Die zwölf Preisträgerinnen und Preisträger 2014 treffen sich im Juni in Berlin, um dort gemeinsam an Schreibwerkstätten, Performance-Workshops und Sprechtrainings teilzunehmen. Unter anderem bieten die Lyriker Uljana Wolf und Norbert Hummelt für sie eine Schreibwerkstatt im Literarischen Colloquium Berlin an. Am 19. Juni findet für die Preisträger ab 14.00 Uhr eine Preisverleihung in der Gedenkstätte Berliner Mauer statt. Einen Tag später stellen sie ihre Texte ab 19.00 Uhr im Rahmen einer Lesung im Sputnik-Kino in Kreuzberg vor.
Wir bedanken uns sehr herzlich bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der letzten Wettbewerbsrunde. Wir freuen uns über jedes einzelne Gedicht, das ihr einsendet und sind immer wieder von neuem beeindruckt, wie ihr unsere Leitmotive umsetzt.
Ein ganz besonderer Dank geht an dieser Stelle auch an unsere »lyrix«-Jury 2014, die sich zusammensetzt aus: Der Autorin und Verlegerin Daniela Seel, der Geschäftsführerin des Deutschen Museumsbundes, Anja Schaluschke, dem Lyriker Norbert Hummelt, Claudius Nießen für das Deutsche Literaturinstitut Leipzig, Malte Blümke für den Deutschen Philologenverband sowie Christian Sülz für den Deutschlandfunk.
Der Bundeswettbewerb »lyrix« wurde 2008 vom Deutschlandfunk und dem Deutschen Philologenverband ins Leben gerufen. Seit 2012 kooperiert »lyrix« mit dem Deutschen Museumsbund. Inspirationsquelle und thematische Vorgabe für die monatlichen Leitmotivrunden sind Exponate aus den kooperierenden Museen sowie thematisch korrespondierende, zeitgenössische Gedichte. Gefördert wird der Wettbewerb vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Die »lyrix«-Preisträger 2014 in alphabetischer Reihenfolge:
o.T.
Zauberzeug – ein kleiner Zauberspruch für Alltagsglück –
kleine Flöckchen
tanzen durch den Raum
prasseln aus dem Streuer
entzünden einen Traum
zip zap Zaubermut
fip fap Feuerglut
weißes Gold, du tust so gut!
die Körnchen fallen auf mein Ei
zaubern den Geschmack herbei!
der Einzug
ins neue Haus wird begangen
Glückwünsche und Trinksprüche
sollen die Besitzer erlangen
zip zap Zaubermut
fip fap Feuerglut
weißes Gold, du tust so gut!
weiße Magie vertreibt die bösen Geister
Brot und Salz sind ihre Meister!
viele Facetten
geordnet nach Norm
bewundert den Schein,
die Spiegelung, die Form
zip zap Zaubermut
fip fap Feuerglut
weißes Gold, du tust so gut!
die Gestalt der Kristalle
ergötzen und alle!
der Raum
im Ozean der Welt
in der unbekannten Tiefe
für uns Rätsel offenhält
zip zap Zaubermut
fip fap Feuerglut
weißes Gold, du tust so gut!
schenkst uns Leben, unbekannte Wesen
lass uns von Meerestieren lesen!
Salz
in der Suppe des Lebens
wir genießen die Würze
den Glanz und das Glück
zip zap Zaubermut
fip fap Feuerglut
weißes Gold, du tust so gut!
zip zap Zaubermut
fip fap Feuerglut
weißes Gold, du tust so gut!
kleine Flöckchen
tanzen durch den Raum
prasseln aus dem Streuer
entzünden einen Traum
zip zap Zaubermut
fip fap Feuerglut
weißes Gold, du tust so gut!
die Körnchen fallen auf mein Ei
zaubern den Geschmack herbei!
der Einzug
ins neue Haus wird begangen
Glückwünsche und Trinksprüche
sollen die Besitzer erlangen
zip zap Zaubermut
fip fap Feuerglut
weißes Gold, du tust so gut!
weiße Magie vertreibt die bösen Geister
Brot und Salz sind ihre Meister!
viele Facetten
geordnet nach Norm
bewundert den Schein,
die Spiegelung, die Form
zip zap Zaubermut
fip fap Feuerglut
weißes Gold, du tust so gut!
die Gestalt der Kristalle
ergötzen und alle!
der Raum
im Ozean der Welt
in der unbekannten Tiefe
für uns Rätsel offenhält
zip zap Zaubermut
fip fap Feuerglut
weißes Gold, du tust so gut!
schenkst uns Leben, unbekannte Wesen
lass uns von Meerestieren lesen!
