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"Bello-Dialog" im Berliner Rathaus

Hundeführerschein, Rasseliste, Leinenpflicht: Das Zusammenleben von Hund und Mensch bewegt die Gemüter in Berlin. Der Senat will das Hundegesetz reformieren und sucht den Kompromiss. Gemeinsam mit den Bürgern wurde dazu der "Bello-Dialog" gestartet.

Von Anja Nehls | 18.10.2012
    Schäferhundmischling Lissy bellt selten und sieht eigentlich ganz friedlich aus, findet ihr Herrchen. Sie hebt ihr Bein direkt am Schild "Leinenzwang für Hunde". Das Schild steht unmittelbar am See im Berliner Grunewald und Lissy ist natürlich ohne Leine unterwegs. Ihr Herrchen findet das in Ordnung:

    "Hier ist es verboten bis vorne und drüben die ganze Seite, hält sich keiner dran, die Hunde tun doch nichts"

    , sagen die Hundebesitzer. Die Jogger sehen das häufig ganz anders:

    "Die springen einem dann in der Tat öfter mal in die Beine und dann kriegt man als Antwort, der will doch nur spielen."

    Eben. Und genau solche Sprüche gehen gar nicht, findet Martin Goldbach, Vater einer 6-jährigen Tochter:

    "Es wir immer nur vom Hund ausgegangen, ob das Kind spielen möchte, das wird eben nicht gefragt. Der Hund rennt auf das Kind los, springt an ihm hoch und alle gehen davon aus, jeder findet seinen Hund so süß wie er selbst. Das ist aber nicht der Fall, jedenfalls nicht bei meiner Tochter. Meine Tochter hat inzwischen richtig Angst, sodass sie sich verkriecht hinter mir, wenn ein Hund kommt, das ist einfach extrem unangenehm."

    Mit solchen Positionen ist Martin Goldbach beim Bello Dialog im Roten Rathaus in Berlin allerdings recht einsam. 30 Berliner Bürger sind eingeladen worden, um darüber zu diskutieren, ob Berlin ein neues Hundegesetz braucht und wie es aussehen sollte. Die Bürger sind handverlesen, aus vielen Bewerbern ausgewählt oder als Vertreter bestimmter Gruppen eingeladen worden. Eine Tierärztin ist dabei, die Besitzerin einer Hundeschule, ein Vertreter des Blinden- und Sehbehindertenverbandes. Hunde müssen leider draußen bleiben:

    "Hunde verboten, haben Sie das Schild nicht gesehen. Mit und ohne Leine verboten."

    Die Dame hat einen Schlittenhundmix. Der ist jetzt allein in der Wohnung zuhause, hier hätte er mucksmäuschenstill unter dem Tisch gelegene, da ist sie sich sicher.

    Mindestens 25 der Anwesenden sind Hundebesitzer, leicht zu erkennen, an zünftigen Klamotten, Wachsjacken oder Wanderstiefeln. Natürlich allesamt die Vernünftigen und Verantwortungsbewussten unter den Hundehaltern. Lobbyarbeit für den Hund:

    "Ich bin jetzt hier, um deutlich zu machen, wie wichtig Hunde für viel Wohnungslose sind."

    "Mein Name ist Kusserow, ich bin im wahren Leben Obermeister der Bestatterinnung in Berlin Brandenburg und ein wunderbarer Ausgleich zu meiner Tätigkeit ist der Umgang mit Hunden.

    "Zum Beispiel bin ich der Meinung, dass Hunde die hören in Grünflächen frei laufen dürfen."

    "Probleme sind meist am Ende der Leine zu suchen, da müssen wir ran."

    Das Problem ist nur, dass die Besitzer von Problemhunden, oder eben die problematischen Hundebesitzer an diesem Nachmittag nicht da sind. Vernünftige, gebildete Menschen diskutieren kultiviert mit anderen vernünftigen, gebildeten Menschen. Niemand wird laut oder gar ausfallend. Ist vielleicht auch gar nicht nötig, denn diskutiert wird erstmal nur, um alle mal zu Wort kommen zu lassen. Für Sabine Töpfer-Kataw, Staatssekretärin für Verbraucherschutz in Berlin der erste Schritt einer Bürgerbeteiligung bei einem Gesetzgebungsverfahren. Ein Novum in Berlin:

    "Das ist ja auch die Form des Dialogs, der ergebnisoffen geführt wird, dass ich nicht sagen kann, was es denn sein wird, also was im Raum steht ist bekannt, ein Führerschein, kein Führerschein, Leinenpflicht, keine Leinenpflicht, bestimmte Hunderassen auf eine Liste setzen, keine Liste. Es gibt viele Punkte, auf die man sich einigen könnte, aber es geht vor allem um die Diskussion darum, dass man mal guckt, welche Positionen gibt es."

    Dann schaun wir mal, dann sehen wir schon. Die Einführung eines Hundeführerscheins können sich viele der Anwesenden vorstellen. Die sogenannte Rasseliste, auf der als besonders gefährlich geltende Hunderassen verzeichnet sind, die in der Öffentlichkeit immer Maulkorb tragen müssen, wird überwiegend kritisch gesehen. Und dann gibt es noch die, die gleich einen Schritt weiter denken. Axel Last ist Chef über mehr als 50 Diensthunde bei der Polizei und kennt das Problem bei der Umsetzung von Gesetzen:

    "Ich meine, dass die Regelungen, die wir jetzt haben ausreichend sind. Die Verschärfung ist eine Frage der Kontrolle. Das jetzige Gesetz ist kaum kontrollierbar von den Ordnungsämtern, wie will man eine Verschärfung kontrollieren."

    Die Häufchen zum Beispiel müssen eigentlich bereits jetzt von den Hundebesitzern eingesammelt werden. Dieser Herr ist aber dennoch gekommen, einfach um es noch mal gesagt zu haben:

    "Mein Name ist Manfred Griesens ich habe die Initiative Clean Berlin gegründet, dazu gehören auch saubere Straßen. Hunde ja, Hundekot und Steuerbetrug nein. Und dafür setze ich mich ein, vielleicht kann ich etwas bewegen."

    Daran zumindest zweifelt Martin Goldbach nach der ersten von drei geplanten Sondierungsrunden dann doch ein bisschen. Nach drei Stunden gepflegtem "Bello Dialog" im Rathaus will er in die nächste Sitzung ein bisschen offensiver gehen.

    "Es reicht eben nicht, alle mal anzuhören. Ich denke, die Konflikte werden in den nächsten Sitzungen kommen, aber sie werden kommen und ich werde dafür sorgen, dass wir nicht alles in so einer Konsenssoße untergehen lassen und sagen, ist ja alles gut und wir müssen einfach ein bisschen vernünftiger sein. Nein es muss ganz klare Regeln geben und es muss ganz klare Abmachungen geben, wie diese Regeln durchgesetzt werden."

    Das Herrchen von Schäferhundmischling Lissy im Berliner Grunewald ficht das alles nicht an. Fröhlich bellend springt Lissy ohne Leine zwischen Joggern und Kinderwagen umher. Nach Meinung ihres Herrchens könnte man die Sache ganz einfach regeln.

    "Die Leute verhalten sich falsch. Die sollen ruhig weitergehen, dann machen die Hunde nix."