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Schwedisches Prostitutionsgesetz
"Ein Mensch kann nicht zum Verkauf stehen"

Vor 20 Jahren hat Schweden den Kauf von Sex verboten – als erstes Land der Welt. Freier werden seitdem bestraft, die Prostituierten nicht. Eine Maßnahme, die Menschenhandel und Gewalt eindämmen sollte. Das sogenannte Sexkaufgesetz ist auch heute noch umstritten.

Von Victoria Reith | 12.08.2018
    Eine Prostituierte steht vor einem Bordell in Flensburg.
    Der Kauf von Sex ist in Schweden seit 20 Jahren verboten. Die Einstellung der schwedischen Gesellschaft zur Prostitution hat sich in dieser Zeit deutlich gewandelt. (pa/dpa/Christians)
    Eine Hotelbar nahe des Stockholmer Hauptbahnhofs. Eine blonde Frau mit Kurzhaarschnitt sitzt auf einem Barhocker und gestikuliert wild mit ihren Händen. Sie hat viel zu erzählen und spricht schnell.
    "Ich bin Pye Jakobsson, und bin seit 30 Jahren Sexarbeiterin. Ich bin aus Stockholm, Schweden, und wohne leider wieder hier."
    Jakobsson ist Vorsitzende von Rose Alliance, einer Organisation, die sich als Sexarbeitergewerkschaft bezeichnet. Manche sagen, Pye Jakobsson ist Rose Alliance.
    Prostituierte an den Rand der Gesellschaft gedrängt
    Sie bekämpft das schwedische Gesetz zur Prostitution seit dessen Entstehung. Vor 20 Jahren entschieden die Abgeordneten im schwedischen Parlament, den Kauf von Sex zu verbieten, also Freier zu bestrafen. Zum 1. Januar 1999 trat die Regelung in Kraft. Prostituierte werden nicht bestraft. Aber an den Rand der Gesellschaft gedrängt, findet Pye Jakobsson:
    "Mit dem Sexkaufgesetz hat man ein sehr spezifisches Narrativ aufgebaut, was eine Sexarbeiterin ist, wie man über sie berichtet. Stereotyp sind die Frauen immer Opfer. Sie sind immer Übergriffen ausgesetzt, sind jung, haben kein Selbstwertgefühl, sie nehmen alle Drogen, sie werden immer in etwas reingelockt und machen nie etwas aktiv."
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    Pye Jakobsson steht der Rose Alliance vor, einer Interessenvertretung für Sexarbeiter in Schweden (Deutschlandradio / Victoria Reith)
    Kvinnofrid - Frauenfrieden
    Die schwedische Regierung hat das Gesetz Mitte der 90er-Jahre ausgearbeitet, unter den Namen Kvinnofrid, Frauenfrieden, der in Schweden eine historische Verankerung hat. Schon im 13. Jahrhundert wurde als Frauenfriede der Brautraub verboten, und mit dem gleichen Arbeitstitel haben vor allem die Sozialdemokraten vorangetrieben, dass der Kauf von Sex in Schweden unter Strafe gestellt wurde.
    Aus einer feministischen Perspektive wollte man nicht diejenigen bestrafen, die potenziell Gewalt ausgesetzt sind. Stattdessen sollen mit dem Gesetz die meist weiblichen Prostituierten geschützt werden. Bestraft werden sollen diejenigen, die Macht und Zwang auf sie ausüben, die Freier.
    Doch die Sexarbeiterin Pye Jakobsson findet: Das Gesetz schütze die Frauen nicht, im Gegenteil. Dabei stützt sie sich auf eine Studie von der Universität Malmö, die feststellt, dass das Sexkaufgesetz unerwünschte negative Effekte habe: die Stigmatisierung und Marginalisierung der Menschen, die Sex verkaufen, insbesondere durch Behörden, Gesundheitsorganisationen und der Polizei.
    "Vor einigen Monaten wurde ich von einem Paar kontaktiert. Sie verkauft Sex und sie leben zusammen und sind verheiratet. Jetzt wird der Mann wegen Zuhälterei angeklagt. Natürlich sind die beiden sehr verunsichert. Sie hat Angst um ihren normalen Job, sie ist Akademikerin. Das kann das ganze Leben des Paares zerstören."