Salz
in der Suppe des Lebens
wir genießen die Würze
den Glanz und das Glück
zip zap Zaubermut
fip fap Feuerglut
weißes Gold, du tust so gut!
zip zap Zaubermut
fip fap Feuerglut
weißes Gold, du tust so gut!
(Tom Bussemas aus Bielefeld, Jahrgang 2002, Gedicht zum Monatsthema Salz – Weißes Gold)
Paris
Wir ziehen viele Meter
unter der Erde hin,
ich frage nicht nach morgen
ich frag nicht
wer ich bin.
Ich sehe mich im Spiegel
des schwarz-hellblauen Lichts,
und weiß ich, all mein Schaudern,
all das bedeutet nichts.
unter der Erde hin,
ich frage nicht nach morgen
ich frag nicht
wer ich bin.
Ich sehe mich im Spiegel
des schwarz-hellblauen Lichts,
und weiß ich, all mein Schaudern,
all das bedeutet nichts.
Denn hunderte von Metern
und über mir die Stadt,
bin ich frei von allem,
was je zerstört mich hat.
Ich höre
die Sirenen
betörend, fern und nah,
ich weiß nicht mehr
wer bin ich?
Ich weiß nicht
wer ich war.
Und ich koste eine Freiheit
die mich längst ergriffen hat
sie zerfließt in meinem Mund
und
ich trink' mich niemals satt.
bin ich frei von allem,
was je zerstört mich hat.
Ich höre
die Sirenen
betörend, fern und nah,
ich weiß nicht mehr
wer bin ich?
Ich weiß nicht
wer ich war.
Und ich koste eine Freiheit
die mich längst ergriffen hat
sie zerfließt in meinem Mund
und
ich trink' mich niemals satt.
Wir ziehen im Tiefdunkeln,
rasch unter ihr dahin,
ich frage nicht nach heute
frag' nicht mal, wer ich bin.
Denn ich fiel so lang
so frei,
sie fängt mich auf
die Stadt,
die Schönste aller Damen,
die mich heut' gerettet hat.
rasch unter ihr dahin,
ich frage nicht nach heute
frag' nicht mal, wer ich bin.
Denn ich fiel so lang
so frei,
sie fängt mich auf
die Stadt,
die Schönste aller Damen,
die mich heut' gerettet hat.
(Julia Fourate aus Nordhofen, Jahrgang 1994, Gedicht zum Monatsthema LOSREI(S)SEN)
o.T.
Gestern knüpften wir doch noch Gänseblümchen in Reihen mit Stolz asymmetrisch. Hältst du mal bitte kurz – nur ganz kurz an den Takt das Pendel das Klavierdings. Ich weiß doch auch nicht was das ist was? Da ist. Fahr mal kurz ein bisschen runter kommen zu mir. Ich kann das doch nicht wissen wie das geht mit dem sein wie man ist wenn man siebzehn ist und alleine am Bahnhof oder so ich weiß doch auch nicht. Wie man sich verhält wenn alle davon reden wie sie sich auf die Reise freuen und ich nicht einmal mehr weiß wo ich noch mal hinfahren wollte ich wo hinfahren? Ich weiß doch auch nicht wie das geht das denn? Gestern knüpften wir doch noch Gänseblümchen. Barfuss. Das kann ich doch inzwischen. Hältst du mal bitte kurz – wir können doch nicht schon wieder weiter. Das kann ich doch inzwischen. Indianerehrenwort. Wollten immer wo hin wollten wir? Irgendwo aber doch nicht jetzt schon nicht jetzt doch nicht jetzt schon. Das ist doch absurd!
Gestern knüpften wir doch noch Gänseblümchen. Wir wollten doch nie Zug fahren.
