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Berlinale-Sponsoring
Fördermittel versus Ideale?

Viele Unternehmen loben bei der Berlinale eigene Preise aus und veranstalten kleine Wettbewerbe. Doch wie viel Markenpräsenz verträgt eine Veranstaltung mit politischem Anspruch? Sponsoring-Leiterin Kathrin Schafroth hält sie für wichtig. Denn trotz der staatlichen Zuschüsse bleibe eine große Finanzierungslücke, sagte sie im DLF. Im Konkurrenzkampf der Filmfestivals brauche man hochdotierte Preise.

Kathrin Schafroth im Corsogespräch mit Sigrid Fischer | 08.02.2017
    Ein Plakat wirbt in einem beleuchteten Schaukasten am Abend Berlin für die bevorstehende Berlinale. Die Internationalen Filmfestspiele finden vom 09. bis 18.02.2016 statt. Der Dokumentarfilm "Könige der Welt" hat am 17.02. 2017 Premiere.
    Plakatwerbung für die Berlinale (picture- alliance / dpa / Soeren Stache)
    Sigrid Fischer: Unsere Fußballstadien heißen wie Versicherungen oder Biermarken, Konzertsäle tragen Namen von Elektronikkonzernen, ein deutsches Museumscafé ist nach einem griechischen Reeder benannt. Sport und vor allem Kultur ist ohne Sponsorin nicht mehr denkbar, seit die öffentliche Hand sich aus der Kulturförderung immer mehr zurückzieht. Auch ein großes Festival wie die Berlinale kommt nicht ohne aus - bei einem 24-Millionen-Euro-Budget, das nur zu einem knappen Drittel vom Bund gefördert wird. Kathrin Schafroth ist der - beziehungsweise die - Head of Sponsorship der Berlinale. Das heißt, sie macht die Deals mit den Sponsoren und Partnern des Festivals. Guten Tag nach Berlin, Frau Schafroth.
    Kathrin Schafroth: Hallo Frau Fischer, hallo.
    Fischer: Wie werde ich Partner oder Sponsor der Berlinale?
    Schafroth: Na, da gibt es unterschiedliche Wege. Es ist so, wir sind in der glücklichen Lage, dass wir natürlich als Plattform den Unternehmen durchaus bekannt sind. Wir kriegen viele Anfragen. Es ist jetzt nicht so, dass wir uns komplett alles aussuchen können. Aber es ist schon so, da sind Anfragen, bei denen wir sagen können, nee, das passt jetzt vielleicht nicht. Ein anderer Weg ist, dass wir Unternehmen auch anfragen, weil wir da irgendwie ein Match sehen, weil wir sagen, das ist ein Partner, ein Unternehmen, das würde gut zu uns passen. Und manchmal ist es auch über Eck, ein Unternehmen hat mit einem Partner von uns zu tun und sagt: Mensch, das was die da machen, finden wir toll und passt doch auch zu unserem Unternehmen. Und so gibt es unterschiedliche Wege.
    Kooperationspartner bieten dem Festival einen schönen Service
    Fischer: Ja. Was bekomme ich denn im Gegenzug als Sponsor? Kriege ich zum Beispiel Star-Kontakt garantiert?
    Schafroth: Das ist natürlich das, was alle gern haben möchten.
    Fischer: Für die Fotos.
    Schafroth: Ja, natürlich. Und da haben wir zwar großes Verständnis für, aber das sind Dinge, die können wir nicht versprechen. Wir haben natürlich keinen Zugriff auf unsere Gäste, in dem Sinne von: wir können jetzt nicht einfach über die verfügen. Das machen wir nicht. Sondern natürlich ist es so, wenn ein Partner einen schönen Service anbietet, der auch für unsere Gäste interessant ist, dann machen wir das möglich und dann entstehen auch genau solche Fotos.
    Fischer: Wie ist es denn mit den Stars und zum Beispiel diesem großen Sponsor, ein chinesischer Schmuckhersteller ist natürlich da, wie auf allen Filmfestivals, auch die französische Kosmetikfirma. Tragen die Stars dann deren Make-up oder deren Kollektion um den Hals auf dem Teppich? Vielleicht sogar per Vertrag? Kann so etwas zustande kommen?
    Schafroth: Also, jetzt per Vertrag, es geht immer um Services. Das ist auch das Erfolgsrezept der Berlinale im Endeffekt. Ich muss dazu sagen, wir machen das ja schon seit 16 Jahren, vorher gab es gar kein Sponsorship. Und das Erfolgsrezept ist, eben wirklich mit Unternehmen gemeinsam inhaltlich zu schaffen, was beiden Seiten wirklich auch zugutekommt. Dieser Make-up-Service, den Sie ansprechen, oder natürlich auch Schmuck. So und so viele Talents nehmen das dankbar an und sagen: Toll, ich habe ein superschönes Kleid, aber Schmuck fehlt mir noch.
    Fischer: Der wird dann geliehen für den Abend.
    Schafroth: Genau.
    Fischer: Praktisch.
    Schafroth: Und das ist natürlich super, weil das wirklich für beide Seiten einen Mehrwert darstellt.
