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Berlinale und #MeToo-Debatte
Ein zu zaghaftes Bekenntnis

Die Berlinale habe aktiv in die #MeToo-Debatte eingegriffen, indem sie schon vorab sortiert habe, wessen Filme im Festivalprogramm gezeigt werden, kommentiert Maja Ellmenreich. Dazu sollte sie aber auch stehen und nicht schweigen. Denn Schweigen sei ein Grundübel aller Skandale.

Von Maja Ellmenreich | 10.02.2018
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    Berlinale-Direktor Dieter Kosslick auf einer Pressekonferenz am 6. Februar 2018. (imago stock&people)
    Rums! Raus ist sie, die Neuigkeit vom #MeToo-Filter. Den hatten die Programmmacher der Berlinale offensichtlich eingeschaltet bei ihrer Filmauswahl dieses Jahr.
    Und – rums! – raus ist damit das große Berliner A-Festival aus dem Kreis derer, die sich die Finger nicht schmutzig machen wollen an der #MeToo-Debatte. Bei der Programmvorstellung am vergangenen Dienstag war man noch auf den nötigen Sicherheitsabstand bedacht gewesen: Das Thema sei natürlich beim Festival präsent, hieß es dort. Man biete ein Forum, wo Probleme gehört und Impulse angestoßen würden. So schwammig und unbeteiligt äußerte sich die offizielle Berlinale-Stimme; als sei sie eine außenstehende Instanz, die sich dem Thema nicht verschließen wolle, aber dann doch lieber auf Distanz bleibe.
    So ähnlich klang es auch, als Festivalchef Dieter Kosslick im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur von einem Beratungsangebot während der Berlinale sprach:
    "Und dann gibt es auch noch so eine Hotline. Wenn sich jemand nicht gut fühlt, Mann oder Frau, dann kann man da hingehen und sagen: Pass mal auf, dieses ist passiert – und wir möchten, dass Ihr dem nachgeht!"
    Etwas unglücklich formuliert, dieses Hilfsangebot. Aber sei’s drum!
    Schwerwiegender ist doch die Tatsache, dass unerwähnt blieb, wie grundlegend die Berlinale bereits eingreift in die #MeToo-Debatte, indem sie – wie Aschenputtel – fein säuberlich sortiert, wer bei ihnen ins Töpfchen und wer ins Kröpfchen kommt. Oder anders formuliert: Wessen Verfehlungen dazu führen, nicht mehr in der Berlinale-Gunst zu stehen.
    Darüber lässt sich freilich streiten - das zeigen die endlosen Feuilletondiskussionen in diesen Wochen: Wie soll man umgehen mit dem Werk eines Künstlers, der Gewalt ausgeübt hat?
    Akteure und keine Zaungäste
    Doch das ist nicht der Punkt hier. Vielmehr geht es darum, dass sich die Festivals nicht als neutrale Gastgeber zeigen dürfen, die jeden auf den Roten Teppich lassen und stets und ständig gute Miene zum bösen Spiel machen. Nein, Festivals – nicht zuletzt auch die in Cannes und in Venedig – sind Akteure im Filmzirkus und keine Zaungäste. Kuratieren heißt schließlich Entscheidungen treffen. Und wer die Entscheidung trifft "Gewalttätige Filmemacher haben in unserem Programm nichts zu suchen!", der soll das gefälligst auch laut und deutlich sagen.
    Natürlich passen solche Urteile nicht zum Image von "Everybody’s Darling", dem die Festivalchefs dieser Filmwelt so gerne entsprechen. Nach dem Motto: Küsschen rechts, Küsschen links. Mit jedem gut können.
    Doch den Opfern der Weinstein & Co-Übergriffe ist nicht geholfen, wenn sich die viel beachteten Festivals winden und höchstens zu lauwarmen Bekenntnissen hinreißen lassen. Wie etwa die Chefs von Cannes, die sich wohl gezwungen sahen, sich zum Weinstein-Skandal zu äußern. Schließlich war er lange Zeit ihr gern gesehener Dauergast.
    Also: Wer Schlüsse zieht aus der #MeToo-Debatte und Konsequenzen folgen lässt – so wie offensichtlich jetzt Dieter Kosslick und sein Team – der sollte dazu stehen und nicht schweigen. Denn das Schweigen, da sind sich doch wohl fast alle einig, ist ein Grundübel all der Skandale.