(Johanna Fugmann aus Memmelsdorf, Jahrgang 1997, Gedicht zum Monatsthema In die Fremde)
ich reise
doch
(Hannover): packen, sortieren, bangen
im Kopfe schon lange fort
das Wehen der Ferne summt wohlig
ach, das Gefühl eines nassen,
flüchtenden Fisches in der zappelnden Menge
das treibt mich
(Hannover): packen, sortieren, bangen
im Kopfe schon lange fort
das Wehen der Ferne summt wohlig
ach, das Gefühl eines nassen,
flüchtenden Fisches in der zappelnden Menge
das treibt mich
derweil
(Hamm): ich atme, lache, erwarte
es sitzen die anderen dort, jeder allein
ihre Hände beim Denken drehen das Haar
seine umklammern die schmale Silhouette
die ein angebissener Apfel ziert
dort spielt sein Leben
ich jedoch breche auf
meine trockene Nase an der feuchten Scheibe
(Hamm): ich atme, lache, erwarte
es sitzen die anderen dort, jeder allein
ihre Hände beim Denken drehen das Haar
seine umklammern die schmale Silhouette
die ein angebissener Apfel ziert
dort spielt sein Leben
ich jedoch breche auf
meine trockene Nase an der feuchten Scheibe
einen Augenblick
(Düsseldorf): ganz fest, ganz kurz, wir harren aus
pechschwarze Netze vor dem blauen Himmel
hinter dem Glas eine rauschende Grüne
es tut fast weh
das sie entgleitet
ich lausche ihrem rasenden Rattern
(Düsseldorf): ganz fest, ganz kurz, wir harren aus
pechschwarze Netze vor dem blauen Himmel
hinter dem Glas eine rauschende Grüne
es tut fast weh
das sie entgleitet
ich lausche ihrem rasenden Rattern
viele Stunden lang
bald
(irgendwo:) frierend, müde, fast verloren
es schwindet auch das Licht
ein höhnendes Flackern in den Fenstern
die Sitze sind alt und gar faltig
vorbei rast an mir die Süße des Ungewissen
ich atme sie ein, mehr nicht
(irgendwo:) frierend, müde, fast verloren
es schwindet auch das Licht
ein höhnendes Flackern in den Fenstern
die Sitze sind alt und gar faltig
vorbei rast an mir die Süße des Ungewissen
ich atme sie ein, mehr nicht
dann:
(Köln:) Menschenmengen, verschwommene Gesichter, bald vergessen
es reisst an mir eine leise Ahnung
immer weiter,
zu langen Treppen, zu fremden Gesichtern
ich bin daheim
mein Wesen, ein taumelnder Passagier in einem Fass
keine Rast, bodenlos der Halt
(Köln:) Menschenmengen, verschwommene Gesichter, bald vergessen
es reisst an mir eine leise Ahnung
immer weiter,
zu langen Treppen, zu fremden Gesichtern
ich bin daheim
mein Wesen, ein taumelnder Passagier in einem Fass
keine Rast, bodenlos der Halt
(Laura Irmer aus Holle, Jahrgang 1996, Gedicht zum Monatsthema LOSREI(S)SEN)
Toleranz
Sie läuft durch die sonnigen Straßen,
spürt die Blicke in ihrem Nacken.
Die Blumen trägt sie in ihrem Arm,
sie müsste sich nur umdrehen.
Einfach.
spürt die Blicke in ihrem Nacken.
Die Blumen trägt sie in ihrem Arm,
sie müsste sich nur umdrehen.
Einfach.
Die Sonnenstrahlen wärmen ihre Haut,
Männerblicke streicheln ihre Beine,
lange, nackte Beine und ein Rock.
Sie könnte jeden haben.
Einfach.
Männerblicke streicheln ihre Beine,
lange, nackte Beine und ein Rock.
Sie könnte jeden haben.
Einfach.
Sie spürt immer noch die Arme,
fühlt die Wärme um ihre Hüfte.
Sie lagen den ganzen Tag da,
sahen sich nur verliebt an.
Einfach.
fühlt die Wärme um ihre Hüfte.
Sie lagen den ganzen Tag da,
sahen sich nur verliebt an.
