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Berliner Presse Club
Wo sich Journalisten und Politiker näher kommen

Anders als die Bundespressekonferenz sucht der Berliner Presse Club nicht das Licht der öffentlichen Kameras. Dennoch hat der 1952 gegründete vertrauliche Kreis für den Hauptstadtjournalismus erhebliche Bedeutung.

Von Adalbert Siniawski | 09.08.2014
    Wulf Schmiese räumt direkt mit einem Vorurteil auf:
    "Wir sitzen dort nicht in Klubsesseln, rauchen Zigarre, trinken Whiskey und Gin. So muss man sich das nicht vorstellen. Das Ganze ist ein kollegialer Treff von jüngeren, mittelalten und alten Kollegen, die da zusammenkommen, und sie haben fachliches Interesse an dem Gast. Und umgekehrt gilt das häufig auch."
    Wulf Schmiese ist Mitglied im Vorstand des Berliner Presse Clubs, man kennt sein Gesicht aus dem ZDF-Morgenmagazin. Etwas Geheimniskrämerisches und Eingeschworenes umweht den Presse Club. Eine Homepage gibt es zwar, ein Buch zum 50. Jubiläum auch. Und doch ist im Allgemeinen wenig über den exklusiven Journalistenverein bekannt. Kein Wunder: Diskretion ist das A und O. Man spricht "unter drei", so Schmiese:
    "Das ist eine Veranstaltung, die wirklich hinter verschlossenen Türen stattfindet. Und deswegen wissen unsere Gäste, dass das, was sie dort sagen, mit Sicherheit nirgends als Zitat auftaucht."
    Seit 1952 treffen Journalisten im Berliner Presse Club auf Politiker, Wirtschaftsleute und Kulturmacher. Die Vorläuferorganisation hieß "Verein Berliner Presse" und wurde 1862 gegründet. Vom Kanzler, über Konzernmanager bis zu Museumsdirektoren standen schon mehrere Hundert Entscheider Rede und Antwort. Wer genau?
    "Unter drei - streng vertraulich."
    So viel verrät Schmiese dann doch: Im Schnitt kommen zwei bis drei Gäste pro Monat zu den Hintergrundgesprächen. Von den rund 130 Mitgliedern aus Print, Rundfunk - aber auch Verbänden - sind in der Regel 40 bei den Treffen anwesend. Um Mitglied zu werden, muss man von Clubinsidern vorgeschlagen werden. Bis 1983 waren es übrigens ausschließlich Männer. Bei den Hintergrundgesprächen geht es weniger um tagesaktuelle Themen - wie etwa bei einer Pressekonferenz -, als um grundsätzliche Fragen und langfristige Tendenzen. Man trifft den jeweils geladenen Gast im Gebäude des Deutschen Beamtenbundes zum Mittagslunch oder zum zweistündigen Drei-Gänge-Dinner. Wulf Schmiese:
    "Er ist vielleicht eher in Gesprächslaune, weil der Rahmen ein anderer ist und dadurch das Ganze tatsächlich mehr einen Informationscharakter hat, wie in einem Gespräch bei einem Abendessen mit guten Bekannten, mit Kollegen, mit Freunden, noch mal hier nachfragen kann und ungeschminkter, ohne Kameras, ehrlicher eine Meinung, ein Augendrehen, ein Stirnrunzeln erfährt, als man das vor Kameras bekommt."
    "Die Äußerungen, die da getan werden, die ergänzen einfach mein Bild von einem Sachverhalt oder eben von der Person. Die fließen natürlich nicht in den nächsten Artikel ein, mit direkter Rede. Aber die fließen schon ein - vor allem natürlich interessant, wenn man Porträts schreibt oder wenn man Hintergrundgeschichten schreibt", sagt Kerstin Schwenn, Wirtschaftsredakteurin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" im Berliner Büro. Sie berichtet für die FAZ über Sozial- und Verkehrspolitik. Informationen zu ihren Fachthemen bekommt sie eher aus eigenen, spezifischen Hintergrundkreisen oder über direkte Kontakte zu Ministerien und Verbänden. Im Berliner Presse Club hält sie sich aber über das allgemeine politische Geschehen auf dem Laufenden. Doch sind Politikeraussagen "unter drei" verlässlicher als offizielle Statements?
    "Also ich würde immer den Kritikcheck da irgendwie ansetzen, man kann sicherlich nicht alles glauben, was unter drei gesagt wird. Manchmal weiß man natürlich, dass das, was unter drei gesagt wird, ganz genau gesteuert wird, und dass die Sachen, die der Gesprächspartner nicht loswerden will, dass er die auch nicht im Vertrauen unter drei sagt."
    Und doch kommen sich Journalisten und Politiker in solchen Hintergrundkreisen näher. So kommen die Berichterstatter an exklusive Informationen. Gefährlich wird es aber, wenn unter der Käseglocke des Berliner Politikbetriebs mit der Distanz auch die Kritikfähigkeit verloren geht. Katrin Schwenn:
    "Es gibt sicherlich Kollegen, die meinen, sie könnten an der Macht mit drehen, gerade in so einem vertraulichen Hintergrundkreis, in so einem vertraulichen Klima, in dem man eben zusammen ein Glas Wein trinkt. Die gerne auch ein bisschen Spindoctor sein möchten und ein bisschen ihre Finger in der Politik drin haben möchten."
    Vorstandsmitglied Wulf Schmiese will das für seinen Berliner Presse Club allerdings nicht gelten lassen.
    "Also, dass das eine Kumpanei oder ein gemeinsames Saufen dort wäre, habe ich noch nie erlebt und ich glaube, das ist auch das Anständige am Club, dass man klar sagt: Wir sind die Journalisten - ihr seid die Politiker, die Fachleute, die Wirtschaftsführer. Wir fragen, ihr antwortet."