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Bertelsmann-Umfrage
Viele Israelis lieben Deutschland

50 Jahre nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen ist Deutschland in Israel beliebter als umgekehrt. Laut der Umfrage der Bertelsmann-Stiftung denken die meisten jüdischen Israelis gut über Deutschland und die Deutschen. Hierzulande wollen allerdings vor allem Jüngere einen Schlussstrich unter die Geschichte ziehen.

Von Sebastian Engelbrecht | 26.01.2015
    Eine Frau und ein Mann mit einer israelischen und einer deutschen Flagge.
    Israelische und deutsche Fans schwenken ihre Flaggen für Sportler bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London. (picture alliance / dpa / Sharifulin Valery)
    Deutschland ist in Israel beliebter als umgekehrt. Die große Mehrheit der Israelis hat eine positive Einstellung gegenüber Deutschland. 68 Prozent der jüdischen Israelis, mehr als zwei Drittel, denken „ziemlich gut" oder sogar „sehr gut" über Deutschland und die Deutschen. Vor 25 Jahren dachte noch nicht einmal die Hälfte der Israelis so gut von den Deutschen. Stephan Vopel, Israel-Experte der Bertelsmann-Stiftung, deutet das Ergebnis der repräsentativen Umfrage aus den Jahren 2013 und 2014.
    "Das liegt auf israelischer Seite sicherlich daran, dass die Israelis das Deutschland der Vergangenheit in Schwarz-Weiß-Bildern sehen, gewissermaßen der Wochenschauen, und auf der anderen Seite aber das Deutschland von heute in Farbe sehen, und das ist eben Fußball, das sind Autos, das ist auch ein weltoffenes Berlin, und die Israelis differenzieren also zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. Das heißt, sie vergessen die Vergangenheit nicht, die spielt weiterhin eine große Rolle, aber sie leben eben auch in der Gegenwart."
    Deutsche finden Regierung noch schlechter als das Volk
    Umgekehrt haben nur 46 Prozent der Deutschen positive Gedanken im Blick auf Israel. Die Deutschen unterscheiden nach den Ergebnissen der Bertelsmann-Studie zudem noch zwischen dem Staat Israel und dem jüdischen Volk. Von der israelischen Regierung haben gar 62 Prozent der Deutschen eine schlechte oder sehr schlechte Meinung.
    Besonders distanziert zeigen sich die jüngeren Deutschen gegenüber Israel. 65 Prozent der Deutschen unter 40 wollen einen "Schlussstrich" unter die Geschichte des Holocaust ziehen, bei den über 40jährigen sind es 51 Prozent. Stephan Vopel:
    "Hier mag auch dann der Nahostkonflikt eher herangezogen werden, gewissermaßen in Form einer unbewussten Entlastungsfunktion. Wenn die Israelis also auch in Konflikte verwickelt sind, dann fällt es uns leichter, uns unserer eigenen Vergangenheit zu entledigen. Und insofern schauen die Deutschen dann, die jüngeren Deutschen besonders, kritisch auf das heutige Israel."
    Die meisten Israelis wollen keinen Schlussstrich ziehen
    Auf der anderen Seite lehnen es drei Viertel der Israelis ab, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen. Die Israelis sehen den Holocaust in ihrer kollektiven Erinnerung völlig anders als die Deutschen. Für sie ist die Shoah ein historisches Phänomen. Die Mehrheit der Deutschen dagegen sieht den Holocaust nicht in erster Linie als ein geschichtliches Ereignis. Stephan Vopel von der Bertelsmann-Stiftung erklärt diese Einstellung der Deutschen:
    "Heutzutage ist ein Teil der Israel-Kritik durchaus der Tatsache geschuldet, dass die Lehren, die Deutsche aus der Vergangenheit gezogen haben, eben Lehren sind, die sich auf universalistische Prinzipien beziehen. Das haben die Deutschen durchaus gemein mit anderen europäischen, gerade den westeuropäischen Staaten. Der Holocaust ist in der deutschen, europäischen Deutung heute nicht mehr in erster Linie ein spezifisches historisches Ereignis mit spezifischen historischen Schlussfolgerungen, sondern ein universelles Ereignis geworden. Es war zuerst gewissermaßen ein Völkermord, und heute ist daraus eigentlich das Prinzip der Achtung der Menschenrechte als oberstes Prinzip geworden."
    Aus der Sicht von Stephan Vopel gibt es also viel zu tun im deutsch-israelischen Austausch. Er beobachtet gerade unter den jüngeren Menschen beider Länder eine "zunehmende Entfremdung". Dagegen helfen aus der Sicht der Bertelsmann-Studie nur mehr persönliche Begegnungen von Deutschen und Israelis.
    Programmschwerpunkt Januar bis Mai 2015: Am 12. Mai 1965 nahmen Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen auf. Nur 20 Jahre nach der Shoah war dies für Israel kein einfacher Schritt. Für beide Länder war es die Chance zu einem Neuanfang. Deutschlandradio nimmt die Eröffnung von Botschaften in Tel Aviv und Bonn vor 50 Jahren zum Anlass, die besonderen Beziehungen beider Staaten in einem Programmschwerpunkt zu beleuchten.
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