Einfach.
Sie kommt an einen reißenden Fluss,
hört das Rauschen von Weitem.
Mit Sehnsucht denkt sie an die Geliebte, dann steigt sie auf die
Reling und springt.
Einfach.
hört das Rauschen von Weitem.
Mit Sehnsucht denkt sie an die Geliebte, dann steigt sie auf die
Reling und springt.
Einfach.
(Tabea Lechner aus Kirchheim, Jahrgang 1997, Gedicht zum Monatsthema Partnerschaft)
Waschung
was weinst du, johanna?
du weinst krank im sarg
ich hasse die liebe, die das vermag
du weinst krank im sarg
ich hasse die liebe, die das vermag
ich will dich benutzen
ich will mich verkanten
betrunken von säure
von schmerz und von sommer
ich will mich verkanten
betrunken von säure
von schmerz und von sommer
der asphalt ist viskos ich
sinke zu den knöcheln die
häuser schimmeln die
katzen hecheln
sinke zu den knöcheln die
häuser schimmeln die
katzen hecheln
dein wind ist so lau
deine augen sind rau
dein nacken ist blass
kalt wärmt mich der hass
deine augen sind rau
dein nacken ist blass
kalt wärmt mich der hass
was tanzt du, johanna?
du tanzt krank im grab
ich liebe den hass, der das vermag
du tanzt krank im grab
ich liebe den hass, der das vermag
will noch mehr fressen
dann sämig ertrinken
will tauchen in schleimhaut
deinen schweiß
dann sämig ertrinken
will tauchen in schleimhaut
deinen schweiß
mich an ihm besaufen
nackt und kalt dich verzehren
im wald, ich will laufen, laufen
dir lächelnd ein totes kind gebären
nackt und kalt dich verzehren
im wald, ich will laufen, laufen
dir lächelnd ein totes kind gebären
(Elias Peschke aus Bad Dürkheim, Jahrgang 1995, Gedicht zum Monatsthema Partnerschaft)
Feldarzt bei der Zigarettenpause (1915)
Blutrot, was das klebte
Am schwarzen Kragen.
Die Nacht, die webte
ein Tuch über lautes, stilles Jammerklagen.
Am schwarzen Kragen.
Die Nacht, die webte
ein Tuch über lautes, stilles Jammerklagen.
Ein roter Strich gesetzt,
Orthogonal dazu ein zweiter.
Der Blick nachdenklich und gehetzt.
Wie lebt man weiter?
Orthogonal dazu ein zweiter.
Der Blick nachdenklich und gehetzt.
Wie lebt man weiter?
Zitternder Hand hält man den glimmenden Stiel
um zu vergessen den Albtraum, den man gesehen.
Blutend und lebend und sterbend und schreiend
ein Fetzen Körper- es fielen viel zu viel.
Hass auf die andern, Hass auf die eignen. Dem gestorbenen Freund nachweinend.
Wie soll es weitergehen?
um zu vergessen den Albtraum, den man gesehen.
Blutend und lebend und sterbend und schreiend
ein Fetzen Körper- es fielen viel zu viel.
Hass auf die andern, Hass auf die eignen. Dem gestorbenen Freund nachweinend.
Wie soll es weitergehen?
Wie geht es weiter? Was ist geblieben
von der altbekannten Welt?
In Erinnerungen gefangen das alte, im Spiegel unerkannt geblieben
das eigene Selbst.
von der altbekannten Welt?
In Erinnerungen gefangen das alte, im Spiegel unerkannt geblieben
das eigene Selbst.
Unverändert die schwarze Nacht.
Zum Himmel ein letzter Blick.
Stöhnen und Klagen halten Wacht.
Zum Himmel ein letzter Blick.
Stöhnen und Klagen halten Wacht.
Morgen wird es wieder so sein,
Schweigend ins Zelt zurück-
hoffnungslos und allein.
Schweigend ins Zelt zurück-
hoffnungslos und allein.
