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Berlusconi klagt vor dem Europäischen Gerichtshof

Seit Silvio Berlusconi rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, hängt die Regierungskoalition am seidenen Faden. Sollte der Senat Berlusconi heute seines Senatorenamtes entheben, droht eine Regierungskrise. Aber Berlusconi wäre nicht Berlusconi, wenn er nicht noch ein paar Asse im Ärmel hätte.

Von Kirstin Hausen | 09.09.2013
    Der wegen Steuerbetrugs rechtskräftig verurteilte Silvio Berlusconi zieht vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Er klagt dort gegen den drohenden Verlust seines Sitzes im Senat. Ein typischer Berlusconi-Coup: von langer Hand geplant, geheim gehalten und dann zur rechten Zeit aus dem Ärmel gezaubert. Denn heute tagt in Rom der Ausschuss, der Berlusconi aus dem Senat ausschließen kann. Grundlage dafür ist ein Gesetz, das rechtskräftig verurteilte Parlamentarier ihres Amtes enthebt. Gegen dieses Gesetz, das die Abgeordneten der Berlusconi-Partei PDL im Januar 2013 mitgetragen hatten, bemüht der in Bedrängnis geratene Berlusconi nun also die Richter in Straßburg. Es sei verfassungswidrig und verletze die Grundrechte des Bürgers und Senators Silvio Berlusconi, so Angelino Alfano, Parteisekretär der PDL:

    "Die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof zeigt, dass der Fall Berlusconi noch lange nicht abgeschlossen ist. Wir vertrauen darauf, dass wir auf europäischer Ebene das Ergebnis erzielen, das wir uns wünschen: ein Urteil, das Berlusconis Unschuld beweist und das wir in Italien nicht bekommen haben. Der Bürger und Senator Silvio Berlusconi hat das Recht, sich zu verteidigen."

    Alfano träumt von einer Revision des Prozesses wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe bei der Mediengruppe Mediaset, doch Berlusconis Verteidiger backen kleinere Brötchen. Ihnen würde es reichen, wenn der Europäische Gerichtshof das Gesetz, das Berlusconi seines Amtes enthebt, für unzulässig erklären würde. Ihre Argumentation: Das Gesetz trat im Januar 2013 unter Ministerpräsident Mario Monti in Kraft und könne nicht auf Steuerdelikte angewandt werden, die zeitlich weiter zurückliegen. Außerdem verstoße es gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, weil es unverhältnismäßige Sanktionen vorsehe.

    Mit der Klageschrift beschäftigt sich heute auch der Senatsausschuss in Rom. Die 33 Seiten liefern den Ausschussmitgliedern, die Berlusconi nicht seines Amtes entheben möchten, willkommene Argumente, die Entscheidung zu verschieben. So würde Silvio Berlusconi Zeit gewinnen. Und das Thema Italien weiter beschäftigen. Unerträglich finden das diese beiden Frauen:

    "Es reicht! Als Politiker hat er nichts Gutes für unser Land getan. Viele seiner Wähler haben gedacht, er wäre ein guter Regierungschef, weil er ein guter Unternehmer und Manager ist. Aber am Ende hat er allein seine persönlichen Interessen verfolgt."

    "Es geht immer nur um ihn statt um die Probleme des Landes. Die Abgeordneten stimmen über Dinge ab, die seine Reputation, sein Geld und ihn selbst retten sollen. All das nützt allein ihm und seinen Freunden, aber sicher nicht dem Land."

    Dabei hat Italien durchaus noch andere Probleme. Unternehmen gehen pleite, immer mehr Italiener sind arbeitslos, die Börsen zittern. Wirtschaftskrise, Verschuldungskrise - all das ist noch längst nicht ausgestanden. Aber es tritt in den Hintergrund. Auch in den Medien, wo die verschiedenen Optionen zur Rettung von Berlusconi viel Raum bekommen, nicht aber seine per Gericht bestätigten Gesetzesbrüche. So hält sich nach wie vor das Gerücht, Staatspräsident Giorgio Napolitano werde Berlusconi am Ende mit einer Begnadigung zu Hilfe eilen. Voraussetzung dafür ist jedoch die Reue des Verurteilten und Berlusconi gibt nicht den reuigen Steuersünder, sondern den unschuldig Verfolgten. Napolitano möchte einen Sturz der Regierung Letta vermeiden, das hat er wiederholt bekräftigt. Berlusconis Abgeordnete drohen, Letta das Vertrauen zu entziehen, sollte ihr Chef aus dem Senat ausgeschlossen werden. Doch es könnte ein Bluff sein. Die Beteiligung an der Regierung ist Berlusconis Faustpfand. Und Neuwahlen sind ein Risiko. Sie würden laut Umfragen zum jetzigen Zeitpunkt weder der PDL noch der Demokratischen Partei eine Regierungsmehrheit bringen.