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Berliner Reaktionen auf Übergriffe in Köln
Sorge vor Stimmungsumschlag

Nach den Angriffen auf Frauen in Köln an Silvester spricht sich der CDU-Vorstand für schärfere Abschiebegesetze aus. Klaus Bouillon, Vorsitzender der Innenministerkonferenz, sieht darin eine Wende in der deutschen Politik. Pro Asyl warnt gleichzeitig davor, dass aufgrund der aktuellen Diskussion die Unterstützung für Flüchtlinge zurückgehen könnte.

Von Johannes Kulms | 09.01.2016
    Polizisten stehen am Abend mit dem Rücken zur Kamera vor dem Kölner Hauptbahnhof.
    Bundeskanzlerin Merkel: Wer Delikte wie in Köln begeht, verwirkt sein Gastrecht früher. (dpa / Maja Hitij)
    Die zahlreichen Angriffe auf Frauen in der Kölner Silvesternacht haben auch die Klausur des CDU-Vorstands in Mainz durcheinandergewirbelt. Ergebnis der stundenlangen Diskussionen ist eine "Mainzer Erklärung", die der Unions-Vorstand am Samstagmorgen beschlossen hat.
    Darin spricht sich die CDU für strengere Gesetze aus und hat an einigen Stellen das Papier sogar gegenüber dem Entwurf noch einmal verschärft.
    Asylberechtigte, Flüchtlinge und Asylbewerber sollten bereits dann von einer Aufenthaltsberechtigung ausgeschlossen werden, wenn sie "rechtskräftig wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe auch unter Bewährung verurteilt wurden", heißt es in dem Text. So sollten insbesondere auch Serienstraftäter erfasst werden. Zudem spricht sich der CDU-Vorstand für die Einführung der sogenannten Schleierfahndung aus – also verdachtsunabhängigen Personenkontrollen.
    Klare Worte der Kanzlerin
    Am Freitag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Ereignisse rund um den Kölner Hauptbahnhof als "Paukenschlag" bezeichnet, wie Teilnehmer berichteten. Und begründet, warum sie nun Anlass für schärfere Gesetze sieht:
    "Und wenn wir bis jetzt gesagt haben nach zwei oder drei Jahren Freiheitsstrafe und feststellen, dass solche Verurteilungen bei Delikten wie sie jetzt in Köln passiert sind, dann muss man doch darüber nachdenken: Verwirkt man sein Gastrecht nicht früher? Und ich muss sagen, ja, man verwirkt sein Gastrecht früher."
    Von einer Wende in der deutschen Politik spricht auch Klaus Bouillon, der Vorsitzende der Innenministerkonferenz. Die Gesetzestexte zur Ausweisung müssten "völlig verändert" werden, sagte der saarländische Innenminister im Interview der Woche des Deutschlandfunks. Bisherige Regelungen reichten nicht aus, so Bouillon:
    "Und wer die Rechtsprechung betrachtet weiß, um zu einem Jahr Gefängnis verurteilt zu werden, muss man viel mehr tun. Das heißt, die Kanzlerin hat insofern Recht und alle, die die schnelle Abschiebung fordern: Wir müssen die Gesetzestexte völlig verändern, wir müssen die festlegen, ab wann darf man abschieben? Und meines Erachtens muss die Grenze von einem Jahr deutlich runtergesetzt werden."
    Uneinigkeit in der SPD
    Er sehe derzeit keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, hatte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Freitag betont. Anders dagegen SPD-Parteichef Sigmar Gabriel. Der Vizekanzler sagte am Rande seiner Kuba-Reise:
    "Vieles von dem, was wir machen, hängt oft an Verwaltungsverfahren, manchmal auch vor Gerichten. Das glaube ich, kann man beschleunigen, ohne jedes Gesetz zu ändern. Und wenn es nötig ist, Gesetze zu ändern, werden wir auch das machen."
    Pro Asyl: Unterstützung für Flüchtlinge darf nicht kippen
    Die Ereignisse in Köln seien "widerwärtig", sagte der Europabeauftragte von Pro Asyl, Karl Kopp. Im Deutschlandradio Kultur stellte Kopp klar: "In einem demokratischen Gemeinwesen müssen Frauen geschützt werden, und selbstverständlich müssen auch Flüchtlingswohnheime geschützt werden."
    Die Ereignisse von Köln müssten aufgeklärt und die Täter verfolgt werden. Doch gleichzeitig warnt Pro Asyl vor einem generellen Rückgang der Unterstützung für Flüchtlinge. Wir müssen aufpassen, dass die Stimmung nicht noch weiter vergiftet wird, sagt Kopp.
    "Und jetzt werden weiterhin nach Europa Flüchtlinge kommen, das ist ganz klar, egal was Europa an Festungsgedanken und Auslagerungs-Gedanken Richtung Türkei formuliert. Es macht auch keinen Sinn, die Bevölkerung auf was anderes einzustellen. Wir haben die großen Flüchtlingskrisen in der Welt, und da muss Europa solidarisch operieren. Das macht Europa nicht, Europa ist zutiefst gespalten. Das wichtigste Land, das den Flüchtlingsschutz noch organisieren kann gemeinsam mit einer Koalition der Willigen, ist Deutschland, und das darf nicht kippen."