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Bergdorf unter Verdacht
IS-Terrorcamp in Bosnien?

Osve, ein kleines Dorf im hügeligen Hinterland Bosniens, rund 100 Kilometer von Sarajevo entfernt, wurde nie besonders beachtet. Dann aber berichteten Medien, hier würden IS-Kämpfer ausgebildet. Eine Studie belegt, dass der IS tatsächlich erfolgreich Bosnier rekrutiert. Aber wirklich aus Osve? Das Porträt eines eigenartigen Dorfes.

Von Karla Engelhard | 24.08.2015
    Das bosnische Bergdorf Osve
    Das bosnische Bergdorf Osve (deutschlandradio.de / Carla Engelhard)
    Das bosnische Dorf Osve liegt abgelegen in den Bergen, umgeben von Wäldern. Unterwegs fragen wir bosnische Bauern nach dem Weg und nach den Bewohnern:
    "Die Leute leben ihr Leben da oben. Sie tun niemandem etwas. Sie bestellen ihre Felder. Ohne sie gäbe es diese Straße nicht."
    "Das sind unsere Leute Bosnier. Sie sind in der Krise in die Berge gegangen und weil sie kein Geld haben, rasieren sie sich nicht und tragen Bärte."
    Nach drei Kilometern bergauf kommen wir in die Siedlung Osve. 20 bis 30 meist unverputzte Häuser, dazwischen Gärten und Frauen in schwarzen Ganzkörperschleiern mit Kindern. Ein Junge mit beginnendem Bartwuchs, in Pluderhose und T-Shirt mit der Aufschrift "Islam ist meine Wahl und Deine?". Er bringt uns zum Haus von Izet Hadzic, dem islamischen Führer des Dorfes. Ein Mann um die 50: blaue Augen, silberne Brille, grauer Bart, weiße Takke, die Kopfbedeckung muslimischer Männer.
    "Meine islamische Einstellung verbietet mir eigentlich, dass ich mit fremden Frauen spreche. Aber das ist ein Ausnahmefall und der ist auch im Koran erlaubt. Denn es wurden so viele Lügen über unser Dorf verbreitet, dass ich unser Dorf und den Islam verteidigen will."
    Im Dorf weht eine Fahne mit arabischer Schrift auf einem Hausdach, die Frauen tragen schwarze Schleier, die nur die Augen frei lassen und die Männer lange Bärte. Ist das Dorf eine IS-Terror-Hochburg?
    "Ich ähnele physisch IS-Mördern aus Syrien. Das ist nicht meine Schuld. Ich muss mich vor westlichen Journalisten rechtfertigen und mir wird aus Syrien gedroht, weil ich den Radikalen nicht radikal genug bin. Aus dem Islam soll eine Religion des Terrors gemacht werden. Es gibt kein IS-Camp bei uns, keinen Islamischen Staat in Syrien, das sind einfache Mörder und Psychopathen."
    Izet Hadzic ist gelernter Schlosser aus der nahegelegenen Stadt Maglaj. Er spielte Trompete und Gitarre in einer Rockband. In einer Lebenskrise nahm er den Koran zu Hand und fand seine innere Ruhe, erzählt er.
    Nach den Bosnienkrieg, mitte der 1990er Jahre, standen im Dorf Osve viele Häuser leer, meist von Serben, die nicht mehr zurück wollten. Hadzic kaufte Häuser und Land zu einem Spottpreis, wie er sagt, und verkaufte sie an Muslime weiter. Rund 70 muslimische Männer, Frauen und Kinder leben derzeit im Dorf. Sie vereint eine sehr puristische Auffassung vom Islam. Ihre salafistische Gemeinschaft wird von Geheimdienst und Polizei überwacht.
    Puristische Auffassung des Islam
    "Ich lebe seit fünf Jahren hier. Es gab nie Probleme. Die Polizei und der Geheimdienst können das bestätigen. Alle zwei Wochen patrouillieren Polizisten im Dorf und kommen vorbei, um mit mir Kaffee zu trinken."
    Seine Frau Mirka bringt uns bosnischen Kaffee und setzt sich zu uns. Im Gespräch schlägt sie den Schleier zur Seite, nur fotografiert werden will sie nicht. Während des Krieges lebte sie drei Jahre als Flüchtling in Deutschland.
    "Wir sind wie wir sind, wir tragen Schleier, na und? Warum werden wir hier dadurch Bürger zweiter Klasse? In Deutschland ist man liberaler, man kann sich anziehen was man will."
    Mirka und Izet haben zwei erwachsene Töchter, die bei ihnen leben. Alma ist 20 Jahre, blauäugig wie ihr Vater. Sie trägt Turnschuhe und Schleier.
    "Viele wissen nicht, dass sie zu Hause so rumlaufen können, wie andere auch. Und außer Analsex ist in der Ehe alles erlaubt. Ich mag es, wenn meine Frau sich nur für mich schön macht."
    "Der Islam gibt der Frau die Möglichkeit, eine Madame zu sein. Sie bleibt zu Hause, der Mann geht arbeiten und bringt ihr alles was sie braucht."
    Mirka lächelt. Sie hat Izet beim Tanzen kennengelernt. Beide bringen uns zum Abschied ans Tor, Mirka trägt wieder Schleier.
    "Tschüss."