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Berlinale
European Film Market und der Handel mit Geschichten

Wenn ein Film in die Kinos kommt, dann hat er schon eine lange Geschichte hinter sich. Das Drehbuch wird geschrieben, eine Produktionsfirma organisiert und finanziert den Dreh. Dann muss der Film noch an eine Verleihfirma verkauft werden. Die wiederum verkauft den Film an die Kinos - ganz nüchterne wirtschaftliche Verhandlungen. Und die gibt es auch auf der Berlinale.

Von Susanne Arlt | 05.02.2015
    Thorsten Ritter begrüßt seinen ersten potenziellen Klienten an diesem Morgen. Der arbeitet für einen britischen Filmverleih und ist auf der Suche nach guten Filmen. Thorsten Ritter, Verkäufer beim Weltvertrieb Beta Cinema, kann ihm gleich mehrere anbieten. Er zeigt auf ein Plakat mit dem Titel "Aferim". Der Film aus Rumänien laufe auf der Berlinale im Wettbewerb und sei schon recht exotisch, sagt Ritter: ein schwarz-weißer Western aus der Walachei. Oder Oliver Hirschbiegels Drama "Elser" über das gescheiterte Hitler-Attentat. Will nickt interessiert, dann verschwinden die beiden in ein schmales Kabuff. Wer Geschäfte auf dem European Film Market macht, der macht sie lieber im Geheimen.
    "Film ist wahnsinnig emotional. Natürlich auch ein wahnsinniges Geschäft, wenn man die richtigen Zutaten hat."
    Der European Film Market, kurz EFM genannt, ist das geschäftliche Zentrum der Berlinale und residiert jedes Jahr in den Hallen und Fluren des Martin-Gropius-Baus. 490 Firmen aus knapp 70 Ländern nehmen in diesem Jahr teil. Überall stehen oder sitzen Leute, meist zu zweit oder dritt, trinken Kaffee und unterhalten sich auf Englisch. Es werde viel verhandelt, aber man schließe auch vor Ort schon Verträge ab, sagt Ritter.
    "Es ist ein komprimierter Druckkessel, wo tatsächlich Filme eine Buzz bekommen können, wo sie auf einmal die Runde machen innerhalb der Einkäufer, ihr müsst euch unbedingt den Film ansehen."
    Nach seinem ersten Kundengespräch bleibt Thorsten Ritter nicht viel Zeit für ein Interview. Die Klienten kommen im Halbstundentakt. Aus Russland, Australien, Portugal, Japan. Mit jedem von ihnen führe er ein Expertengespräch, sagt Ritter. Ein Produzent könne den Verkauf seines Films nicht alleine stemmen.
    "Man muss natürlich die Verleiherprofile kennen, man muss wissen, wem man welche Filme anbieten kann, wo es gar nicht passt, wo man sich lächerlich macht, wenn man ihm mit der und der Art Kino kommt. Das heißt von Art-House bis zum kommerziellen Profil muss man seine Kontakte kennen. Das wird erwartet auch vom Markt, dass die Weltvertriebe präpariert sind und nicht einfach nur durch den Katalog gehen und alles in einem anbieten."
    Doch die Kinolandschaft habe sich in den vergangenen Jahren verändert, sagt Thorsten Ritter. Immer mehr Premieren werden online gezeigt und nicht mehr im Kino. Video-on-Demand heißt das Verfahren. Diesem Markt will sich der European Film Market aber nicht verschließen, sagt EFM-Geschäftsführer Matthijs Wouter Knol. Fernsehserien im Internet sind das neue Kino. Das Branchentreffen widmet ihnen darum zum ersten Mal einen zweitägigen Schwerpunkt. Der EFM sei sowieso immer auf der Suche nach neuen Märkten und neuen Kontakten, sagt Knol.
    "Es ist uns wichtig, auch eine stärkere Anbindung an Asien zu haben. Weil es seitens auch der europäischen Filmindustrie Interesse gibt und auch den Bedarf gibt einfach auch stärker mit China zusammenzuarbeiten. Wo wir eine Plattform bilden gemeinsam es europäischen Produzenten einfacher zu machen, sich gemeinsam mit chinesischen Produzenten zusammenzutun über Co-Produktionen zu reden."
    Für die internationale Filmindustrie ist der European Film Market in Berlin inzwischen eine der wichtigsten Plattformen.