(Marie Julie Rahenbrock aus Wietmarschen, Jahrgang 1998, Gedicht zum Monatsthema Krieg und Frieden)
Schmutziggrau
und glitzern und funkeln und feiner kristall:
das salz deiner tränen hat seinen geschmack verloren
konserviert nicht länger mein mitleid dies sind
ionisierte gefühle in symmetrischen gittern
welches wasser welches licht hat uns geboren
metall und nichtmetall teilchen mit konträrer
ladung dass wir uns so untrennbar anziehen und
träumst du noch manchmal vom meer
jetzt eine träne die von deiner haut auf
meinen finger läuft wird mich nicht halten von jedem
weiteren kuss bleibt auf meinen lippen salz
das salz deiner tränen hat seinen geschmack verloren
konserviert nicht länger mein mitleid dies sind
ionisierte gefühle in symmetrischen gittern
welches wasser welches licht hat uns geboren
metall und nichtmetall teilchen mit konträrer
ladung dass wir uns so untrennbar anziehen und
träumst du noch manchmal vom meer
jetzt eine träne die von deiner haut auf
meinen finger läuft wird mich nicht halten von jedem
weiteren kuss bleibt auf meinen lippen salz
(Ansgar Riedißer aus Renningen, Jahrgang 1998, Gedicht zum Monatsthema Salz – Weißes Gold)
fotosynthese
zähne verbeißen sich in wolkenfabriken
genmanipulierte fingerspitzen spritzen
besseres blut gott weiß nicht mehr
was er tut er mischt mehr farben
wir wollen auf schnelleren wellen
reiten brechen höchstgeschwindig-
keiten wollen rattern wollen rollen
es blitzt
erinnerungsfotos entwickeln
bei dm dauert es zu lange
an der kasse
ruft jemand:
„nimm dir noch atem
nach hause!"
aber du wohnst nicht mehr
genmanipulierte fingerspitzen spritzen
besseres blut gott weiß nicht mehr
was er tut er mischt mehr farben
wir wollen auf schnelleren wellen
reiten brechen höchstgeschwindig-
keiten wollen rattern wollen rollen
es blitzt
erinnerungsfotos entwickeln
bei dm dauert es zu lange
an der kasse
ruft jemand:
„nimm dir noch atem
nach hause!"
aber du wohnst nicht mehr
(Benita Salomon aus Schriesheim, Jahrgang 1993, Gedicht zum Monatsthema Gottesteilchen)
Fifth Season Symphony (Frankfurt)
Araber falten Nachtleichen auseinander, verteilen Zigaretten und Feuer
Halbnackte Morgengraubären verhaspeln sich zu blecherner Laternenmusik
Die Frauen kommen wieder.
Nackte Zehen eines gebrochenen Fußes kleben auf dem Gehweg, seine Augen suchen auf der Straße den in Sirenen Verschwundenen
Durch Wände denkend riecht man vorbezahltes gestocktes Sperma, Englisch Breakfast, gekaufte Lust zum Freundschaftspreis
Ringelnde Wasserspeier fressen als Nattern der Gosse die Nachgeburten des Glücks vom Pflaster
Am Himmel spiegelt sich eisiges Entsetzen, die Scheuklappen zum Polarsommer gebeugt
Wenn nackte Ärsche Photosynthese betreiben könnten, hier stünde ein weißrussischer Birkenwald
aber neben die pentatonische Gottesanbeterin gesellt sich die Spinne zum heiligen Kreuz, der Halbmond ist aus Scham verschwunden
Oh, ihr Junkies seid die Unruh unserer Kindlichkeit, kreisende Träumer um unerforschte Lava, wenn ihr den Sud in die Straßen treibt und die Fliesen
vor denen Eros sonnbrillenbeschirmt Erdhummeln Schutz bietet
zum Gestirn verschwimmen
Badet in euren fixen Quellen und bellt mit euren Seeadlerpupillen den Lachsen entgegen
Eisbrecher im Polarmeer.
Der süchtige Blick nach Begattung
bezahlt die morgendliche Bestattung
Halbnackte Morgengraubären verhaspeln sich zu blecherner Laternenmusik
Die Frauen kommen wieder.
