Freitag, 19. April 2024

Archiv

Berlinale "Drama Series Days"
Serienhype mit Fragezeichen

Der Trend im Serien-Markt geht zu kleineren, unspektakulären Geschichten - so der Tenor der diesjährigen „Drama Series Days“ am Rande der Berlinale. Aus Spanien sorgt "Arde Madrid" für Aufsehen, aus Deutschland kommt "Andere Eltern" ins TV. Und doch fragt sich die Branche: Muss alles Serie sein?

Michael Meyer im Gespräch mit Sören Brinkmann | 13.02.2019
    Auf dem Bild ist eine Szene aus dem Film "Andere Eltern" zu sehen. Menschen musizieren in einem Klassenzimmer. Es scheint von der Decke zu regnen.
    Eine Szene aus dem Film "Andere Eltern" (Tom Trambow / eitelsonnenschein GmbH / Turner Broadcasting System Europe Limited – a WarnerMedia Company)
    "Der Trend geht hin zu kleineren - wenn man so will - unspektakulären Geschichten, die auf den ersten Blick vielleicht erstmal nicht so spannend wirken, aber sehr originell umgesetzt sind", sagte der Medienjournalist Michael Meyer nach dem Besuch der Drama Series Days. Dazu zähle zum Beispiel die Serie "Arde Madrid", eine Geschichte aus dem Jahr 1961, die in Madrid spielt. Es geht um die US-amerikanische Schauspielerin Ava Gardner, die damals für einige Zeit in der spanischen Hauptstadt lebte und eine illustre Gesellschaft um sich scharte. Sie feierte wilde Partys mit Reichen, Schauspielern, Mafiosis und anderen zwielichtigen Figuren. Das gefiel dem Franco-Regime nicht, und daher wurden zwei Spione in Form ihres Chauffeurs und ihrer Haushaltshilfe auf Ava Gardner angesetzt. Die Serie ist nun erzählt aus der Sicht dieser beiden Spione. "Das Ganze ist in Schwarz-Weiß gedreht, sehr originell in der visuellen Umsetzung", sagte Meyer. "Das war so ein Beispiel für mich, wo eine kleine Geschichte zu einer großen, sehr originellen Serie verarbeitet werden kann. Und solche Beispiele hat man hier öfters gesehen."
    Originelle Experimente
    Große Serienländer wie die USA und Großbritannien waren auf der Veranstaltung nicht vertreten. Der Fokus wurde auf andere Länder gerichtet, zum Beispiel auf die Türkei und Israel. Die deutsche Serie "Andere Eltern", die ab 19. März ins Bezahlfernsehen bei TNT Comedy kommt, überzeugte mit einem originellen Konzept. Es handelt sich um eine komplett improvisierte Serie, in der es um die Gründung einer fiktiven Kita geht. "Die Improvisation mit den Schauspielern ist hervorragend gelungen", sagte Meyer. "Die Schauspieler schaffen es, aus so vielen Szenen Lustiges herauszuarbeiten. Das ist sicher etwas, was man als Serie noch nicht so gesehen hat."
    Kontrovers diskutiert wurde der Trend, aus Erzählungen, die vorher ein Film waren, Serien zu produzieren. "Bei manchen Serien fragt man sich dann schon, ob die Geschichte wirklich trägt", sagte Meyer, der zu diesem Thema auch den Regisseur Edward Berger befragte.
    Edward Berger: "Ich glaube, momentan ist die Nachfrage nach Stoffen so groß, dass ein bisschen alles gemacht wird, und ich glaube, man sollte so ein bisschen aussortieren und sagen: Komm', da ist nicht genug Stoff für zehn Stunden, lass' uns das in zwei erzählen, lass: uns mal wieder einen Film draus machen. Auch egal, was ich angeboten bekomme: Es war mal irgendwann ein Film, und wir machen jetzt eine Serie daraus. Und das ist ein bisschen viel."
    Nachfrage nach europäischen Serien
    Thematisiert wurden auch die Produktionsbedingungen der Serien. "Der Markt für gute Serienschreiber, Autoren, Showrunner ist wirklich leergefegt", sagte Meyer. "Wer was kann in der Branche, ist heute das ganze Jahr über beschäftigt."
    Positiv anzumerken sei, dass Streaminganbieten wie Netflix oder Amazon explizit europäische Serien haben wollten. "Gute Autoren und Regisseure müssen in diesem Bereich nicht mehr zwangsläufig nach Hollywood gehen, sie können in ihren Heimatländern arbeiten und erreichen, wenn es gut läuft, ein weltweites Publikum", so Meyer. Das sei ein Phänomen, das vor ein paar Jahren so noch nicht abzusehen war in der Serienproduktion.