Dienstag, 19. März 2024

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Bernd Riexinger
"Alles Auseinandersetzungen, die zur Linkspartei dazugehören"

Ja, es gebe normale Auseinandersetzungen in der Linken, aber niemand habe Sahra Wagenknecht als Fraktionsvorsitzende entmachten wollen, sagte Co-Parteichef Bernd Riexinger im Dlf. Nach ihrer Wiederwahl müsse sie jetzt sehen, "dass sie eine Vorsitzende der gesamten Fraktion wird".

Bernd Riexinger im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 18.10.2017
    Die Spitze der Linkspartei ist stolz auf ihr Wahlprogramm
    Da treten sie Partei- und Fraktionsspitze noch einträchtig auf - bei der gestrigen Aussprache hingegen knirschte es gewaltig. Jetzt will sich die Partei auf gute Inhalte in der Opposition konzentrieren, sagt der Co-Vorsitzende Bernd Riexinger (picture alliance / dpa / Gregor Fischer)
    Jörg Münchenberg: Bei der Linkspartei knirscht es gewaltig. Es geht um Intrigen, Mobbing und natürlich die Machtfrage. So hatte gestern die Parteispitze mit Katja Kipping und Bernd Riexinger versucht, die Fraktionsführung mehr oder weniger zu entmachten. Am Ende aber konnten Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch die Attacke aus den eigenen Reihen erst einmal abwehren. Aber der Auftakt für den nächsten Bundestag ist wohl erst einmal gründlich verhagelt.
    Guten Morgen, Herr Riexinger.
    Bernd Riexinger: Guten Morgen.
    Münchenberg: Herr Riexinger, wir haben ja schon um den Machtstreit bei der Linkspartei berichtet. Jetzt hat sich die Fraktionsspitze erst einmal durchgesetzt. Sind Sie der große Verlierer des gestrigen Abends?
    Riexinger: Nein, gar nicht. Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, dass sich hier die Fraktionsspitze durchgesetzt hat. Wir haben einen Kompromiss erzielt. Der sieht vor ein besseres Rederecht für die Parteivorsitzenden. Der sieht vor eine Stellvertreterin und der sieht vor eine weitere Stimme im Fraktionsvorstand für die Kontaktstelle zu sozialen Bewegungen.
    Von Entmachtung könne gar nicht die Rede sein
    Münchenberg: Aber es gab harte Vorwürfe auch von der Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, die gesagt hat, hier habe die Parteispitze versucht, sie zu entmachten.
    Riexinger: Na ja, das war ein Spinnen und eine Sichtweise, die von vornherein falsch war. Davon kann überhaupt nicht die Rede sein. Wir haben uns bemüht, dass die Fraktion und die Fraktionsführung quasi eine ausgewogene Vertretung hat. Wir haben einfach eine neue Fraktion. Menschen, die da drin sind, viele neue, viele, die gar keiner der klassischen Strömungen angehören und auch nicht den Strömungen der Fraktionsspitze, wollen dort vertreten sein. Und ich glaube, das ist ganz gut gelungen.
    Münchenberg: Aber, Herr Riexinger, Sie haben ein Mitspracherecht im Fraktionsvorstand gefordert. Dazu gab es einen Antrag. Es gab auch die Forderung nach einem Erstrederecht. Das klingt doch schon sehr nach Entmachtung der Fraktionsspitze, oder zumindest dem Versuch, diese so zu entmachten.
    Riexinger: Nein. Es gab nicht den Versuch der Entmachtung, sondern wir haben von Anfang an vorgeschlagen, dass sie weiterhin Fraktionsvorsitzende werden. Die Fragen, die hier zur Geschäftsordnung gestellt werden, das gab es früher schon mal bei uns in der Fraktion, dass die Parteivorsitzenden dort mit Stimmrecht dringesessen sind. Das ist zu einer Frage hochstilisiert worden, dass hier quasi eine Entmachtung der Fraktionsvorsitzenden beabsichtigt gewesen wäre. Davon kann, ehrlich gesagt, keine Rede sein.
    Münchenberg: Aber auch viele Abgeordnete, Herr Riexinger, haben gestern doch sehr verstört reagiert, denn es ging ja letztlich bei diesem Treffen in Potsdam nur um persönliche Anfeindungen, nicht aber um Inhalte. Ist das nicht auch eine Blamage letztlich für den Parteichef?
    Riexinger: Nein. Der Parteichef kann dafür nichts. Ich habe mich auch dieser Methoden nicht bedient. Ich selber habe gegen niemand persönliche Anwürfe gemacht, auch sehr sachlich dargestellt, wie die ganzen Dinge abgelaufen sind. Ich habe nicht den Stil und will den auch gar nicht prägen, dass wir über die Medien interne Auseinandersetzungen austragen. Das sollten wir auch in der Zukunft nicht machen. Und ich teile auch …
