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Berlin
Wenn das Paket per U-Bahn kommt

Berlin will den Güterverkehr aus der Stadt verdrängen - auf Lastenfahrräder und Elektro-LKW. Die letzten Meter in die Stadt hinein soll es dann auf Schienen weitergehen, mit U- oder S-Bahn. So stellt es sich Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner vor. Nicht so leicht, aber möglich.

Von Anja Nehls | 19.04.2017
    Eine Berliner U-Bahn steht in einem Bahnhof.
    Der neue U-Bahnhof "Kienberg - Gärten der Welt" an der Linie U5 in Berlin wurde für die Internationale Gartenausstellung IGA barrierefrei ausgebaut. (dpa / picture alliance)
    Eigentlich ist der kleine LKW ein Fahrrad. Fahrer Daniel Feske stellt ihn auf der Messe "Velo Berlin" vor, um für seinen Einsatz zu werben. Das Lastenfahrrad hat einen hohen kastenförmigen Aufbau mit Plane direkt hinter dem Fahrer und kann bis zu bis zu 250 Kilo Waren transportieren, leise und umweltfreundlich durch die Berliner Innenstadt.
    Unterstützt wird der Fahrer durch einen kleinen Elektromotor. Jeden Tag fährt Daniel Feske für die Firma Velogista mit einem vollbeladenen Fahrrad alle nur denkbaren Güter durch Berlin:
    "Von Wasserpumpe bis E-Piano, über andere Fahrräder, Segways, alles was reinpasst wird von uns auch ausgeliefert. Wir versuchen natürlich Gewerbekunden zu erreichen, damit wir regelmäßige Großaufträge kriegen, so´ne Geschichten wie DHL, UPS, DPD, mit denen stehen wir in Kontakt, da werden Gespräche geführt und die sind alle sehr interessiert, die observieren uns schon seit anderthalb, zwei Jahren."
    Genauso wie Berlins neuer Staatssekretär für Verkehr Jens-Holger Kirchner. Berlin brauche eine Kehrtwendung in der Verkehrspolitik, davon ist der Grünen- Politiker überzeugt. Mit Deutschlands erstem Radverkehrsgesetz sollen die radelnden Berliner mehr Platz auf den Straßen bekommen.
    Wieso nicht Güter auf der Schiene in die Stadt transportieren?
    Aber auch der motorisierte Güterverkehr soll aus der Stadt gedrängt werden. Besonders auf der sogenannten "letzten Meile", also z.B. dem Weg vom Güterverteil- oder Paketzentrum bis in die Wohnung des Kunden, setzt Kirchner auf Lastenfahrräder oder kleine Elektro-LKW. In die Stadt hinein sollen die Waren auf der Schiene gelangen – und das System sei ja bereits vorhanden, sagt der Staatssekretär:
    "Natürlich gibt es ein schienengebundenes Netz hier in Berlin. Das ist die U-Bahn, die S-Bahn, die deutsche Bahn und die Straßenbahn. Und bisher kann mir keiner die Frage beantworten, wieso es eigentlich verboten ist, dass auch Güter in die Stadt auf der Schiene transportiert werden."
    Ist es nicht und gab es sogar schon mal in Berlin: Anfang der 30er-Jahre beförderten Güterstraßenbahnen Pakete, und im Zweiten Weltkrieg dann Kartoffeln. In den 30er- und 40er-Jahren wurden die Postämter per Straßenbahn beliefert. Theoretisch sei es auch heutzutage wieder möglich, Waren per Straßenbahn oder U-Bahn zu transportieren, meinen die Berliner Verkehrsbetriebe.
    "Jedes Anfassen und Loslassen kostet Geld"
    Schwierig sei allerdings, dass Tag und Nacht Fahrgäste transportiert werden, dass das Be- und Entladen von Waren Zeit kostet, Lärm macht und der entsprechende Platz dafür vorhanden sein muss. Für alle diese Probleme gebe es aber Lösungen, so Jens-Holger Kirchner. City Hub heißt das Konzept, das seine Verwaltung derzeit zusammen mit Logistikunternehmen erstellt. Auch mit der Berliner Verkehrsbetriebe BVG gab es schon Gespräche:
    "Wenn zum Beispiel nachts an den U-Bahn Endstationen, wo übrigens viel Platz ist, ein Hänger oder zwei Hänger auf Containern beladen wird und dann an den geeigneten Stellen, es gibt ja auch Kräne, und das dann auf Lastenfahrräder oder auf Elektrokleintransporter umgeladen wird, warum nicht. Bei Straßenbahnen viel einfacher. Da gibt’s draußen die großen Straßenbahnhöfe, die können beladen werden mit Kleincontainern, die dann vor Ort auf Elektro-Lastenfahrräder umgeladen werden und tagsüber dann verteilt werden."
    Dass es so einfach wird, bezweifelt der Verband Verkehr und Logistik in Berlin-Brandenburg. Klaus-Dieter Martens sieht den Rückbau der Straßen, die Ausweitung der Tempo-30-Zonen und die Vorrangbereiche für den Radverkehr mit Sorge. Und auch auf der letzten Meile käme das Lastenfahrrad schnell an seine Grenzen:
    "Palettierte Ware, Sie können wenn sie so ein Fahrrad haben ein Lastenfahrrad, maximal eine Palette befördern, die ist auch gewichtsbegrenzt, muss gewichtsbegrenzt sein. Wir haben Benzin-, Dieseltransporte, wir haben Umzugstransporte, wir haben Langtransporte, schon beim Transport einer Teppichrolle, 3,4m scheidet so ein Fahrrad aus. Man muss auch sehen, dass jedes Anfassen, Loslassen, Geld kostet und ein Risiko in der Haftung darstellt und Beschädigungen verursacht werden können."
    Der Transport würde sich unverhältnismäßig verteuern, mal ganz abgesehen davon, dass viel mehr Personal gebraucht würde, als der Markt überhaupt hergebe. Geeignet hält Klaus-Dieter Martens das Fahrrad für den Transport von Kurierexpresspaketen. Auch die Logistikunternehmen seien aber für einen umweltschonenden Transport.
    Die Auswahl an Elektro-LKW-Modellen sei aber nach wie vor gering, die Technik nicht ausgereift und der Preis zu hoch, so Martens. In der Tat. Immerhin kostet auch das Riesen Lastenfahrrad von Velogista in Berlin mit elektrischer Tretkraftunterstützung rund 9000 Euro. Ob die Besteller von Internet-Waren bereit sind, einen höheren Preis für die Lieferung zu zahlen ist zweifelhaft.