Nackte Zehen eines gebrochenen Fußes kleben auf dem Gehweg, seine Augen suchen auf der Straße den in Sirenen Verschwundenen
Durch Wände denkend riecht man vorbezahltes gestocktes Sperma, Englisch Breakfast, gekaufte Lust zum Freundschaftspreis
Ringelnde Wasserspeier fressen als Nattern der Gosse die Nachgeburten des Glücks vom Pflaster
Am Himmel spiegelt sich eisiges Entsetzen, die Scheuklappen zum Polarsommer gebeugt
Wenn nackte Ärsche Photosynthese betreiben könnten, hier stünde ein weißrussischer Birkenwald
aber neben die pentatonische Gottesanbeterin gesellt sich die Spinne zum heiligen Kreuz, der Halbmond ist aus Scham verschwunden
Oh, ihr Junkies seid die Unruh unserer Kindlichkeit, kreisende Träumer um unerforschte Lava, wenn ihr den Sud in die Straßen treibt und die Fliesen
vor denen Eros sonnbrillenbeschirmt Erdhummeln Schutz bietet
zum Gestirn verschwimmen
Badet in euren fixen Quellen und bellt mit euren Seeadlerpupillen den Lachsen entgegen
Eisbrecher im Polarmeer.
Der süchtige Blick nach Begattung
bezahlt die morgendliche Bestattung
(Moritz Schlenstedt aus Dresden, Jahrgang 1996, Gedicht zum Monatsthema LOSREI(S)SEN)
Wrigley's Extra
Und jetzt hocke ich hier
nichts zu essen nichts zu schreiben
keine Ahnung wo ich schlafen soll
in einer fremden großen Stadt
einer Stadt die niemals schläft
nichts zu essen nichts zu schreiben
keine Ahnung wo ich schlafen soll
in einer fremden großen Stadt
einer Stadt die niemals schläft
Ich wollte keine Abenteuer ich wollte einfach weg
verlassen verdrängen vergessen
aber das geht nicht denn auch der Lärm des Verkehrs
kann meine Gedanken nicht übertönen
verlassen verdrängen vergessen
aber das geht nicht denn auch der Lärm des Verkehrs
kann meine Gedanken nicht übertönen
Alles ist fremd die Menschen die Straßen die ganze Stadt
Der Kanal ist auch fremd fremd und hässlich
aber er hat ein Bett auch wenn es einbetoniert ist
ich habe nichts außer dem Kaugummipapier in meiner Hosentasche
und einem Bleistiftstummel
Der Kanal ist auch fremd fremd und hässlich
aber er hat ein Bett auch wenn es einbetoniert ist
ich habe nichts außer dem Kaugummipapier in meiner Hosentasche
und einem Bleistiftstummel
Ich bin ein Robinson verloren und verlassen
zwischen Lichtermeer und Wolkenkratzern und jeder Menge Werbung
und ich bin allein und ein Staubkorn in dieser Stadt
die eine Welt für sich ist
zwischen Lichtermeer und Wolkenkratzern und jeder Menge Werbung
und ich bin allein und ein Staubkorn in dieser Stadt
die eine Welt für sich ist
Ich schreibe einige Worte auf das Papierchen
dann stecke ich es in eine leere Flasche
die hier so trostlos rumliegt wie ich
mache den Deckel drauf und werfe sie in den Kanal
dann stecke ich es in eine leere Flasche
die hier so trostlos rumliegt wie ich
mache den Deckel drauf und werfe sie in den Kanal
Gestern bin ich abgehauen da war Mittwoch
Heute bin ich hier gestrandet und es ist Donnerstag
Morgen kommt Freitag.
Heute bin ich hier gestrandet und es ist Donnerstag
Morgen kommt Freitag.
(Magdalena Wejwer aus Umkirch, Jahrgang 1997, Gedicht zum Monatsthema LOSREI(S)SEN)
wenn mir der zufall zufällt
früher
hatte ich angst,
dass ausgerechnet mir
der zufall zufällt.
angst, dass das schicksal mächtiger ist
als selbstbestimmung.
früher
hatte ich angst,
nach ständigem hin und her
und auf- und abwägen
doch keine entscheidung zu treffen
und eine münze zu werfen.