    "Es gibt natürlich innere Auseinandersetzungen"
    Münchenberg: Aber, Herr Riexinger, würden Sie sagen, …
    Riexinger: Darf ich den Satz noch zu Ende machen?
    Münchenberg: Ja, bitte.
    Riexinger: Ich halte auch, ehrlich gesagt, gar nichts davon, mit Drohungen oder Rücktrittsdrohungen oder Erpressungen oder Ähnlichem zu reagieren. Wir haben aber gestern einen Schlussstrich druntergesetzt, haben einen Kompromiss erzielt und blicken jetzt nach vorne.
    Münchenberg: Sie würden also sagen, Herr Riexinger, das alles ist ein Sturm im Wasserglas, alles aufgeblasen und nichts dahinter?
    Riexinger: Es gibt natürlich innere Auseinandersetzungen. Das hat man ja auch gesehen in der Auseinandersetzung um die Flüchtlingsfrage. Es gibt natürlich immer Auseinandersetzungen, welche Rolle nimmt jetzt die Partei ein, welche Rolle nimmt jetzt die Fraktion ein. Das sind alles Auseinandersetzungen, die zu einer Linken-Partei dazugehören, die wir austragen müssen und die wir nach vorne bewegen müssen. Wir haben ja gerade eine Parteientwicklung, mit der wir außerordentlich zufrieden sind, auf die wir auch stolz sind, auch als Parteivorsitzende, dass wir einen großen Mitgliederzuwachs von jungen Leuten haben, dass wir in der Lage sind, eine neue Partei aufzubauen. Das befriedigt uns.
    "Haben gesagt, dass wir einen Schlussstrich drunter ziehen"
    Münchenberg: Darauf kommen wir gleich noch mal zu sprechen. Zunächst trotzdem die Frage: Wie belastet ist jetzt das Verhältnis zwischen Partei- und Fraktionsspitze? Man hat gestern einen Burgfrieden gehalten, aber wie lange soll/kann der halten?
    Riexinger: Na ja, ich glaube, dass wir jetzt uns den inhaltlichen Fragen zuwenden müssen. Wir haben Jamaika vor uns, die die sozialen Fragen ausklammern werden. Die Partei hat immer zusammengehalten, dass sie einen klaren inhaltlichen Auftrag hat, nämlich den Auftrag, die Interessen der Beschäftigten, der Erwerbslosen und der Rentner und Rentnerinnen in diesem Land zu vertreten, eine klare Stimme für soziale Gerechtigkeit zu sein. Das müssen wir jetzt in den Vordergrund stellen und dann glaube ich auch, dass wir eine lebendige und geschlossene Opposition sein werden.
    Münchenberg: Wir haben vorhin Sahra Wagenknecht gehört, die ja schon gesagt hat, das alles sei sehr unnötig gewesen, was da gestern abgelaufen ist. Haben Sie nicht auch die Sorge, dass da sehr tiefe Verletzungen zurückbleiben, die natürlich demnächst auch wieder aufbrechen werden?
    Riexinger: Na ja, es wird sicher ein Nachdenken in der Fraktion geben. Sie selber muss auch darüber nachdenken, ob diese Vorgehensweise jetzt geeignet war, den Zusammenhalt zu fördern. Ich glaube, dass man so einen Brief nicht schreiben darf. Aber wie gesagt, wir haben klar gesagt, dass wir einen Schlussstrich darunter ziehen. Jetzt muss auch sie was tun dafür, dass die Fraktion integriert wird und dass sich alle dort wiederfinden. Dazu ist sie gewählt worden. Sie hat einen Vertrauensvorschuss bekommen und sie muss jetzt dafür sorgen, dass sie eine Vorsitzende der gesamten Fraktion wird.
    "Die Grünen werden den sozialen Kern nicht verteidigen"
    Münchenberg: Herr Riexinger, noch eine Frage zu den heute beginnenden Sondierungsgesprächen in Sachen Jamaika. Ihre Erwartungen an dieses potenzielle Bündnis in Sachen Sozialpolitik auch wohl eher gering?
    Riexinger: Ja. Ich glaube, das wird die zentrale Frage sein. Meine Einschätzung ist, dass die CDU von der FDP unter Druck gesetzt wird, eher von rechts, mehr Liberalisierung, mehr Marktgläubigkeit zu machen, das Soziale eher abzubauen. Die Grünen werden den sozialen Kern nicht verteidigen, sondern eher auf Zugeständnisse hoffen in der Klimafrage. Und wie gesagt, die Frage des Sozialen und der sozialen Gerechtigkeit wird auf der Strecke bleiben. Das ist meine Erwartung. Das wird nicht gut sein für das Land, weil die soziale Spaltung zunimmt, immer mehr Menschen ausgegrenzt werden und zu wenig getan wird für Bildung, Erziehung und Gesundheit. Hier hat Die Linke eine wichtige Aufgabe. Ich hoffe, auch die SPD sieht da ihre Aufgabe, klare Alternativen zu diesem eventuellen Regierungsbündnis aufzuzeigen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.