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Bertelsmann Stiftung
Deutsche Wirtschaft profitiert von kultureller Vielfalt

Rund jeder sechste Unternehmer in Deutschland hat inzwischen einen Migrationshintergrund. Das zeigt eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Ein Fazit: Selbstständige mit Zuwanderungsgeschichte leisten einen wichtigen Beitrag zur deutschen Wirtschaft. Die Stiftung spricht gar von einem Jobmotor.

Von Silke Tornede | 11.08.2016
    Die aus Brasilien stammende Leiterin der Kundenbetreuung des Magnetschmuck-Herstellers "Energetix", Fabiana Reichmann (r), unterhält sich am 30.09.2015 im Sitz des Unternehmens in Bingen (Rheinland-Pfalz) mit ihrer aus dem Kamerun stammenden Mitarbeiterin Frederique Douale.
    Als Unternehmer verdienen Migranten im Schnitt fast doppelt so viel wie abhängig beschäftigte Landsleute. (picture alliance / dpa / Fredrik von Erichsen)
    Gut 700.000 Selbständige mit ausländischen Wurzeln gab es 2014 in Deutschland - 25 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Rund zwei Millionen Jobs haben diese Unternehmer laut der Bertelsmann-Studie für sich und andere geschaffen, die meisten davon in Nordrhein-Westfalen. Doch andere Bundesländer holen auf, sagt Studienleiter Armando Garcia Schmidt: "Gerade was den Beschäftigungsbeitrag angeht sehen wir, dass es in Bundesländern wie Bayern und Baden-Württemberg eine hohe Dynamik gibt, während in Nordrhein-Westfalen der Beschäftigungseffekt auf relativ hohem Niveau stagniert."
    Für die Migranten selbst bedeutet Selbstständigkeit oft sozialer Aufstieg: Als Unternehmer verdienen sie im Schnitt fast doppelt so viel wie abhängig beschäftigte Landsleute. Und auch das zeigt die Studie: Diese Unternehmer sind längst nicht mehr hauptsächlich im Handel oder der Gastronomie tätig, sondern zunehmend in anderen, wissensintensiven Dienstleistungen und im produzierenden Gewerbe. Zudem sind sie oft jünger als deutsche Selbständige. "Deren Altersdurchschnitt ist in den letzten Jahren bis zu 50 Jahre angestiegen. Das führt uns zu dem Schluss, dass sehr viel, was aus der Gründungsszene im jüngeren Bereich da ist, auch von Menschen mit Migrationshintergrund getragen wird."
    Sohn türkischer Einwanderer macht sich selbstständig
    Eyüp Aramaz, Sohn türkischer Einwanderer, gehört zu dieser Szene. Vor zwei Jahren machte sich der 27-Jährige mit einer Social-Media-Agentur selbstständig. Sein Geschäft wächst. "Wir haben so eine gute Entwicklung, dass ich zwei eingestellt habe, noch Aushilfskräfte, zwei Damen, Tendenz aber steigend, es schaut so aus, dass wir weiter wachsen."
    Dass er den Schritt in die Selbständigkeit gewagt hat – Aramaz ist überzeugt, dass seine Herkunft dabei eine Rolle gespielt hat. "Ich komme aus einem Bielefelder Ghetto, wir haben relativ früh gelernt, was es heißt, Geld zu verdienen. Ich glaube, der Migrationshintergrund hilft dahingehend, weil man diesen Biss hat, weil man diesen Willen hat. Weil man auch keine Angst hat vor dem Verkaufen. Also diese Basarmentalität hat man schon."
    Studie: mehr Beratung speziell für Migranten nötig
    Hemmend seien dagegen Sprachprobleme und bürokratische Hürden. Die Bertelsmann Stiftung fordert darum mehr Bildung und Beratung speziell für Migranten – und ein Zugehen auf die Zielgruppe. Wirtschaftsexperte Garcia Schmidt: "Wir wissen aus Gesprächen, dass es da gerade bei Menschen mit Migrationshintergrund oftmals eine Schwellenangst gibt. Die stehen dann, böse gesagt, vor dem Glaspalast der Handelskammer, und sagen dann: 'Da gehe ich lieber nicht rein', und diese Menschen erfahren dann auch keine Beratung. Und deswegen sagen wir, da braucht es eine bessere Zusammenarbeit von den Kammern mit Migrantenorganisationen."
    Denn die deutsche Wirtschaft, so das Resümee der Bertelsmann Stiftung, könne von Zuwanderern und kultureller Vielfalt nur profitieren.