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Berliner Philharmoniker
Mozart zum Download

Sie sind nach wie vor das sinfonische Flaggschiff in Deutschland: die Berliner Philharmoniker. Und sie basteln kräftig an der Zukunft, auch was die orchester-eigene Vermarktung betrifft. Ihren Konzert-Mitschnitt der drei letzten Sinfonien von Wolfgang Amadeus Mozart gibt es jetzt als Download.

Von Christoph Vratz | 07.06.2017
    Chefdirigent Sir Simon Rattle bei einer Probe mit den Berliner Philharmonikern.
    Spielen Mozart digital ein: die Berliner Philharmoniker und Simon Rattle (picture alliance / dpa / Jakub Kaminski)
    Am Ende von Mozarts letzter Sinfonie ereignet sich noch einmal Ungeheures: zunächst täuschen die Bläser, mit der Flöte an der Spitze, harmonische Eintracht vor. Doch dann ergeben sich, angeführt von der Oboe und für den Hörer kaum merklich, kleine, schmerzliche Reibungen, bevor dann das Horn selbstbewusst das zentrale Thema präsentiert.
    Musik: Mozart, Sinfonie Nr. 41 KV 551
    Das ist Mozart! Auf engstem Raum ergeben sich radikale Wechsel und Übergänge, wie in der Oper, wie im Leben – und fast hört man drüber hinweg, weil Mozart alles zu einer Einheit fügt.
    Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker arbeiten diese Stelle in der so genannten "Jupiter"-Sinfonie klar und plastisch heraus. Doch wirkt es nicht einstudiert, sondern vital und spontan, wie so viele Abschnitte in diesem Satz.
    Musik: Mozart, Sinfonie Nr. 41 KV 551
    Mozarts sinfonische "Trias"
    Die drei letzten Sinfonien Mozarts werden oft als Einheit präsentiert. Der Dirigent Nikolaus Harnoncourt vertrat sogar die These, dass sie als dreiteilige Oper ohne Worte gedacht sein könnten. Am 23. August 2013 haben die Berliner Philharmoniker diese Werke unter Simon Rattle in der heimischen Philharmonie aufgeführt. Der Mitschnitt dieses Konzerts ist nun im Handel – allerdings nicht als CD, auch nicht als Vinyl-LP, sondern ausschließlich digital – in unterschiedlichen technischen Qualitätsstufen. Die neue Aufnahme reiht sich ein in die zunehmende Zahl von Produktionen des orchestereigenen Labels. Dabei ist der Zyklus der vier Brahms-Sinfonien ausschließlich als LP erhältlich, die halb-szenischen Bach-Passionen nur als DVD bzw. Bluray, die Zyklen der Beethoven-, Sibelius- und Schumann-Sinfonien hingegen als CD und digital als Download. Warum das? Tobias Möller, Leiter Kommunikation von Berlin Phil Media und Berliner Philharmoniker Recordings, erklärt:
    "In unserem Label "Berliner Philharmoniker Recordings" nutzen wir alle nur denkbaren Formate. Der Grund dafür ist, dass auch unser Publikum die verschiedensten Medien nutzt. Inzwischen ist es so, dass Neuentwicklungen die bestehenden Formate nicht mehr zwangsläufig ablösen, sondern die Medien existieren nebeneinander, weshalb überraschenderweise die gute, alte Vinyl-Scheibe putzmunter neben High-Resolution-Downloads weiter existiert. Indem wir alle diese Medien mit unseren Veröffentlichungen bedienen, erreichen wir ein besonders breites Publikum."
    Multimediale Verbreitungswege
    Welche Produktionen für welche Verbreitungswege freigegeben werden, hängt unter anderem von Fragen der Mikrofonierung ab. So wurden die Brahms-Sinfonien beispielsweise im "Direct to Disc"-Verfahren aufgenommen, nach Aussage des Orchesters dem Nonplusultra analoger Aufnahmequalität: Ohne Umweg und ohne Nachbearbeitung wird im Moment einer Aufführung der Ton direkt in eine Master-Folie geschnitten.
