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Berliner Schule
Wegen Verschmutzung geschlossen

Die Berliner Landeshaushaltsordnung sieht vor, dass bei öffentlichen Ausschreibungen das beste Angebot den Zuschlag erhält. Für Reinigungsfirmen scheint das nicht zu gelten, denn da bekommt oft der billigste Anbieter den Zuschlag. Die Sauberkeit bleibt dabei meistens auf der Strecke, wie ein Beispiel aus Marzahn-Hellersdorf zeigt.

Von Susanne Arlt | 17.11.2014
    Ein Bodenreiniger und ein Putzeimer
    Sparen auf Kosten der Sauberkeit (Arno Burgi / dpa-Zentralbild)
    "Sie sehen, gestern zum Beispiel wurde hier nicht gewischt. "
    Gudrun Novak zeigt auf den weiß gefliesten Boden. Dort sieht man schwarze Schlieren. Immerhin wurden die Mülleimer entleert und es stinkt auch nicht mehr so streng nach Urin wie vor einer Woche.
    Trotzdem - seit Monaten werde in ihrer Schule nicht mehr ordentlich geputzt, sagt die Direktorin. Das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf hatte Anfang des Jahres den Job neu ausgeschrieben. Seitdem reinigt eine neue Firma. Davor habe es nie Probleme gegeben.
    "Weil wir eine andere Firma hatten, die waren also hier viele Jahre, die haben sich für die Schule verantwortlich gefühlt. Das ist, denke ich auch sehr wichtig, dass man da auch merkt, dass die Reinigungsfirma nicht einfach nur stupide ihrer Arbeit macht, sondern dass die auch eine gewisse Verantwortung für das Objekt haben. Und dieses entsteht natürlich, wenn man immer die gleichen Mitarbeiter hat und wenn man dann dementsprechend gut mit ihnen umgeht. "
    Die Schule in Berlin-Marzahn ist nicht das einzige Beispiel. Anfang des Jahres gab es einen ähnlichen Fall im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Und Gudrun Novak bekommt jetzt täglich Anrufe von anderen Schulleitern, die von denselben Problemen berichten
    Zuschlag für den billigsten Anbieter
    Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen kritisieren die Ausschreibungsmodalitäten. Die Berliner Landeshaushaltsordnung sieht vor, dass bei öffentlichen Ausschreibungen das beste Angebot den Zuschlag erhält. Oft aber kommt die billigste Offerte zum Zug. Bündnis 90/Die Grünen fordern daher eine von den Bezirken und dem Senat gemeinsam erarbeitet Musterausschreibung für schulische Reinigungsdienste.
    Nur mit festen Mindeststandards und einem funktionierenden Beschwerdemanagement könne man die schwarzen Schafe aussortieren. Dieser Meinung sind auch Marco Ferdin und Thomas Hensel.
    "Man weiß genau, wenn man ein Angebot schreiben tut für öffentliche Bauten, dass der Preis so niedrig ist, da will ich mit dem Preis nicht hinterherkommen, könnte ich meine Leute nicht bezahlen. Ich weiß nicht wie andere Leute das machen, bloß ich weiß, ich kann es nicht. "
    Frisierte Angebote
    Marco Ferdin betreibt in Berlin-Weißensee eine Reinigungsfirma mit zehn Festangestellten. Sein Kollege Thomas Hensel ist Geschäftsführer einer Reinigungsfirma in Sachsen-Anhalt mit 35 Beschäftigen. Um bei einer öffentlichen Ausschreibung preislich mithalten zu können, werden Angebote zum Teil frisiert. Man behauptet, eine einzige Reinigungskraft könne eine immens große Fläche innerhalb weniger Stunden ordentlich putzen.
    In der Praxis funktioniere das aber nicht, sagt Thomas Hensel. Entweder würden die Angestellten dann Überstunden, die ihnen nicht entlohnt werden oder die Reinigung sei oberflächlich.
    "Das ist immer wieder dasselbe Spielchen. Und darum haben wir lange schon seit Jahren entschieden, das ist vergebene Liebesmühe und die Zeit verwenden wir lieber in der Akquisition von Kunden, die auch bereit sind, das mitzutragen. Ich will nicht sagen, dass an den Billigpreisen der Reinigungsbetriebe auch ein Zustand der Schulen abzulesen ist. Aber man könnte vieles gerade in dem Bereich sicherlich besser darstellen, wenn da vernünftig gearbeitet werden könnte und dürfte."
    Schuld sind nicht nur die Reinigungskräfte
    In Zeiten knapper Haushalte ist damit wohl aber nicht zu rechnen. Der Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf will die Firma nun abmahnen und prüfen, ob man den Vertrag auflösen kann. Keine Frage, die Nutzungsfrequenz in Schulen ist unvergleichlich hoch. In einem Büro stehen den Nutzern mehr Quadratmeter zur Verfügung als in einer Schule. Darum liegt es nicht nur an den Reinigungskräften, sondern auch an den Schülern, wie sauber die Klassen bleiben. Allerdings seien Schulen nicht per se schwieriger zu reinigen als andere Gebäude, meint die Berliner Architektin Katharina Sütterlin. Sie hat sich auf die Gestaltung von Schulräumen spezialisiert und ihre Erfahrung zeigt:
    "Wir entwickeln mit den Nutzern gemeinsam die Idee, wie die Dinge aussehen sollen. Die dann fertig gestellten Räume bieten eine hohe Identifikation und werden pfleglich behandelt, weil eben auch eine Wertschätzung da ist, also die Möbel werden unserer Erfahrung nach gut gepflegt. "
    Mehr Verantwortlichkeit der Nutzer
    Katharina Sütterlin plädiert dafür, dass man in den Schulen mehr Verantwortung für die Räumlichkeiten übernimmt. In Wiesbaden gebe es beispielsweise eine Gesamtschule, in der die Schüler ihre Klasse selber putzen. Die Stadt stellt das eingesparte Geld dem Schulhaushalt zur Verfügung. Sicherlich lasse sich dieses Modell nicht auf alle Schulen.
    "Aber trotzdem finde ich, dass in dem Thema Putzen, Pflegen, sehr viel Lernanlässe stecken. Dass wir da an unserer Kultur arbeiten können, dass es darum geht, welche Einstellung hat man zur Pflege, was für eine Einstellung zum Putzen. Wie können Lehrer auch Vorbild sein, da Lerneinheiten da zu machen, wie gehe ich pfleglich mit meiner Umgebung um. "