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Berliner Blau
Farbpigment weist den Weg zu neuartigen Akkus

Das Berliner Blau gehört zu den frühesten synthetischen Farbpigmenten. Die Substanz findet sich zum Beispiel in Medikamenten, die bei einer Vergiftung mit radioaktivem Cäsium verabreicht werden. Denn Berliner Blau saugt Cäsiumsalze auf wie ein Schwamm. Von dieser Eigenschaft haben sich Chemiker zu einer Batterie inspirieren lassen.

Von Arndt Reuning | 01.06.2015
    Es ist bloß eine kleine Batterie, die Fabio La Mantia und seine Mitarbeiter an der Ruhr-Universität Bochum entworfen haben. Im Blick haben die Forscher jedoch eine große Anwendung, für die viele solcher Zellen zusammen geschaltet werden müssen.
    "Wir möchten Energie aus erneuerbaren Quellen speichern, aus Wind und Sonne etwa. Wenn diese Quellen im Überfluss zur Verfügung stehen, speisen wir den Strom in unsere Batterie ein. Falls dann die Leistung wegen Wolken oder einer Flaute einbricht, kann unsere Zelle das kompensieren - indem sie die Energie an das Stromnetz zurückgibt. Wir denken dabei an Systeme, die einzelne Haushalte versorgen oder auch große Einheiten wie beispielsweise Industrieanlagen."
    Dafür haben die Chemiker aus Bochum eine wiederaufladbare Zink-Ionen-Batterie konstruiert. Bei ihr taucht am negativen Pol eine Zinkfolie in ein Gefäß mit Wasser, in dem etwas Zinksulfat aufgelöst wurde, also ein Salz des Metalls. Als Energiespeicher zur Stabilisierung von Stromnetzen eignet sich dieser Akkumulator besonders gut wegen einer ganz speziellen Eigenschaft.
    "Er lässt sich sehr schnell laden und entladen: 80 Prozent seiner Speicherkapazität in sechs Minuten - ohne die Stabilität der Zelle zu beeinträchtigen, wenn der Ladestrom schwankt. Das bedeutet, die Batterie kann sich sehr schnell an Veränderungen im Stromnetz anpassen."
    Entscheidend dafür ist nicht das Zink, sondern das Material am positiven Pol: Seine Zusammensetzung und sein innerer Aufbau ähneln dem eisenhaltigen Farbpigment Berliner Blau. Das Material in der Batterie enthält neben Eisen jedoch auch einen gewissen Teil Kupfer. Und wie Berliner Blau verfügt es über die Fähigkeit, bestimmte Salze in sich aufzunehmen und zu speichern, zum Beispiel Cäsium-, Natrium- und Kaliumverbindungen.
    "Das geschieht üblicherweise sehr schnell. Unsere Kupferverbindung kann positiv geladene Ionen aus der Lösung heraus fischen. In diesem Fall funktioniert das nicht nur mit Natrium und Kalium, sondern eben auch mit Zink. Uns hat es verwundert, wie schnell dieser Prozess abläuft. Und nicht nur das, er kann auch in die andere Richtung zurücklaufen."
    Beim Laden des Akkus wandern die Zink-Ionen vom negativen Pol zur positiven Elektrode. Dort werden sie in Windeseile von dem Elektrodenmaterial aufgesogen, was den gesamten Prozess beschleunigt. Beim Entladen kehrt sich dieser Vorgang einfach um. Und nicht nur wegen seiner hohen Ladegeschwindigkeit könnte dieser Batterietyp den etablierten Bleiakkumulatoren Konkurrenz machen, die heutzutage noch oft als stationärer Stromspeicher verwendet werden.
    "Die Materialien in unserer Batterie sind ungiftig - sie belasten weder die Umwelt noch die menschliche Gesundheit. Blei-Akkumulatoren enthalten neben dem Schwermetall auch konzentrierte Schwefelsäure. In unserer Zelle befindet sich eine Zinksulfatlösung bei pH 6; die ist also nur ganz schwach sauer. Sollte es also Probleme geben mit der Batterieanlage oder gar einen Unfall, dann dürften sich die Folgen für die Umwelt in Grenzen halten."