dem Nachstechen, kann es sein, dass ich eine Nachbarstange, die ich nicht sehe, dabei verletze und zerstöre."
    Fester Stamm von Erntehelfern aus Südosteuropa
    Eine Wurzelkrone bildet mehrere Knospen, die allmählich zu Stangen heranwachsen. Jedes Ernteloch muss mit einer Kelle wieder glatt verschlossen werden. Auf dem Beller Hof wird Spargel weder künstlich beheizt noch bewässert. Seit die maschinellen Erntehilfen angeschafft wurden, braucht Hubertus von Groote viel weniger Saisonkräfte als früher, erklärt er:
    "Wir arbeiten mit ungefähr zwanzig Spargelstechern, die diese Fläche bewältigen, weil wir nicht alles gleichzeitig ernten, sondern einmal durchkommen müssen am Tag."
    Lange Zeit kamen die Spargelstecher nur aus Polen. Hubertus von Groote lernte deshalb Polnisch; das notwendige Spargelvokabular, wie er sagt. Seit einigen Jahren übt er sich auch in der bulgarischen und rumänischen Sprache. Denn nun kommt auch ein fester Stamm von Erntehelfern aus Südosteuropa. Sie reisen jeweils für ein Vierteljahr an und wohnen, sagt von Groote, auf dem Hof:
    "Wir haben die Hofgebäude so ausgebaut seit den achtziger Jahren, als das angefangen hat und immer wieder renoviert, dass die keine weiten Anfahrten haben, sondern morgens mit uns aufstehen und rausgehen können und auch nach der Arbeit die Freizeit zur Verfügung haben zum Erholen. Und dann klappt das."
    Acht Euro Mindestlohn fürs Spargelstechen
    Bezahlt werden die Erntehelfer nach dem landwirtschaftlichen Mindestlohn, erklärt der Chef vom Beller Hof. Der Mindestlohn in der Landwirtschaft sei stufenweise eingeführt worden. In diesem Jahr liege er bei acht Euro pro Stunde:
    "Diesen Basiswert erreicht bei uns jeder, der ist garantiert. Aber durch die individuelle Ernteerfassung können wir sagen: Wer mehr erntet als ein anderer, also auch mehr arbeitet, dem können wir durch einen Bonus zu einem faireren, arbeitsgerechteren Lohn verhelfen."
    Schmutzige Spargelstangen von knapp 30 Zentimetern Länge liegen in den Kisten, die an der Sortieranlage ankommen. Als erstes werden sie gewaschen, erklärt die Erntehelferin Bascha:
    "Ich arbeite auf dem Beller Hof und sortiere jetzt Spargel. Erst muss ich den Spargel legen, dann mit dem Messer schneiden, dann Wasser, Kiste."
    Spargelkopf zeigt an, wenn es warm genug ist
    Bascha kommt seit 15 Jahren immer zur Spargelsaison aus Polen. Flink ordnet sie die Stangen mit den Köpfen nach oben auf dem Förderband, das zum Messer führt. Dahinter werden sie automatisch nach Größe sortiert und plumpsen in verschiedene Wasserbecken. Von Groote zählt auf:
    "Wir haben eine frühe gut schmeckende Sorte und eine späte, sodass man von allem etwas hat über die Saison. Die ganze Saison kann eine Sorte nicht aushalten."
    9,90 Euro kostet das Kilogramm vom weißen Spargel Klasse 1 nebenan im Hofladen. Verkauft wird er nur dort und in einem weiteren Kölner Hofladen. "Selbst mit höchsten Preisen würden wir die Kosten nicht decken, die wir am Anfang der Saison durch viel Laufen und wenig Ernten haben", erklärt von Groote, "insofern muss dieser Kostenpunkt sich über die Saison abbezahlen. Der reduziert sich je nach Mengenaufkommen bei schönem Wetter im Verlauf der Saison, wie jedes Jahr."
    Grünspargel wächst nicht in Dämmen, sondern sprießt direkt aus der Erde, allerdings erst, wenn sein Kopf signalisiert, dass es warm genug ist. Das dauert noch ein bisschen. Dasselbe gilt für den roten Spargel, sagt Hubertus von Groote:
    "Der rote Spargel schmeckt noch ein bisschen nussiger als der grüne Spargel, und der wird auch nicht geschält. Wir wollen die eigentlich nur blanchieren, damit die Farbe erhalten bleibt."
    Schälstationen für den Spargel
    Wer möchte, lässt eine Maschine schälen. Mit dem Kopf voraus werden die Stangen einzeln hineingeschoben, beschreibt von Groote:
    "Eine Fotozelle über den Messern gibt den Schälstationen das Kommando: Jetzt kommt der Spargel, jetzt müsst ihr zusammenklappen mit Luftdruck. Und dann stehen diese Schälstationen alle in einem anderen Winkel, sodass der Spargel, wenn er an der letzten rauskommt von allen Seiten rundgeschält wurde."
    In ein feuchtes Geschirrtuch gewickelt – Achtung, es darf nicht nach Weichspüler riechen – bleiben die Stangen im Kühlschrank zwei Tage frisch.