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Berliner Polizei
Überlastet und schlecht ausgerüstet?

Berliner Polizisten schieben einen riesigen Überstundenberg vor sich her – und das schon seit Jahren. Durch die Flüchtlingskrise und die Terroranschläge in Paris ist die Situation noch angespannter geworden. Die Polizeigewerkschaft warnt deshalb. Der Berliner Innensenator warnt auch - und zwar davor, in Panik zu verfallen.

Von Anja Nehls | 25.11.2015
    Zwei Beamte der Bundespolizei patrouillieren schwer bewaffnet im Berliner Hauptbahnhof.
    Beamte der Bundespolizei im Berliner Hauptbahnhof. Nach den Terroranschlägen in Paris wurden die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. (dpa/picture alliance/Kay Nietfeld)
    Vor der Französischen Botschaft am Brandenburger Tor stehen rot-weiße Absperrgitter, dahinter zwei Polizisten mit Wetterjacke und Wollmütze. Die Dienstpistolen tragen sie unauffällig im Holster am Oberschenkel.
    "Und die sollen islamistische Attentäter aufhalten mit Sturmgewehren, das ist Kanonenfutter", sagt ihr Kollege Steve Feldmann von der Gewerkschaft der Polizei. Denn die Polizisten tragen weder Maschinenpistolen, noch Schutzwesten, die einem Angriff wie in Paris standhalten könnten. "Das ist Schutzklasse 1, das heißt, sie hält Pistolenmunition ab, sie hält Hieb- und Stichwaffen ab, aber garantiert keine Kalaschnikow."
    Die Polizisten vor der Französischen Botschaft sind genauso wie vor anderen französischen Einrichtungen in Berlin also weder besser ausgerüstet, noch zahlenmäßig aufgestockt worden, jedenfalls nicht im sichtbaren Bereich, sagt Gewerkschafter Feldmann. Bei Berlins Innensenator Frank Henkel klingt das allerdings ganz anders: "Insofern haben wir auch Maßnahmen ergriffen, die bei bestimmten Objekten im Stadtbild auch sichtbar sind. Polizei, Verfassungsschutz, die Sicherheitsbehörden tun alles Menschenmögliche, um solche Horrorszenarien hier zu vermeiden."
    Für Alltagslagen gerüstet
    Alles Menschenmöglicher tut die Polizei sicher, denn mehr ist unmöglich. Eine Million Überstunden haben die Berliner Polizisten bereits im vergangenen Jahr angehäuft, in diesem Jahr werden es eher noch ein bisschen mehr werden. Der Schutz der Verlagshäuser nach dem Attentat auf Charlie Hebdo, der Flüchtlingsstrom, die Drogenkriminalität im Görlitzer Park und nun die Anschläge in Paris - zu viele Baustellen für zu wenig Mitarbeiter, sagt Polizeipräsident Klaus Kandt. Ein Anschlag in Berlin wäre von der Berliner Polizei allein nicht zu bewältigen: "Sie schaffen, die Alltagslagen, so ist das Personal ausgerüstet und auch zahlenmäßig kalkuliert mit einem Top drauf, aber bei Großlagen müssen alle Länderpolizeien sich wechselseitig unterstützen, das ist auch in Berlin so. Es kann passieren, bei so einer massiven Anschlagslage wie in Paris, dass es einige Zeit dauert, bis die Polizei die Lage unter Kontrolle hat."
    Wenn überhaupt. In ganz Berlin gibt es heute so viel Polizisten, wie vor der Wende allein in Westberlin. Natürlich sind einige der damaligen Aufgaben weggefallen, dennoch reicht es hinten und vorne nicht, kritisiert die Gewerkschaft. Der Krankenstand bei der Polizei ist mit zehn bis zwölf Prozent mehr als doppelt so hoch wie im Berliner Durchschnitt, 30 Prozent der Polizeibeamten sind nur eingeschränkt einsatzfähig. Viele Polizisten leiden unter psychischen Erkrankungen und Angststörungen. Steve Feldmann kann seine Kollegen verstehen: "Der eine resigniert, der andere wird wirklich wütend, sauer, zornig, wieder andere nehmen es mit Galgenhumor, aber klar, wir machen trotzdem unseren Dienst weiter."
    Die Menschen machen sich einfach Sorgen
    So gut das eben geht. Jeder zusätzliche Einsatz nach den Pariser Anschlägen reißt aber ein personelles Loch woanders, kritisiert die GDP. Das sei bei der jetzt gebildeten 70 Mann starken Sonderermittlungsgruppe nicht anders. Diese Einheit soll den vielen Hinweisen aus der Berliner Bevölkerung nachgehen, sagt Stefan Redlich von der Polizei: "Wir kriegen viele Meldungen zum einen herrenlose Koffer und Taschen, da kriegen wir normalerweise einen Anruf pro Tag auf den wir reagieren, jetzt hatten wir acht Anrufe pro Tag, weil die Menschen sich einfach Sorgen machen."
    Dafür ruhe dann eben die Polizeiarbeit in den Außenbezirken weitgehend und bestimmte Delikte würden nur noch abgeheftet und nicht mehr bearbeitet, antwortet die GDP: 33 Millionen Euro für ein Sicherheitspaket sind jetzt vom Senat bewilligt worden. Zugute kommen soll das Geld hauptsächlich den Spezialkräften für Personal und für Ausrüstung. Immerhin - und ansonsten Augen zu und durch, meint Berlins Innensenator Frank Henkel: "Ich will ausdrücklich warnen davor, in Panik zu verfallen. Wir sollten uns von diesen Terroristen nicht das Leben bestimmen lassen. Und am Ende bleiben Faktoren, die wir trotz aller Vorbereitung und Wachsamkeit eben nicht beeinflussen können. Und das läuft dann eben unter der Überschrift, dass es absolute Sicherheit eben nicht gibt."