    "Waffen, Pharma, Zigaretten - das passt einfach nicht zur Berlinale"
    Fischer: Ja. Jetzt frage ich mich: Gäbe es Sponsoren, bei denen Sie sagen, die passen aber nicht zur Berlinale?
    Schafroth: Naja, ich werde jetzt nicht Unternehmen nennen.
    Fischer: Nein, nein. Aber vielleicht von der Kategorie her.
    Schafroth: Natürlich gibt es Brachen, die wir kategorisch ausschließen, das ist klar. Also Waffen, Pharma, Zigaretten, das passt einfach nicht zur Berlinale. Und dann guckt man wirklich von Fall zu Fall - und nicht nur, können wir hinter dem stehen, was das Gegenüber macht, sondern natürlich auch: finden wir Schnittmengen?
    Fischer: Zum Beispiel die Autoflotte, natürlich, die braucht ja jedes Festival, mit denen die Gäste hin und her gefahren werden.
    Schafroth: Genau.
    Fischer: Gut, da haben Sie jetzt einen der vier Hauptsponsoren, der ganz groß in diesen Abgasskandal verwickelt ist, möglicherweise vielleicht hauptverantwortlich ist. Also: Der Leumund ist natürlich wichtig, aber den sucht man sich nicht immer aus, wenn dann plötzlich so etwas passiert. Oder wenn solche Meldungen aufkommen.
    Schafroth: Ja. Und ich meine, das ist ja jetzt auch in Vertragslaufzeit passiert. Ich möchte mich jetzt auch gar nicht ausführlich dazu äußern. Das steht mir auch nicht zu, weil das Thema ist: Wir haben eine großartige Partnerschaft mit Audi. Gerade Audi ist wahnsinnig aktiv, macht unfassbar viel. Nicht nur über die Fahrzeuge, die Sie angesprochen haben, aber eben auch mit der Audi Berlinale Lounge, die sie auf dem Marlene-Dietrich-Platz aufbauen. Und die sich mit dem Berlinale Open House Programm ans Publikum richtet. Die Fans haben da die Möglichkeit, an die Talents näher heran zu kommen und sich mit den spannenden Themen auseinanderzusetzen.
    Die Fankurve gibt es immer noch
    Fischer: Dieser Pavillon, den Sie da gerade ansprechen, ist mir als langjährige Festivalbesucherin zum Beispiel ein ganz großer Dorn im Auge. Der ist ja riesig und groß und direkt fett am roten Teppich und nimmt da den Fans, die da eigentlich immer auch stehen konnten, ganz viel Platz weg. Und die können nicht alle da rein, da bin ich mir sicher, weil da kommen wieder vorwiegend privilegierte Leute rein. Das ist so etwas, wo ich denke …
    Schafroth: Nee, Moment. Da muss ich ganz kurz einhaken. Denn das ist wirklich ein falscher Eindruck, der entsteht. Es ist so, dass wir natürlich nach wie vor die Fankurve haben, die ist uns auch ganz wichtig. Da haben wir auch, als wir dieses Gebäude 2014 zum ersten Mal hingestellt haben, genau hingeguckt: Ok, da fällt jetzt auch Platz weg in der großen Fankurve, da haben wir neue Fankurvenbereiche auch eingerichtet auf der anderen Seite der Zufahrt. Was man dazu sagen muss: Die Audi Berlinale Lounge ist ab 14 Uhr für das Publikum geöffnet. Man kann ins erste OG gehen, kann sich auf den Balkon stellen, hat noch einmal eine ganz andere Perspektive, ist aber auch geschützt - im Februar ist ja jetzt auch nicht unbedingt das perfekte Wetter.
    Fischer: Das klingt mir fast zu malerisch, Entschuldigung. Wenn ich da dran vorbei gehe, denke ich immer: Da finden Interviews statt, da findet eine eigene kleine Berlinale drin statt zu irgendwelchen Themen mit Promis, Promis, Promis, vor allen Dingen und so. Ich glaube, dass die Fans in der Menge, wie sie eigentlich am Teppich stehen würden, da nicht Platz finden, weil es ja nach Platzkontingent gehen muss. Kann ich jetzt aber nicht überprüfen.
    Schafroth: Joa, man hat immer die Kontingenz- bzw. diese Kapazitätsgrenzen. Die sind aber natürlich auch in der Fankurve da. Es passen eben nur so viele Leute rein, wie reinpassen. Man muss es wirklich als Ergänzung sehen für ein unfassbar vielfältiges Programm.
    "Es ist nicht so, dass die Partner eingreifen"
    Fischer: Ja, das zeigt natürlich, dass die Sponsoren und die Partner auch wirklich sehr eingreifen in Ihr Festival. Die loben ja zum Teil auch Preise aus, oder dann gibt es bei den Talents dieses Mal einen kleinen Wettbewerb von dem Kaffeehersteller und so weiter. Also das ist schon - wie soll man das nennen? Partizipation.