    Mehr ausländische Prostituierte
    Weil sie als Zeugin verhört werde, sei auch der Name der Frau nun öffentlich, sagt Pye Jakobsson. Das Stigma, das mit dem neuen Gesetz gekommen sei, habe zwar dazu geführt, dass weniger schwedische Frauen sich prostituieren, erzählt Pye Jakobsson, doch ausländische Prostituierte gebe es in Schweden sogar mehr als früher – und die seien besonders gefährdet.
    "Frauen aus dem Ausland werden oft ausgeraubt, mit Pistolen oder Messern bedroht, vergewaltigt und erpresst. Und ich höre oft, dass das mehr geworden ist."
    Die ausländischen Frauen würden sich nicht trauen, Straftaten gegen sie zur Anzeige zu bringen – aus Angst abgeschoben zu werden. Neben dem Sexkaufgesetz kritisiert Jakobsson unter anderem einen Paragrafen im Migrationsrecht. Er besagt, dass diejenigen, die ihren Lebensunterhalt nicht auf ehrliche Weise verdienen, abgeschoben werden können, auch wenn sie EU-Bürger sind wie im Fall einer Frau aus Rumänien.
    Und in den Gesetzen zur Zuhälterei und zum Mietrecht ist verankert, dass Vermieter Prostitution in ihren Wohnungen nicht tolerieren dürfen. Sobald Prostituierte auffliegen, die sich in den eigenen vier Wänden prostituieren, verlieren sie in der Regel ihre Wohnung. Und die Polizei trage dazu bei.
    "Die machen einen grauenhaften Job. Ich habe ein Problem mit der Art und Weise, wie sie arbeiten, und mit ihrem Fokus."
    Frauen als Opfer abgestempelt?
    Laut Pye Jakobsson ist das Sexkaufgesetz anti-feministisch, weil es Frauen als schutzbedürftig und Opfer abstemple. Doch verbreiteter in Schweden ist die gegensätzliche Meinung: Die selbstbestimmten Sexarbeiterinnen sind demnach in der Minderheit, die überbordende Mehrheit der Frauen handle aus Zwang.
    "Die Menschen müssen ihre Augen öffnen und sehen, was Prostitution eigentlich ist – eine furchtbare, destruktive Illusion. Es ist eine vollkommen verlogene Welt. Eine Illusion für die Frau, die ihren Körper verkauft, weil es das gute Leben, das sie sich von der Prostitution erhofft, nicht gibt. Eine Illusion für den Mann, der den Sex kauft, weil es die Frau, die er trifft, nicht wirklich gibt. Sie stellt etwas dar und er entscheidet, an die Lüge zu glauben. Aber für die Zuhälter und alle, die an der Prostitution verdienen, ist es eine Goldgrube."
    Eine Prostituierte aus Südeuropa schildert diese Erfahrungen im Buch "Skuggans Lag". "Gesetz des Schattens" von Simon Häggström. Er leitet die Prostitutionseinheit der Stockholmer Polizei, die aus sechs Polizisten besteht.
    Eine Prostitutierte steht am 18.02.2014 in der Dudweiler Landstraße in Saarbrücken (Saarland).
    Die Straßenprostitution hat sich seit Einführung des Sexkauf-Verbots halbiert. (dpa / Oliver Dietze)
    Neben ihm arbeiten dort auch Peter Åström, Martina Hildebrand und Marie Arnberg. Sie sitzen im eigentlich herrschaftlichen Gebäude der Stockholmer Polizei in der weit weniger repräsentativen Kantine in Zivil auf grünen Stühlen, und trinken Cola und Kaffee - Hauptsache Koffein. Martina Hildebrand schildert ihre Erfahrung mit dem Gesetz zur Prostitution:
    "Wir sind wirklich dankbar, dass der Kauf von Sex in Schweden verboten ist. Und dass Frauen nicht kriminalisiert werden, das macht es uns so viel einfacher, diesen Frauen zu helfen."
    Schutz weiblicher Sexarbeiter
    Das Gesetz, das zwar Strafen für die Freier vorsieht, nicht aber für die Prostituierten, sehe auch vor, dass die Polizei die meist weiblichen Sexarbeiterinnen schütze, ergänzt Marie Arnberg.
    "Wir versuchen ihnen da rauszuhelfen, vermitteln Traumatherapie, Kontakt zu Hilfsorganisationen oder Frauenhäusern. Wir wollen zeigen, dass es Hilfsangebote gibt und die bieten wir jedes Mal an, wenn wir diese Frauen treffen."
