Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Berlin
Muslim will Regierender Bürgermeister werden

Raed Saleh ist ein Migrant mit palästinensischer Herkunft. Der 37-jährige SPD-Politiker möchte nun Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister von Berlin beerben. Dafür wird er angefeindet - der politische Gegner hat mit seiner Herkunft aber kein Problem.

Von Claudia van Laak | 04.09.2014
    Der Berliner SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh steht am 27.08.2014 in Berlin.
    Der Berliner SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh. (picture alliance / dpa / Bernd Von Jutrczenka)
    "Hallo, hallo Raed, schön, dass Du da bist."
    Berlin-Kaulsdorf vor ein paar Tagen. Die SPD eröffnet ein Bürgerbüro. Auch Fraktionschef Raed Saleh ist vor Ort, wie fast immer im schwarzen Anzug und weißem Hemd. Schulterklopfen für die Männer, Küsschen für die Frauen, es wird gescherzt und geflachst.
    "Komm mal her, der hier ist mein größter Unterstützer, seit Jahren gut zusammengearbeitet, kein Blatt passt dazwischen, ist wirklich so."
    Die gute Laune von Raed Saleh wirkt aufgesetzt, tobt doch innerhalb der Berliner SPD ein knallharter Machtkampf. Der 37-Jährige will schnell ganz nach oben. Seine Variante der Erzählung "Vom Tellerwäscher zum Millionär" lautet: "Vom palästinensischen Zeitungsausträger zum Regierenden Bürgermeister."
    "Geboren bin ich im Westjordanland, in einem Dorf namens Sebastia. Deutschland ist meine Heimat, Berlin ist meine Heimat und mein Lebensmittelpunkt."
    Sollte der Nachfolger von Klaus Wowereit Raed Saleh heißen, dürfte im Roten Rathaus künftig weniger Bier und Sekt getrunken werden als bislang. Auch die Berliner Bulette schmeckt dem Vater von zwei Söhnen nur bedingt. Raed Saleh ist Moslem, trinkt keinen Alkohol und isst kein Schweinefleisch.
    "Ich bin ein religiöser Mensch. Man würde heute sagen: säkular. Das heißt: Ich bin jemand, der schon glaubt, aber jetzt nicht streng. Deshalb bin ich auch so ein Fan von unserem Wertesystem: Egal ob Jude, Christ, Moslem - wichtig ist, dass es ein Miteinander gibt."
    Saleh betont seine Herkunft nicht
    Seine PR-Berater sind sich nicht sicher: Ist es hilfreich für den innerparteilichen Wahlkampf, die Einwanderungsgeschichte des SPD-Fraktionschefs zu betonen? Oder wird es dazu führen, dass Raed Saleh als Vertreter einer Minderheit angesehen wird, der nicht in der Lage ist, die gesamte Stadt zu repräsentieren?
    Diejenigen, die ihm nicht wohlgesonnen sind, reduzieren den SPD-Politiker auf seine ausländischen Wurzeln. In den einschlägigen Internetforen – zum Beispiel "Politically Incorrect" - toben sich die Islamhasser aus.
    - "Lautet das künftige Motto für Berlin: Arm, aber muslimisch?"
    - "Muslimischer Israelhasser will Berlin regieren."
    - "Ein Skandal. Ein Araber als Bürgermeister ist haltlos."
    - "Ich sehe schon am Prenzlauer Berg oder in Marzahn die Religionspolizei laufen."
    - "Dann gibt es in Berlin bald Auspeitschungen, Hand- und Fußamputationen von Islamkritikern und Steinigung von Ehebrechern."
    - "Frecher Sozen-Suren-Sohn"
    - "Täglich fünf Mal plärrt der Muezzin und Frauen ohne Verschleierung werden von der Religionswacht verhaftet."
    - "Die SPD ist so lächerlich. Scharia-Partei Deutschlands."
    Raed Saleh ignoriert diese Beleidigungen. Er hat die Entscheidung getroffen, Herkunft und Religion bewusst in den Hintergrund zu rücken. "Ich bin ein deutscher Sozialdemokrat, der zufällig Einwanderer ist", sagt er gerne. Seine Unterstützer - darunter auch viele Migranten – betonen dagegen die Andersartigkeit.
    "Er erzählt eine neue Geschichte für diese Stadt. Er knüpft vielleicht auch an die Geschichte, die wir mit Klaus Wowereit erzählt haben, an. Diese Weltoffenheit. Und strickt etwas Neues daraus. Und da ist es natürlich schon spannend."
    Für Raed Salehs Anhänger jedenfalls gilt: Berlin ist bereit für einen Zuwanderer, dessen Muttersprache arabisch ist.
    - "Wir waren für so vieles reif. Klaus Wowereit als erster offen schwuler Ministerpräsident. Klar geht es dann auch mit jemandem, der woanders geboren ist."
    - "Berlin ist auf jeden Fall reif dafür. Ja klar. Unbedingt."
    - "Ich denke nicht, dass Raed Saleh als muslimischer Politiker gesehen wird, sondern er ist ein sozialdemokratischer Politiker, es geht um Aufstieg, soziale Gerechtigkeit. Insofern denke ich nicht, dass da die Religion eine Rolle spielt."
    - "Berlin ist so eine weltoffene Stadt, dass hier jeder Bürgermeister werden kann."
    CDU arbeitet mit Raed Saleh gut zusammen
    Der Koalitionspartner CDU sieht dies ähnlich. Die Berliner Christdemokraten hoffen auf einen schwachen Wowereit-Nachfolger, umso größer sind ihre Chancen auf einen Sieg bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl. Mit Raed Saleh arbeitet die CDU gut zusammen. Die Religion spielt absolut keine Rolle, sagt Generalsekretär Kai Wegner:
    "Ich bin selbst ein Christ, im Alten Testament steht ja auch: An den Taten sollt ihr sie messen. Danach messe ich auch Politiker, nicht an ihrer Religion, sondern daran, ob sie eine Stadt, ob sie ein Bundesland voranbringen."
    Die CDU gibt sich betont tolerant. Wir haben soeben eine muslimische Auszubildende in der Landesgeschäftsstelle begrüßt, erzählt Generalsekretär Wegner. Und außerdem:
    "Dass wir in Niedersachsen Aygül Özkan als erste Ministerin hatten von der CDU als Landesministerin. Dann kann ich mir auch sehr gut vorstellen, einen Regierungschef in einem Bundesland, der einen muslimischen Hintergrund hat, selbstverständlich."
    Dies sehen viele in Deutschland anders, Soziologen stellen eine wachsende Islamfeindlichkeit fest. In einer aktuellen Studie der Universität Bielefeld stimmte jeder dritte Befragte der Aussage zu: "Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden."