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Bernd Neumann wird neuer Staatsminister für Kultur und Medien

Der 63 jährige Pädagoge Bernd Neumann ist neuer Staatsminister für Kultur und Medien. Der aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammende Neumann gilt als Medien- und Filmfachmann. Seine Arbeit im Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt nimmt er nicht nur ernst, er ist ein Film-Freak. Seine regelmäßigen Sondervorführungen von Filmen wie "Der Untergang" oder "Die Passion Christi" im Parlament sind nicht nur bei Mitgliedern der Unionsfraktion beliebt.

Von Rainer B. Schossig | 22.11.2005
    Mit Bernd Neumann als künftigem Kulturstaatsminister hat sich Angela Merkel zunächst einmal für einen verlässlichen Parteifreund entschieden, der so Merkel-nah ist, wie er immer schon Kohl-nah war: Ein Pragmatiker, ein Taktiker. Neumann kommt aus kleinen Verhältnissen; er ist fleißig, der gelernte Lehrer ist weder inspiriert noch neoliberal. Bis heute ist er Gewerkschaftsmitglied. Auch dies ist vielleicht Teil seiner Taktik, die ihn seit Jahrzehnten fast unangefochten an der Spitze der Bremer CDU gehalten hat, gleichsam in der Diaspora, bis er selbst Hand anlegte an die Architektur der Rotgrünen Bremer Landeskoalition. Ein dunkler Fleck auf seiner kulturpolitischen Weste ist seine Bemerkung, dass er die Poesie des Dichters Erich Fried "lieber verbrannt" sehe. Dies Wort fiel während der RAF-Hysterie 1977; und Neumann hatte schon bald wieder mit Fried vertragen.

    Erste medienpolitische Erfahrung machte er im Rundfunkrat von Radio Bremen: Erst in diesem Herbst wechselte er in den ZDF-Fernsehrat. Früh erkannte er, dass er als Unionspolitiker im sozialdemokratischen Musterländchen Bremen nicht Karriere machen konnte. Daher konzentrierte er sich für auf die Bundespolitik: zwei Legislaturperioden wirkte er still aber nachhaltig im Bundesforschungsministerium; Minister kamen und gingen, der Parlamentarische Staatssekretär Neumann blieb. Seit Jahren ist er auch einflussreicher Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Kultur und Medien, wo man seine kritischen Nachfragen fürchtet. Neumann ist ein Medien- und Filmfachmann, der weiß wovon er spricht; seine Arbeit im Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt nimmt er nicht nur ernst, er gilt als Film-Freak. Seine regelmäßigen Sondervorführungen von Filmen wie "Der Untergang" oder "Die Passion Christi" im Parlament sind nicht nur bei Mitgliedern der Unionsfraktion beliebt. Neumanns Hauptarbeitsplatz ist heute zwar Berlin, doch in Probleme der Hauptstadtkultur wie Museumsinsel- und Schlossplatzbebauung oder Opernstiftung wird er sich erst einarbeiten müssen.

    Bleibt die Frage: Wo wird Bernd Neumann in der Auseinandersetzung Bundeskultur – versus föderale Kulturhoheit Stellung beziehen? - Befürchtungen des Deutschen Kulturrates, das Amt des Kulturstaatsministers könnte in der großen Koalition zum Schnörkel verkümmern, hat Neuman kürzlich erst vehement widersprochen. Alle entscheidenden Bundes-Kulturbelange, so Neumann, seien im Koalitionsvertrag festgezurrt. Doch wie er dies umsetzt, muss sich erst weisen. Der 63-Jährige steht nicht am Anfang sondern am Ende seiner politischen Laufbahn. Er wird sich daher im Zweifelsfalle taktisch, also für die Logik der Macht, und das heißt nach den Richtlinien der Kanzlerin entscheiden. Diese hat weder in Fragen der Hoch- noch der Leit-Kultur geschweige der internationalen Vertretung der Kulturnation Deutschland, wie zum Beispiel im Streit um die leidige Beutekunstfrage, bisher irgendein Profil entwickelt. So bleibt Neumann mit seinem sprichwörtlichem Verhandlungsgeschick viel Raum.