    Die Arbeit der Polizisten besteht darin, Hinweisen aus der Bevölkerung nachzugehen, auszuwerten und dann die Freier möglichst auf frischer Tat zu ertappen. Das passiere täglich, erklärt Peter Åström.
    "Mit der Menge an Tipps, die wir bekommen, könnten wir leicht 365 Tage im Jahr rund um die Uhr arbeiten, zehn Jahre in die Zukunft und wir wären immer noch zu wenige Polizisten."
    Dass die Polizisten dazu beitragen, dass Frauen aus ihren Wohnungen vertrieben werden, wie Pye Jakobsson von der Sexarbeiterorganisation Rose Alliance ihnen vorwirft, wollen die Polizisten nicht so stehen lassen. Marie Arnberg:
    "Klar trifft das die Frauen hart, das kann ich gut verstehen, aber wir sind auch da, um Ratschläge zu geben, Hilfe und Schutz zu bieten."
    Die Polizisten werden bei ihren Einsätzen von einer Sozialarbeiterin begleitet, die sich um die Frauen kümmern soll und ausländischen Prostituierten erklärt, wie was in Schweden funktioniert.
    Bis zu einem Jahr Gefängnis möglich
    Die Frauen schützen, die Freier bestrafen. Soweit die Theorie. Seit der Einführung des Sexkaufgesetzes werden die meist männlichen Kunden mit Bußgeldern belegt, auch Gefängnisstrafen bis zu einem Jahr sind möglich. Allerdings musste in den fast zwei Jahrzehnten seit der Einführung des Gesetzes noch nie ein Freier ins Gefängnis. Peter Åström würde sich wünschen, dass sich das ändert. Denn der Knackpunkt sei, wie man die Nachfrage bekämpft.
    "Bei Männern, die entscheiden, eine Frau für Geld zu kaufen, besteht offenbar eine Nachfrage. Deshalb brauchen wir in Schweden Gefängnisstrafen. Ich spreche gar nicht von mehreren Monaten, sondern von ein paar Wochen, die diese Männer bloßstellen. Bisher kriegen sie die Rechnung für das Bußgeld per Post und keiner erfährt, dass sie bei einer Prostituierten waren."
    Die Polizisten sind überzeugt, dass Prostitution meist mit Zuhälterei und in vielen Fällen auch mit Menschenhandel einhergeht. Daher sind sie froh über das Sexkauf-Gesetz. Marie Arnberg ist sicher, dass die Polizisten mit ihrer Arbeit einen Unterschied machen.
    "Wir haben alle das begründete Gefühl, dass wir nützliche Arbeit machen. Auch wenn ich jetzt keine Zahlen vorlegen kann. Es gibt eine Veränderung in der Einstellung und das ist meine höchstpersönliche Erfahrung, jedenfalls in Stockholm, wo wir arbeiten."
    Weniger Menschenhandel
    Wie sich die Prostitution in Schweden seit der Einführung des Gesetzes verändert hat, darüber gibt es viele Meinungen. Die schwedische Polizeibehörde konstatiert, dass der Menschenhandel durch das Verbot, Sex zu kaufen, zurückgegangen sei. Schweden habe den Ruf, dass es dort schwierig sei, mit Prostitution Geschäfte zu machen – anders als zum Beispiel in Deutschland, wo der Kauf von Sex legal ist.
    Auch Studien bestätigen: In Ländern, in denen Prostitution ganz oder teilweise verboten ist, gibt es weniger Menschenhandel zu sexuellen Zwecken als in Ländern, in denen Prostitution legal ist.
    Schwierig zu beantworten ist die Frage, ob es in Schweden seit Einführung des Gesetzes weniger Prostituierte gibt. Die Straßenprostitution hat sich halbiert. Doch die Anzeigen auf Eskortseiten im Netz haben sich in den vergangenen Jahren vervielfacht – von rund 300 im Jahr 2006 auf knapp 7000 im Jahr 2014.
    Ähnliches berichten Sofie Lidbäck und Elisabeth Lundqvist von Mikamottagningen, einer städtischen Anlaufstelle für weibliche und männliche Prostituierte und deren Angehörige. Sie haben ihr Büro im hippen Stockholmer Stadtteil Södermalm. Helle Räume, die einladen, Zeit dort zu verbringen. Sofie Lidbäck:
    "Wir merken, dass die Straßenprostitution weniger wird. Das heißt aber nicht, dass es keine Bordelle gibt oder Internetseiten, und dass Sex nicht mehr außer Haus verkauft wird. Aber das läuft eben übers Internet. Es gibt unterschiedliche Seiten und Communities und so kommt man in Kontakt."
