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Berlusconis Tage scheinen gezählt

Italiens Noch-Regierungschef Silvio Berlusconi muss heute im Parlament eine Mehrheit für den Haushaltsabschluss zusammenbekommen, im Oktober hatten die Neinstimmen überwogen. Doch auch heute sieht es wieder düster für Berlusconi aus, selbst seine engsten Vertrauten legen dem 75-Jährigen inzwischen den Rücktritt nahe. Doch was kommt nach Silvio Berlusconi?

Von Kirstin Hausen | 08.11.2011
    Der Mailänder Ableger der konservativen Oppositionspartei "Italien der Werte" trifft sich normalerweise einmal wöchentlich. Doch seit der Rücktritt von Silvio Berlusconi in greifbare Nähe gerückt ist, herrscht Aufregung an der Basis und der Kellerraum, in dem sich die Parteimitglieder treffen, ist jeden Abend gut besucht. "Italien der Werte" wurde von dem ehemaligen Staatsanwalt Antonio Di Pietro gegründet, einem Erzfeind von Silvio Berlusconi. Die Partei überzeugt mit ihrem Programm für eine moralische Wende ganze acht Prozent der italienischen Wähler. Die meisten Parteimitglieder hier in Mailand setzen deshalb auf eine Koalition mit der größten Oppositionspartei, dem moderat linken Partito democratico, auch wenn sie mit Kritik nicht sparen.

    "In der jetzigen Situation müsste die Linke stärker auftreten,"

    … fordert Roberto Fiamma. Er würde auch eine Übergangsregierung unter der Leitung eines parteilosen Wirtschaftsexperten begrüßen. Im Gespräch für diese Aufgabe ist Mario Monti, Wirtschaftsprofessor und ehemaliger italienischer EU-Kommissar. Mit ihm an der Spitze könnte Italien sein durch Berlusconi schwerbeschädigtes Image im Ausland aufpolieren, das Vertrauen der Finanzmärkte zurückerobern und die von Brüssel angemahnten Reformen umsetzen, meint Roberto. Doch sein Parteichef in Rom, Antonio di Pietro, zeigt sich wenig begeistert von der "Option Monti".

    "Was nutzt es, einem Saubermann wie Mario Monti die Drecksarbeit zu überlassen? Die Reformen, die Berlusconi angekündigt hat, sind ein sozialer Kahlschlag, selbst wenn es Monti ist, der sie am Ende umsetzt."

    Und doch – würde Silvio Berlusconi sein Amt als Regierungschef zur Verfügung stellen, es ginge ein Aufatmen durch Italien und durch ganz Europa. Gestern genügte allein die Ankündigung seines Rücktritts durch den Berlusconi treuen Journalisten Giuliano Ferrara, um den Abwärtstrend der Mailänder Börse kurzfristig zu stoppen. Doch die Ankündigung erwies sich als Bluff, Berlusconi selbst erklärte postwendend, weiterregieren zu wollen. Aber er wirkte müde und abgekämpft bei seinem Medienauftritt, und die Gerüchteküche brodelt. Sollte Berlusconi mit seiner Regierung freiwillig zurücktreten oder durch eine Abstimmungsniederlage heute im Parlament zum Rücktritt gezwungen werden, liegt es an Staatspräsident Giorgio Napolitano, eine geeignete Person mit der Bildung einer neuen Regierung zu beauftragen. Erst, wenn dieser Versuch scheitert, kann er die beiden Kammern des Parlaments auflösen. Dann stünden in Italien Neuwahlen an, die will aber im Moment niemand.

    Die Demokratische Partei hat sich deshalb zur uneingeschränkten Zusammenarbeit mit allen Parteien bereit erklärt und auch die kleinen Oppositionsparteien des "Dritten Pols" unter der Führung des katholischen Zentrumspolitikers Pierferdinando Casini sind für ein governo di unità nazionale, also eine Regierung der nationalen Einheit. Sogar mit einem Mann aus Berlusconis unmittelbarem Umfeld an der Spitze, die Rede ist von Gianni Letta, dem ranghöchsten Staatssekretär in allen Berlusconi-Regierungen.

    "Es gibt auch seriöse Leute in der Berlusconi-Partei, aber ein Wechsel an der Regierungsspitze ist unabdingbar,"

    … sagt David D`Ambrosio, Parteimitglied der katholischen Zentrumspartei UDC. Er ist Unternehmer in Como und macht sich vor allem um Italiens Talfahrt an den Börsen sorgen. Für ihn ist sie mit einem Namen gebunden, dem von Silvio Berlusconi.