ich hatte angst vor dem ja und angst vor dem nein und
angst vor einer entscheidung, die aus
zufall
gefällt wurde. ich wollte
einen würfel nur mit sechsern entwerfen und
die lotterie des lebens überlisten, ich wollte
fortuna
auf meine seite ziehen, damit
ich nicht des zufalls wegen fiel, ich wollte
vor einer reise zwanzig versicherungen abschließen und
nach einem plan tausend risiken abwägen, ich wollte
vor potenziell aus dem obergeschoss fallenden blumentöpfen und
vor bananenschalen auf den pflastersteinen
gewarnt sein. ich habe die wettervorhersage zwanzig tage im voraus
auswendig gelernt und
den busfahrplan in mein gedächtnis eingebrannt, ich habe
die unternehmungen meiner freunde überwacht, denn so konnte ich sagen:
heey, was für kein zufall, dass wir uns hier sehen, denn ich wusste, du würdest kommen.
früher
habe ich alles versucht, um der willkür des schicksals zu entgehen.
und doch -
irgendwann -
habe ich gemerkt, dass ich übertreibe. gemerkt,
dass tyche niemals schläft, dass
der wetterfrosch auch nur ein tier
und dass irren menschlich ist.
irgendwann habe ich gemerkt,
dass man das leben doch nicht
hundert jahre im voraus planen kann
und die fügungen des schicksals auch positiv sein können.
und heute
heute
habe ich keine angst,
dass mir der zufall zufällt.
heute freue ich mich, unvorhergesehen freunde zu treffen und
entscheidungen in dem moment zu fällen, in dem ich die münze werfe.
heute
ne hme ich mein leben in die hand und
wenn das leben doch aus zufall besteht, dann
nehme ich eben den zufall in die hand.
zwar
kann mir heute immer noch ein blumentopf auf den kopf fallen.
aber ich habe keine angst mehr, sondern
überliste den zufall,
indem ich für den fall der fälle
immer einen helm trage.
hatte ich angst,
dass ausgerechnet mir
der zufall zufällt.
angst, dass das schicksal mächtiger ist
als selbstbestimmung.
früher
hatte ich angst,
nach ständigem hin und her
und auf- und abwägen
doch keine entscheidung zu treffen
und eine münze zu werfen.
ich hatte angst vor dem ja und angst vor dem nein und
angst vor einer entscheidung, die aus
zufall
gefällt wurde. ich wollte
einen würfel nur mit sechsern entwerfen und
die lotterie des lebens überlisten, ich wollte
fortuna
auf meine seite ziehen, damit
ich nicht des zufalls wegen fiel, ich wollte
vor einer reise zwanzig versicherungen abschließen und
nach einem plan tausend risiken abwägen, ich wollte
vor potenziell aus dem obergeschoss fallenden blumentöpfen und
vor bananenschalen auf den pflastersteinen
gewarnt sein. ich habe die wettervorhersage zwanzig tage im voraus
auswendig gelernt und
den busfahrplan in mein gedächtnis eingebrannt, ich habe
die unternehmungen meiner freunde überwacht, denn so konnte ich sagen:
heey, was für kein zufall, dass wir uns hier sehen, denn ich wusste, du würdest kommen.
früher
habe ich alles versucht, um der willkür des schicksals zu entgehen.
und doch -
irgendwann -
habe ich gemerkt, dass ich übertreibe. gemerkt,
dass tyche niemals schläft, dass
der wetterfrosch auch nur ein tier
und dass irren menschlich ist.
irgendwann habe ich gemerkt,
dass man das leben doch nicht
hundert jahre im voraus planen kann
und die fügungen des schicksals auch positiv sein können.
und heute
heute
habe ich keine angst,
dass mir der zufall zufällt.
heute freue ich mich, unvorhergesehen freunde zu treffen und
entscheidungen in dem moment zu fällen, in dem ich die münze werfe.
heute
ne hme ich mein leben in die hand und
wenn das leben doch aus zufall besteht, dann
nehme ich eben den zufall in die hand.
zwar
kann mir heute immer noch ein blumentopf auf den kopf fallen.
aber ich habe keine angst mehr, sondern
überliste den zufall,
indem ich für den fall der fälle
immer einen helm trage.
(Jing Wu aus Dortmund, Jahrgang 1995, Gedicht zum Monatsthema Zufall)