Freitag, 19. April 2024

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Benjamin Beil über Virtual Reality
"Ich muss bereit sein, mich hinzugeben"

Wenn von Virtual Reality die Rede ist, dann geht es um Immersion - das Eintauchen in virtuelle Welten. Diese Zustände sinnlicher Überwältigung brächten gewisse Gefahren mit sich, sagte Medienwissenschaftler Benjamin Beil im Dlf. Sie könnten aber auch pädagogisch sinnvoll genutzt werden.

Benjamin Beil im Gespräch mit Raphael Smarzoch | 16.09.2018
    Virtual-Reality-Brillenträgerin vor VR-Landschaft
    Virtual-Reality-Brillenträgerin vor VR-Landschaft (AFP / Jewel Samad)
    Der Begriff Immersion bezeichnet ganz viele unterschiedliche Dinge: "In der Physik spricht man vom Umhüllen eines Gegenstandes mit Flüssigkeit. Es gibt auch die Immersionstaufe, wo der Säugling komplett untergetaucht wird", sagte Beil. Charakteristisch für die Immersion ist der Vorgang des Eintauchens, "meistens in virtuelle Welten". Daher hat sich der Begriff im Zusammenhang mit den digitalen Medien durchgesetzt.
    Benjamin Beil, Juniorprofessor für Medienwissenschaft an der Uni Köln.
    Benjamin Beil, Juniorprofessor für Medienwissenschaft an der Uni Köln. (Deutschlandradio / Adalbert Siniawski)
    Zustände sinnlicher Überwältigung
    Für Benjamin Beil ist die Immersion allerdings kein neues Phänomen und auch nicht etwas genuin Digitales. Bücher und Höhlenmalereien können auch Immersionserfahrungen auslösen. Allerdings "kann die VR-Brille mehr als das Buch". Sie ist dazu in der Lage, Zustände sinnlicher Überwältigung zu erschaffen und den Rezipienten buchstäblich in eine Welt ohne Außen treten zu lassen.
    Zwischen Pädagogik und Propaganda
    "Natürlich läuft man Gefahr in dieser Figur der Überwältigung, den Rezipienten auch mitzureißen", sagte Benjamin Beil. Immersiver Kunst wird nachgesagt, autoritär zu sein und den Rezipienten zu manipulieren. Der russische Filmemacher Sergej Eisenstein attestierte beispielsweise dem Kino, die Zuschauer gefangen nehmen zu können.
    Dennoch lassen sich immersive Medien auch als pädagogisches Werkzeug nutzen, da sie "das buchstäbliche Einnehmen einer anderen Perspektive" ermöglichen, sagte Beil. Dank der Virtual Reality kann man nachempfinden wie es sich anfühlt, die Nacht in einer Gefängniszelle zu verbringen oder in die Rolle eines Bettlers schlüpfen und die abfälligen Blicke der Passanten spüren. Darüber hinaus kommt Virtual Reality mittlerweile auch in der Medizin zum Einsatz, etwa in der Traumatherapie.
    Die Filterbubble als Form immersiver Politik
    Die Frage, ob die tägliche immersive Nutzung des Internets die Grenze zwischen realer und virtueller Welt aufgelöst habe, verneint Beil. Es sei zwar unmöglich, sich dem Internet zu entziehen, daraus allerdings herzuleiten, man bewege sich in einer künstlichen Realität sei nicht sinnvoll. Dennoch ist die Immersion in Form sogenannter Filterblasen auch zu einem Teil des politischen Diskurses geworden.