Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Berlinale-Diskussion zu #MeToo
Von Geschlechtergleichheit noch weit entfernt

Der Regisseur gleiche einem Gott, dem man als Schauspielerin gefallen möchte, beschreibt Schauspielerin Jasmin Tabatabai das Machtgefälle am Filmset. Schließlich werden etwa 80 Prozent der deutschen Filme von Männern produziert und gedreht. Vorschläge, wie das geändert werden könnte, gibt es einige.

Von Verena Kemna | 20.02.2018
    31.01.2018, Berlin: Ein Frau bringt im Kino Kosmos den Slogan "Pro Quote Film" an. Der neue Zusammenschluss von Frauen aus allen Gewerken der Filmbranche erweitert die bisherige Arbeit des Zusammenschlusses von Regisseurinnen auf die Gleichstellung von Frauen in allen Bereichen des Films. Foto: Bernd Settnik/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
    Frauenquote nötig? 80 Prozent der Regieaufträge gehen in Deutschland an Männer. (picture alliance/dpa/Bernd Settnik)
    Die Schauspielerin Jasmin Tabatabai macht den Anfang und bringt es auf den Punkt:
    "Wenn man besetzt werden möchte, dann gibt es eben diesen Gott, den Regisseur und dann muss man gefallen und da verschwimmen die Grenzen manchmal. Inwiefern willst du gefallen? Inwiefern gibst du alles für die Rolle? Und deswegen finde ich schon, dass man einen bestimmten Leitfaden (braucht): Was ist ok? Muss man sich alleine mit einem Regisseur zum Casting treffen? Das sind schon Sachen, die man auch konkret benennen kann."
    Sie fordert einen Verhaltenskodex, damit vor allem junge Schauspielerinnen wissen, dass es eben nicht in Ordnung ist, wenn der sprichwörtliche Regisseur im Bademantel zu einem Casting ins Hotelzimmer bittet. Sie meint, dass Missbrauch am Set häufig unter dem Deckmantel der künstlerischen Freiheit passiere. Die Schauspielerin Natalia Wörner sieht dagegen einen Verhaltenskodex kritisch:
    "Ich finde es echt schwierig zu sagen, es gibt jetzt ein Regelwerk des Verhaltens und das ist ja die Gegenbewegung, zu sagen, was dürfen wir, was dürfen wir nicht. Da darf sich die Debatte nicht in eine Sackgasse bewegen. Da hätte ich eher Angst vor einer Freiheit und einem Miteinander."
    Externe Beschwerdestelle ein erster Erfolg
    Alle auf dem Podium sind sich einig, dass die geplante Einrichtung einer neuen externen Beschwerdestelle ein erster Erfolg ist. Die Initiative vom Bundesverband Schauspiel im vergangenen Jahr hat schnell viele Partner gefunden. Ein politisches Signal hat die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, gesetzt. Sie hat die Anschubfinanzierung zugesichert. Später sollen sich vor allem Sender und Produzenten an der Finanzierung beteiligen. Die Branche könne sich nur von innen heraus erneuern, darin sind sich die Teilnehmer auf dem Podium einig. Jeder müsse seine eigene Verantwortung wahrnehmen. So sei die Stimmung am Set entscheidend für das Miteinander. Michael Lehmann von der Produktionsgruppe Studio Hamburg:
    "Wir haben lange genug unter dem Deckmantel der Kunst weggeschaut und gesagt, nein, der ist ja so toll, der macht das so besonders, deswegen werden die Filme so besonders und deswegen darf das so sein. Muss das so sein? Nein, natürlich nicht und deswegen brauchen die Menschen mehr Raum für diese Haltung."
    Über 80 Prozent der Filme sind von Männern
    Auch die Frage der Quotierung stellt sich. Das Bündnis "Pro Quote Film" ist natürlich dafür und nennt Zahlen, die für sich sprechen. So seien von 50 Millionen Euro, die der Deutsche Filmförderfonds vor zwei Jahren bewilligt hat, über 80 Prozent an Produktionen von Männern gegangen. Ebenso hätten Männer für über 80 Prozent der Regieaufträge von ARD und ZDF zwischen 2011 und 2015 die Zusage bekommen. Heike Hempel, die stellvertretende ZDF-Programmdirektorin ist zurückhaltend. Sie spricht von einer angestrebten Parität:
    "Bereits seit mehreren Jahren machen wir ein Monitoring der Zahlen. Das heißt, wir schauen uns sehr genau an, wie ist der Anteil an Regisseuren und Regisseurinnen für einzelne Sendeplätze. Wir haben da wirklich einen Progress gemacht. Wir haben für einige Sendeplätze eine Steigerung von fünf bis zehn Prozent pro Jahr, sind also an manchen Stellen nahe der Parität und bei anderen etwas weiter weg. Wir haben dazu auch erste Zahlen veröffentlicht."
    Weitere Zahlen zum internen Monitoring will das ZDF Ende des Jahres veröffentlichen. Das können manche im Publikum kaum glauben. Auch auf der Bühne wird geschmunzelt. Doch Heike Hempel bleibt dabei.
    Weibliche Rollenbilder auf dem Prüfstand
    Ein Förderprogramm speziell für Regisseurinnen sei geplant. Damit nicht genug, auch die weiblichen Rollenbilder müssten auf den Prüfstand. Die stellvertretende ZDF-Programmdirektorin:
    "Dass wir gemeinsam darauf achten, dass wir Frauenfiguren so erzählen, dass sie in ihrem Beruf kompetent sind. Das heißt die Frau, genau wie der männliche Kollege, wird den Fall am Ende lösen. Das gilt nicht nur für Krimis, das gilt auch für Ärztinnen, für Dorfhelferinnen, Juristinnen, Anwälte."
    Die Diskussion zeigt, dass die Film-und Fernsehbranche noch weit von Geschlechtergleichheit entfernt ist.