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    Sofie Lidbäck (l.) und Elisabeth Lundqvist (r.) von Mikamottagningen, einer städtischen Anlaufstelle für weibliche und männliche Prostituierte und deren Angehörige in Stockholm (Deutschlandradio / Victoria Reith)
    Lidbäck sagt , dass die meisten Prostituierten eine Gemeinsamkeit haben: frühere Traumata, ob sexuelle Übergriffe, Inzest, Mobbing oder Armut in der Familie. Viele von ihnen wiesen selbstschädigendes Verhalten auf, betont die Sozialarbeiterin. Sie und ihre Kolleginnen kontaktieren die Prostituierten und schicken ihnen Informationen – auf Schwedisch, Englisch und Rumänisch. Und sie arbeiten mit einer Frauenärztin zusammen. Dem Narrativ von Pye Jakobsson von Rose Alliance, die das Bild der selbstbestimmten Sexarbeiterin bewirbt, folgt die Sozialarbeiterin der Stadt Stockholm nicht.
    "Noch nie jemanden getroffen, der freiwillig Sex verkauft"
    "Ich arbeite seit 20 Jahren im Sozialdienst. Und ich habe noch nie jemanden getroffen, der freiwillig Sex verkauft. Das heißt nicht, dass es die nicht gibt. Und Rose Alliance in Schweden ist ziemlich klein."
    Für sie ist Pye Jakobsson von Rose Alliance eine recht einsame Verfechterin der Freiwilligkeit. Sofie Lidbäck hingegen bezeichnet Prostitution als eine Form der Sklaverei.
    "Vielleicht leben nicht alle Prostituierten im Menschenhandel. Aber man macht es noch lange nicht freiwillig. Die meisten denken ja nicht: ‚Oh ich brauche Geld, also verkaufe ich Sex.‘ Viele sagen, Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt, aber ich würde eher sagen, es ist die älteste Unterdrückung der Welt."
    Daher ist sie froh, dass in Schweden der Kauf von Sex verboten ist.
    "Schweden hat die Nase vorne mit dem Sexkaufgesetz und mit dem Handlungsplan der Regierung zur Prostitution. Wenn man sich darauf konzentriert, dass es keine Nachfrage gibt, dann gibt es auch keine Prostitution."
    Prostitution ist Teil männlicher Gewalt gegenüber Frauen
    Im neuen Handlungsplan der schwedischen Regierung steht, dass Prostitution ein Teil männlicher Gewalt gegenüber Frauen ist. Auf 29 Seiten ist festgehalten, wie man in Zukunft mit dem Thema umgehen will. Unter anderem steht darin, dass Schweden international Vorbild sein will bei der Bekämpfung von Prostitution, dem Schutz von Frauen und der Verbrechensbekämpfung. Die Zusammenarbeit mit den anderen nordischen Ländern soll ausgebaut werden. Außerdem sind Abkommen mit Rumänien und Bulgarien, den Herkunftsländern vieler Prostituierter, geplant. Sie sollen den Wissensaustausch zu den Themen Kinderrechte, Gleichstellung und sozialer Wohlfahrt fördern. Sofie Lidbäcks jüngere Kollegin Elisabeth Lundqvist ergänzt, das Sexkaufgesetz wirke sich möglicherweise nicht auf die reinen Prostitutionszahlen aus. Aber, so Lundqvist:
    "Das Gesetz verändert die gesellschaftliche Sicht, wie man Prostitution betrachtet, dass Prostitution ein Teil männlicher Gewalt Frauen gegenüber ist, und es ist gut, dass die Gesellschaft das hat. Damit kann man auch ein bisschen Druck ausüben."
    Dass das Sexkaufgesetz eine normgebende Wirkung hat, zeigen auch die Zahlen. Drei Jahre vor der Einführung des Gesetzes waren laut einer repräsentativen Umfrage nur 32 Prozent der Schwedinnen und Schweden dafür, den Kauf sexueller Leistungen zu verbieten. Direkt nach der Einführung 1999 standen dann mehr als 70 Prozent hinter dem Verbot. Die hohe Zustimmung besteht bis heute, wobei mit 80 Prozent deutlich mehr Frauen das Gesetz befürworten – gerade einmal die Hälfte der Männer sind mit dem Verbot einverstanden.