    "Es ist so, dass wir nicht zwanghaft alle unsere Produktionen auf allen Medien anbieten. Eine Video-Produktion einer szenischen Aufführung ist z.B. normalerweise nicht für eine reine Audio-Veröffentlichung geeignet, weil bei der u.a. die Bühnen-Geräusche stören, die man im Video gar nicht bemerkt. Oder jetzt unser Album mit den drei letzten Mozart-Sinfonien unter Simon Rattle – das ist der Mitschnitt eines einzigen Konzertabends, aber er war eben nicht als Veröffentlichung geplant. Da gab es also keine Korrektur-Sitzungen, die man normalerweise bei einer Audio-Veröffentlichung macht, sondern nur diesen einen Live-Mitschnitt. Wir haben uns dann als Kompromiss für eine reine Veröffentlichung auf Audio-Streaming-Plattformen wie apple-music oder spotify entscheiden, auch weil wir Erfahrung mit diesen neuen Medien sammeln wollen."
    Der Aufnahme der drei späten Mozart-Sinfonien merkt man an, dass es sich um einen Konzert-Mitschnitt handelt: Hier herrscht ein lebendiger Geist, eine Wachheit, die sich unter Studio-Bedingungen nur schwer erzielen lässt. Im Kopfsatz der Es-Dur-Sinfonie etwa wechseln sich die luftigen Passagen, die wunderbar verträumt klingen, mit einem dramatisch-schroffen Gestus ab, energisch vorangetrieben von der Pauke:
    Musik: Mozart, Sinfonie Nr. 39 KV 543
    Historisch informiertes Musizieren
    Ein Vergleich mit den neueren Aufnahmen der vergangenen Jahre unter Harnoncourt oder Frans Brüggen oder Philippe Herreweghe wäre unangebracht, da die jeweiligen Orchestermusiker auf historischen Instrumenten spielen und der Klang daher per se rauer, kerniger ist. Doch Rattle und die Berliner haben sich längst einige Tugenden historisch informierten Spiels zu eigen gemacht: straffe dynamische Zuspitzungen und fahle Momente zur Intensivierung von Spannung.
    Auch wenn man sich das Klangbild insgesamt noch etwas heller, leuchtender, transparenter gewünscht hätte, gelingt die Staffelung der Instrumentengruppen eindrucksvoll. Der Beginn der g-Moll-Sinfonie etwa gerät, mit den verschiedenen Bläsergruppen, die den Streichern Paroli bieten, fast kammermusikalisch. Hier die Flöte, dann das Fagott, schließlich die Oboe – alle sind relativ gut erkennbar.
    Musik: Mozart, Sinfonie Nr. 40 KV 550
    Rattle führt die Berliner stellenweise zu Höchstleistungen – aber nicht immer. So erscheinen die Kontraste am Beginn der C-Dur-Sinfonie erstaunlich glatt. Der Hörer kann die dramatischen Gegensätze zwar gut nachvollziehen, doch das Unbedingte, das Keinen-Zweifel-Lassende in dieser Passage, das Aufeinanderprallen von Weltgericht und ehrfürchtigem Zusammenzucken, wirkt hier relativ harmlos.
    Musik: Mozart, Sinfonie Nr. 41 KV 551
    Mehrgleisige Aufstellung
    Künstlerisch (mit der Wahl des neuen Chefdirigenten) und medientechnisch haben sich die Berliner Philharmoniker für die Zukunft gerüstet. Wie diese doch genau aussehen wird, kann allerdings auch Tobias Möller von Berlin Phil Media nicht genau sagen. Daher heißt die Devise: Mehrgleisigkeit!
    "Man muss jetzt sehen, wohin die Reise noch führen wird, wobei ich davon ausgehe, dass die Vielfalt eher noch steigen wird und uns LP und CD noch lange erhalten bleiben. Im Prinzip ist für uns jedes Medium interessant, das in Sachen Qualität und Reichweite unseren Erwartungen entspricht und das finanziell sinnvoll ist. Auf jeden Fall haben nicht den Ehrgeiz, bestimmte Medienformate zu unterstützen oder zu benachteiligen. Unser Ziel ist ein ganz anderes: die optimale Verbreitung der Musik der Berliner Philharmoniker, auf welchem Wege auch immer."
    Wolfgang Amadeus Mozart
    Sinfonie Nr. 39 in Es-Dur KV 543
    Sinfonie Nr. 40 in g-Moll KV 550
    Sinfonie Nr. 41 in C-Dur KV 551 »Jupiter«
    Berliner Philharmoniker
    Leitung: Simon Rattle
    Berliner Philharmoniker Recordings BPHR 17032; LC 13781
    only Download
    https://www.berliner-philharmoniker-recordings.com/mozart-symphonies-24-bit-download.html