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Berlin
Hepatitis-A-Ausbruch in der Schwulenszene

Ein ungewöhnlich starker Anstieg von Hepatitis-A-Erkrankung beschäftigt derzeit die Berliner Gesundheitsbehörden. Die Ansteckung erfolgt dabei häufig durch Sex unter Männern. In der Schwulenszene hat sich das noch kaum rumgesprochen. Eine Aufklärungs- und Impfkampagne soll nun helfen.

Von Daniela Siebert | 12.07.2017
    Atmosphäre beim Lesbisch-Schwulen Stadtfest am Nollendorfplatz in Berlin-Schöneberg 2016.
    Die Straßen rund um den Nollendorfplatz sind Treffpunkt der Schwulenszene in Berlin. (dpa)
    Der Nollendorfplatz in Berlin-Schöneberg. Die U-Bahnstation ist mit riesigen Regenbogenfahnen geschmückt. In den Straßen ringsum trifft sich die schwule Szene von soft bis hart. Hier grassiert seit Monaten ein Ausbruch, sagen die Gesundheitsbehörden. Hepatitis A, eine ansteckende Viruserkrankung der Leber. Rumgesprochen hat sich das im Kiez aber nur teilweise. Ein Männerpärchen, mittleres Alter, zu Besuch aus der Schweiz, hat davon noch nicht gehört:
    "Nein, nein, also wir passen schon auf, das ist schon Thema. Bei uns war der CSD, jetzt haben sie diese Kampagne, dass man sich jährlich testen lässt, nicht nur auf HIV, sondern auch alle anderen Krankheiten."
    Er habe sich auch impfen lassen, aber ob das auch gegen Hepatitis A sei, da ist er sich nicht so sicher.
    Etwas weiter, vor dem Café Berrio, berühmt als Schwulentreff und für gute Torten, kommentiert ein junger Berliner so:
    "Das finde ich beunruhigend. Gesundheit ist Nummer eins. Alles muss dafür getan werden. Also in meinem Umfeld kenne ich jetzt keine Fälle ehrlich gesagt."
    Die ältere Generation ist da schon aufgeklärter
    Eine Straße weiter sitzt ein Ex-Berliner im Straßencafé "Romeo und Romeo".
    "Ich hab davon nur nebenbei gehört, aber ich wunder mich trotzdem drüber, weil Hepatitis A in der Regel eigentlich sehr gut vorbeugend impfbar ist."
    "Sind Sie geimpft?"
    "Ich bin geimpft! Die ältere Generation ist da schon sehr sehr aufgeklärt, ich vermute mal, das gilt auch für Tripper oder Hepatitis B und andere Sachen, auch HIV, sind die jüngern Menschen komischerweise heute wieder weniger aufgeklärt, das ist ein Effekt, der mir schon deutlich geworden ist."
    Und Klaus, Verkäufer von sexy Unterwäsche im "Shirts and Underwear", berichtet:
    "Ja es wurde schon drüber geredet und ich hab's auch gelesen, dass wohl auch viele Flüchtlinge wohl hier rüber kommen und den Virus mitgebracht haben, und dadurch das wohl mehr geworden ist. Ich bin geimpft, aber viele haben ja auch die Hep A schon gehabt, ohne dass sie das überhaupt wissen, die kriegt man ja ruckzuck durchs Essen und so."
    Nach Panik und Ausbruch klingt das alles nicht. Gesundheitsfachleute im Robert-Koch-Institut und im Landesamt für Gesundheit und Soziales, Lageso, sind dennoch alarmiert: Hepatitis A ist eine meldepflichtige ansteckende Erkrankung. Und die Berliner Gesundheitsämter haben seit Jahresbeginn schon rund einhundert Fälle registriert, bei denen die Ansteckung wohl durch Sex zwischen Männern passierte.
    Krankheit grassiert vor allem unter homosexuellen Männern
    "Ein Ausbruch ist immer dann, wenn wir mehr als im entsprechenden Zeithorizont erwartbar haben und in Sachen Hepatitis A hatten wir noch nie so viele Erkrankungen in so kurzem Zeitraum", sagt Daniel Sagebiel vom Lageso, der eine aktuelle Aufklärungskampagne zu Hepatitis A in der schwulen Szene mit betreut. Die Krankheit verläuft manchmal sogar unbemerkt, meist aber mit grippeähnlichen Symptomen und einer Gelbfärbung des Körpers, in seltenen Fällen kann es aber auch zu Leberversagen und zum Tod kommen. Claudia Ruscher vom Lageso warnt daher davor, die Krankheit zu unterschätzen.
    "Das ist durchaus so, dass man vier fünf sechs Wochen wirklich krank ist!"
    Von den zuletzt betroffenen Berlinern musste rund ein Drittel sogar im Krankenhaus behandelt werden, betont die Medizinerin.
    Hepatitis A verbreitet sich über infizierten Kot, der in den Mund gelangt. Dass die Krankheit nun vor allem unter homosexuellen Männern grassiert, führen Daniel Sagebiel und Claudia Ruscher auch auf besondere sexuelle Vorlieben zurück.
    "Da muss man dann schon spezielle Sexualpraktiken haben, Arschlecken oder sowas, dass eben durchaus da ein relevanter Übertragungsweg sein kann."
    "Benutzte Kondome, benutzte Dildos oder gemeinsam benutzte Gleitmitteltöpfe, das reicht ja schon als Kontakt."
    Behörden haben Impf-Kampagne gestartet
    Die Aufklärungskampagne über solche Übertragungswege läuft nun schon seit Monaten im Kiez. Durch Poster-Aushänge in einschlägigen Clubs und Lokalen, Infos an Arztpraxen, Anzeigen in Publikationen für die schwule Gemeinde und sogar über einen Vortrag in einem Szene-Club. Nicht zuletzt online: durch blinkende Banner etwa auf einschlägigen Dating-Webseiten und Handy-Apps.
    "Ziel der Kampagne ist tatsächlich diese Leute, die viel anonymen Sex haben, mit wechselnden Partnern, dass man die darüber informiert, dass es diesen Ausbruch gibt, und dass es eine sichere Präventionsmaßnahme gibt, nämlich die Impfung."
    In den nächsten zwei Wochen stehen mehrere schwule Großveranstaltungen in Berlin an: die Pride Weeks, der Christopher Street Day und ein Straßenfest rund um den Nollendorfplatz. Auch hier werden die Gesundheitsbehörden mit ihrer Kampagne präsent sein und zu einer Impfung raten.
    Dass sie keine totalen Spaßbremsen sein wollen, machen die amtlichen Gesundheitsschützer aber auch klar: Ihre Info-Postkarte, die vor Hepatitis A warnt, wollen sie in den nächsten Tagen um eine kleine Packung Gleitmittel ergänzen.