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Endlich mal erklärt
Sind Architekturwettbewerbe überhaupt sinnvoll?

Architekturwettbewerbe garantieren künstlerische Qualität. Zumindest sehen das die meisten Architekten so, die in den Jurys sitzen. Tatsächlich aber dominieren oft interne Streitereien die Arbeit der Mitglieder, oder lokale Interessen setzen sich durch. Könnte man Architekturwettbewerbe nicht demokratisieren?

Von Nikolaus Bernau | 04.04.2020
Der Siegerentwurf für ein Museum der Moderne in Berlin der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron, der am 17.11.2016 bei der Eröffnung einer Ausstellung im Kulturforum in Berlin präsentiert wurde
Der Siegerentwurf der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron für ein Museum der Moderne in Berlin (Ralf Hirschberger/dpa)
Das Online-Architekturmagazin "Baunetz" hatte zum 1. April einen großartigen Witz auf seiner Seite: Das Berliner Museum der Moderne wird nicht gebaut. Weil der Entwurf der Architekten Herzog & de Meuron in der Öffentlichkeit vollkommen durchgefallen ist, außerdem angesichts der Coronakrise gespart werden muss, hätten Kulturstaatsministerin Monika Grütters, der Bund und der Berliner Senat die Reissleine gezogen. Nun werde anstelle des Museums ein Ententeich angelegt. Aber wieso eigentlich kann über ein Projekt so gelästert werden, das doch in einem internationalen Wettbewerb erfolgreich war?
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Garant für künstlerische Qualität?
Architekturwettbewerbe gelten jedenfalls Architekten als das Mittel schlechthin, um künstlerische Qualität zu garantieren. Seit der Wettbewerbsordnung von 1867, die im Wesentlichen bis heute gilt, sind deswegen Architekten oder Künstler immer mit mindestens einer Stimme Mehrheit in der Jury vertreten. Damit soll zumindest am Anfang eines Bauprojektes gewährleistet werden, dass nicht Geld oder die Funktion des Bewerbers im Vordergrund stehen. Tatsächlich zeigt aber die bis heute ungeschriebene Geschichte des Architekturwettbewerbs, dass oft interne Streitereien Jurys dominiert haben, lokalpatriotische und lokalpolitische Interessen sich durchsetzten, und sei es nur, indem wie beim Wettbewerb für das Berliner Museum der Moderne die Sehnsucht nach einem Starentwurf alle Kritik überlagert. Architekturwettbewerbe sind in Verruf geraten.
Öffentliche Diskussion
Ein Mittel, dieses Problem wenigstens öffentlich zu machen, wäre die Ausstellung aller Wettbewerbsarbeiten schon vor der Jurysitzung, unter Wahrung der Anonymität der Entwerfer. So forderte es die Ordnung von 1867, und so ist es heute in Skandinavien oder in der Schweiz und bei vielen Garten- und Landschaftsplanerwettbewerben üblich. Damit kommt zumindest eine öffentliche Diskussion in Gange. Die Furcht der Architekten, dass so das Urteil der Jury durch ein ungebildetes Publikum verformt würde, hat sich bei solchen Verfahren aller Erfahrung nach als substanzlos herausgestellt.