Freitag, 19. April 2024

Archiv

Beratungsunternehmen Sanvartis
Unabhängigkeit der Patientenberatung gefährdet

Das Gesundheitsberatungsunternehmen Sanvartis ist von der Bundesregierung mit der unabhängigen Patientenberatung beauftragt worden. Es verspricht eine bessere und flächendeckendere Beratung. Doch viele Ärzte und auch die Verbraucherzentralen zweifeln an der Unabhängigkeit.

Von Stefan Maas | 21.09.2015
    Die Frage: Wie unabhängig wird die unabhängige Patientenberatung in Zukunft noch sein, wenn sie von einem Unternehmen angeboten wird, das auch Dienstleistungen für Krankenkassen, Kliniken und Pharmakonzerne anbietet? war in den vergangenen Wochen viel und ausführlich gestellt und diskutiert worden, und so war zunächst Schadensbekämpfung angesagt, als der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Joseph Laumann, und Gernot Kiefer, Vorstand des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen, das zukünftige Konzept vorstellten.
    "Selbstverständlich muss eine solche Beratung zu medizinischen und sozialrechtlichen Themen neutral und unabhängig erfolgen. Nur so ist es für Patientinnen und Patienten möglich, ihre Rechte gegenüber Ärzten, Krankenhäusern, aber auch gegenüber den Kassen optimal und auf Basis neutraler, sachkundiger Information dann auch zur Geltung zu bringen," versicherte Kiefer, dessen Verband den neuen Betreiber gemeinsam mit dem Patientenbeauftragten ausgewählt hat. Deshalb gründe Sanvartis eine eigene gemeinnützige Gesellschaft. Die Berater, Mediziner und Juristen seien bis auf wenige Ausnahmen bei der Patientenberatung angestellt, es gelte die ärztliche Schweigepflicht, und auch auf Datenschutz werde bei der UPD selbstverständlich größter Wert gelegt.
    Zahl der Beratungsgespräch soll verdreifacht werden
    Die Unabhängigkeit zweifeln nicht nur viele Ärzte und der Verbraucherzentrale Bundesverband und dessen Chef Klaus Müller an, zwei Mitglieder des Beirates der Patientenberatung erklärten heute ihren Rücktritt. Die Frage der Unabhängigkeit dürfe man nicht emotional beantworten, sagt der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Laumann, deshalb habe er ein Gutachten in Auftrag gegeben, das das Vergabeverfahren - die europaweite Ausschreibung - prüfen sollte.
    "Dieses Gutachten war ganz eindeutig. Das Konstrukt, das Sanvartis vorschlägt, garantiert uns weiterhin eine Patientenberatung, die völlig unabhängig ist von dem bisherigen Konzern Sanvartis."
    Sollte das nicht der Fall sein, sagte der CDU-Politiker, gebe es Sanktionsmöglichkeiten:
    "Sollte gegen diese Unabhängigkeit an irgendeiner Ecke verstoßen werden, ist es ein Grund, den Vertrag sofort und ohne Fristen und ohne alles, zu kündigen."
    Laufzeit des neuen Vertrags: sieben statt bisher 5 Jahre. Auch der Etat, den zum größten Teil der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen trägt, wird aufgestockt: von rund fünf auf mehr als 9 Millionen Euro pro Jahr.
    Dafür sollen die rund 120 UPD-Berater Patienten zukünftig besser und länger beraten als bisher: wochentags bis 22 Uhr und samstags von 8 bis 18 Uhr. Beraten wird weiterhin kostenlos in drei Sprachen per Telefon –, über das Internet und persönlich in regionalen Beratungsstellen, deren Zahl von 21 auf 30 steigen soll. Mit mobilen Beratungsstellen sollen ländliche Regionen abgedeckt werden. Ziel der neuen Betreibergesellschaft ist es die Beratungsstelle, in der Patienten sich zu Arztkosten, Kassenleistungen, Behandlungsmethoden und Patientenrechten beraten lassen können, bekannter zu machen. Die Zahl der jährlichen Beratungsgespräche soll von heute gut 80.000 auf rund 220.000 pro Jahr nahezu verdreifacht werden.