    Schafroth: Es ist nicht so, dass die Partner eingreifen, im Sinne von: Die drücken uns irgendetwas auf. Nein. Wir entwickeln das gemeinsam. Wenn Sie jetzt Preise ansprechen - das ist großartig, denn ein Festival braucht Preise. Ich meine, der Konkurrenzkampf zwischen den Festivals ist natürlich groß. Und wenn Filmemacher sehen, bei dem Festival xy kann ich einen hochdotierten Preis gewinnen mit meinem Erstlingsfilm, dann gehen die da hin. Und das ist etwas, was wir brauchen, was wir aber selber - aus uns heraus - nicht stemmen können und wofür wir dann eben sehr dankbar sind, wenn ein Partner sagt, wir möchten das gerne. Und wenn es passt.
    Fischer: Ja, genau. Was passt. Einen Spagat müssen Sie dennoch hin und wieder bewältigen, würde ich sagen. Einen Autohersteller haben wir schon angesprochen, dann gibt es noch diesen offiziellen Berlinale-Kaffee, der diese riesigen Aluminium-Müllberge produziert. Das muss man ja jetzt vielleicht nicht überbewerten, aber die Berlinale gibt sich immer einen sehr politischen Anspruch. Sie hat einen Leiter, der in Interviews über sinnloses Profitstreben redet. Also, diskutieren Sie so etwas? Das in Einklang zu bringen? Dass man noch glaubwürdig bleibt. Man muss ja gucken, dass das Ganze passt.
    Schafroth: Das diskutieren wir sehr intensiv.
    Fischer: Also auch mit der Programmabteilung, oder sind Sie da völlig frei?
    Schafroth: Nein, nein. Das diskutieren wir intensiv. Und natürlich hat Dieter Kosslick da immer das letzte Wort.
    Fischer: Okay.
    Schafroth: Und das wird auch intensiv diskutiert, und einvernehmlich sagt man, man geht den Weg oder man geht ihn eben auch nicht.
    Unterstützung für die Nachwuchsförderung
    Fischer: Sie haben eben gesagt, so lange gibt es dieses Sponsoring-Konzept noch gar nicht. Warum ist das überhaupt irgendwann nötig geworden? Weil das Budget der Berlinale auch immer weiter gewachsen ist?
    Schafroth: Ja, zum einen das. Und zum anderen ist es natürlich so, wir werden ja vom BKM sockelfinanziert, das ist sehr hilfreich, großartig. Aber gleichzeitig bleibt immer noch eine große Lücke, die wir eigenständig finanzieren müssen. Da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Ein ganz wichtiger Bereich sind eben diese Wirtschaftsunternehmen, mit denen wir kooperieren und die uns unser Budget entlasten. Und nicht nur das Budget entlasten, sondern uns auch vielfältig unterstützen, was die Nachwuchsförderung angeht oder das ganze Thema Digital Cinema, was wir jetzt noch gar nicht angesprochen haben. Und wo wir eine unfassbar großartige Infrastruktur gemeinsam mit verschiedenen Unternehmen angelegt haben, für diesen Übergang von 35 Millimeter hin zu fast komplett nur noch DCPs. Da haben wir mit unseren Digital Cinema Partnern eine sehr gute Infrastruktur angelegt, die auch für andere Festivals eine Vorbildfunktion hat. Wo sie die herkommen und sich das angucken und sagen, so hätten wir das eigentlich auch gerne.
    Fischer: Dass sehr häufig ZDF-produzierte Filme im Wettbewerb laufen, hat hoffentlich nichts damit zu tun, dass ZDF auch einer der vier Hauptsponsoren ist.
    Schafroth: Nein.
    Fischer: Ich denke mir das manchmal, wenn ich mir das Programm anschaue, weil das oft Filme sind, die eigentlich in einem A-Festival-Wettbewerb nicht unbedingt laufen sollten.
    Schafroth: Nein, und das ist ein ganz wichtiger Punkt. Denn das ist wirklich komplett unabhängig. Dass man jetzt gute Filme nicht ins Programm nimmt, nur weil ZDF produziert hat, das wär ja auch der falsche Weg.
    Youtube zeigt Berlinale-Filme
    Fischer: Dieses Jahr gibt es im Wettbewerb keinen, habe ich gesehen. Die Berlinale hat auch einen eigenen YouTube-Kanal. Zahlen die denn dafür, dass die Berlinale ihre Clips und Stars da postet und ihnen Klickzahlen verschafft?
    Schafroth: Also darüber möchte ich nicht sprechen, wer zahlt oder nicht zahlt.
    Fischer: Ich fürchte ja nicht, wollte ich nur sagen! Da sollten Sie dran arbeiten, ich glaube Geld genug ist da, bei denen.
    Schafroth: Ich nehme das mit als Anregung.
    Fischer: Bitte, unbedingt. Kathrin Schafroth, Head of Sponsorship der Berlinale über die Sponsoren und ihren Anteil am Festival. Hoffen wir, dass die Berlinale in Zukunft nicht irgendwann mal Audi-nale, VW-nale oder BMW-nale heißt. Vielen Dank.
    Schafroth: Nee. Danke, Ihnen auch. Tschüss. Ciao.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.