    Und wie sieht es mit den Freiern aus? Vor der Einführung des Gesetzes haben 13 Prozent der männlichen Befragten in einer Umfrage angegeben, sexuelle Dienste gekauft zu haben. 2008 waren es nur noch rund acht Prozent.
    "Ein Mensch kann nicht zum Verkauf stehen"
    Carina Ohlsson war vor 20 Jahren dabei, als das Gesetz im schwedischen Parlament verabschiedet wurde. Sie ist heute noch Abgeordnete der Sozialdemokraten und noch immer stolz darauf, ein weitaus restriktiveres Gesetz zu haben als zum Beispiel Deutschland.
    "In Deutschland denkt man vielleicht nicht, dass es das beste Gesetz ist. Aber wir Schweden finden, dass es ein gutes Gesetz ist. Es geht um den Respekt für den Menschen. Man respektiert einen anderen Menschen und dessen Körper nicht, wenn man ihn kauft. Ein Mensch kann nicht zum Verkauf stehen."
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    Die schwedische Sozialdemokratin Carina Olsson hat vor 20 Jahren im schwedischen Reichstag für das Sexkaufgesetz gestimmt. (Deutschlandradio / Victoria Reith)
    Vor 20 Jahren haben einige Fraktionen, die Moderaten und die damalige Volkspartei, die heutigen Liberalen, gegen das Gesetz gestimmt. Die Christdemokraten hätten sich gewünscht, dass nicht nur Freier, sondern auch Prostituierte bestraft werden, und enthielten sich der Stimme. Heute gibt es im schwedischen Parlament keine nennenswerte Opposition mehr gegen das Prostitutionsverbot. Schwedens Regierung ist offiziell feministisch, die Gleichstellung von Mann und Frau ist Staatsräson. Und so argumentiert die Sozialdemokratin Ohlsson:
    "Um eine gleichberechtigte Gesellschaft zu haben, müssen wir Prostitution bekämpfen. Davon bin ich fest überzeugt."
    Prostitution im Ausland
    Die schwedische Regierung arbeitet an einem Gesetzentwurf, der es schwedischen Freiern auch verbieten soll, Sex im Ausland zu kaufen. Ohlsson:
    "Wenn es in Schweden verboten ist, können die Menschen heute trotzdem ins Ausland fahren und dort Sex kaufen. Da haben wir gesagt, dagegen müssen wir etwas tun."
    Die Verfolgung schwedischer Freier im Ausland dürfte allerdings schwierig werden. Im April 2006 forderte der schwedische Beauftragte für die Gleichstellung von Mann und Frau, Claes Borgström, die schwedische Fußballnationalmannschaft zum Boykott der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland auf, da der deutsche Staat durch die legale Prostitution permanent die Menschenrechte von Frauen verletze.
    Die schwedische Regierung rühmt sich damit, dass das Gesetz Modell für viele andere Länder stand: Südkorea, Südafrika, Island, Norwegen, England, Wales, Nordirland, Kanada und Frankreich. Doch die Meinungen zur internationalen Strahlkraft des Gesetzes sind geteilt. Die Sexarbeiterin Pye Jakobsson ist skeptisch:
    "Schweden hat eine lange Historie, dem Rest der Welt zu erklären, wie man Dinge zu tun hat. Aber wir sind auch Vorreiter bei Problemen wie Drogenmissbrauch, Überdosen, und Hepatitis-C-Erkrankungen. Ein toller Erfolg! Trotzdem mögen es die Schweden, anderen Ländern die Welt zu erklären."
    "Ganz Europa sollte nach Schweden schauen"
    Der Polizist Peter Åström hingegen ist stolz auf die schwedische Gesetzgebung:
    "Ich finde, ganz Europa sollte nach Schweden schauen. Damit man versteht, dass wir ein Problem haben. Der Menschenhandel zu sexuellen Zwecken in Europa umfasst 23 Milliarden Kronen, mehr als zwei Milliarden Euro im Jahr. Das ist ein florierendes Geschäft, von dem wir hier sprechen."
    Vor 20 Jahren hat der Gesetzgeber den Kauf sexueller Dienste in Schweden unter Strafe gestellt. Doch noch längst sind nicht alle Probleme gelöst.
    Schweden, ein Vorreiter in Sachen Prostitutionsbekämpfung? Ein Umdenken in den Köpfen vieler Menschen haben die Skandinavier mit ihrem Gesetz zwar bewirkt, doch die Illusion, die Prostitution sei nur annähernd beseitigt, hat niemand in Schweden.