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Bertha von Suttner
Viele Porträts einer ungewöhnlichen Frau

Vor 100 Jahren starb die Pazifistin und erste Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner. Vielen ist sie ein Begriff, doch nur wenige kennen die große Bedeutung der Journalistin und Autorin für die internationale Friedensbewegung. Einige Bücher versuchen, ihr Leben auch für junge Leser aufzubereiten.

Von Sylvia Schwab | 21.06.2014
    Bertha von Suttner (1843-1914), undatierte Aufnahme: Die österreichische Pazifistin und Schriftstellerin regte die Stiftung des Friedensnobelpreises an, mit dem sie selbst 1905 als erste Frau ausgezeichnet wurde.
    Bertha von Suttner (1843-1914), undatierte Aufnahme: Die österreichische Pazifistin und Schriftstellerin ("Die Waffen nieder") regte die Stiftung des Friedensnobelpreises an, mit dem sie selbst 1905 als erste Frau ausgezeichnet wurde. (picture-alliance / dpa)
    Schaut man sich in Buchhandlungen oder im Internet nach Porträts über Bertha von Suttner für junge Leser um, tut sich fast gähnende Leere auf. Drei Titel gibt es, aber: Ilse Klebergers Biografie bei dtv junior ist vergriffen. Charlotte Kerners schöne Darstellung der Lebenswege von dreizehn Nobelpreisträgerinnen bei Beltz & Gelberg - ebenfalls vergriffen. Allein Christian Nürnbergers Band über "Mutige Menschen" aus dem Jahr 2008 im Gabriel Verlag ist noch erhältlich. Er enthält zwölf Porträts, fünf davon sind Frauen gewidmet. Bertha von Suttner ist die älteste.
    Woran mag es liegen, dass die resolute Dame aus dem österreichischen Hochadel, eine der ungewöhnlichsten und eigenständigsten Frauen ihrer Zeit, eine solche Randerscheinung ist in der Jugendliteratur? Wäre nicht gerade sie dazu prädestiniert, junge Leser mit ihrem Engagement und ihrem Idealismus zu beeindrucken, Vorbild und auch Thema in der Schule zu sein? Schließlich war Bertha von Suttner, die 1843 als Bertha Sophia Felicita Gräfin Kinsky von Chinic und Tettau in Prag geboren wurde, nicht nur die bekannteste Friedensaktivistin des 19. Jahrhunderts. Was sich unter anderem darin zeigt, dass sie die österreichische 2-Euro-Münze ziert. Sie war auch eine prominente politische Journalistin und kämpfte ihr Leben lang leidenschaftlich gegen die Unterdrückung der Frauen und den Antisemitismus. Ihr Roman "Die Waffen nieder" - literarisch nicht besonders anspruchsvoll, dafür emotional mitreißend geschrieben – wurde außerdem zum Weltbestseller und sein Titel zum Schlagwort der internationalen Friedensbewegung.
    20 Jahre Friedensarbeit
    "Nieder mit den Waffen!" überschreibt der renommierte Journalist und Autor Christian Nürnberger sein 22-seitiges Bertha-von-Suttner-Porträt. Um dann flott und schwungvoll einzusteigen:
    "Manchmal braucht es ein paar Demütigungen, eine nicht ganz leichte Kindheit, die Hinnahme gewisser Widersprüchlichkeiten im eigenen Leben und ein notorisch überzogenes Bankkonto, damit aus einem Mädchen nicht eine dumme Göre, verwöhnte Zicke und depressive Ehefrau, sondern eine interessante Persönlichkeit wird. Eine Frau, die Geschichte macht, den Nobelpreis bekommt und unzähligen Schulen einen Namen gibt."
    Damit spricht Nürnberger gleich am Anfang ein zentrales Thema an: Wie kam es, dass diese begabte und bildhübsche Tochter aus altem Adel sich nicht einen reichen Aristokraten angelte und ein sattes Leben mit vielen Hausangestellten und Kindern führte? Stattdessen heiratete sie spät und heimlich den sieben Jahre jüngeren Arthur von Suttner, brannte mit ihm in den Kaukasus durch, verdiente sich ihren Lebensunterhalt hart mit Schreiben und widmete ihr ganzes Leben der erschöpfenden Arbeit für den internationalen Frieden.
    Christian Nürnberger entwickelt diesen ungewöhnlichen Lebensweg klug und verständlich. Er erzählt psychologisch feinfühlig, in seinen sozialkritischen Analysen aber eher bissig und äußerst unterhaltsam von Berthas Jugendjahren. Ein wenig schnoddrig im Ton referiert er die Abenteuer, auf die sie sich einlässt. Und mit spürbarer Sympathie fasst er die zwanzig Jahre der Friedensarbeit zusammen. Statt die Unzahl von Berthas Reisen, Reden, Veranstaltungen und Kongressen, hält Nürnberger sich an die wichtigen Leitideen und Aktionen. Seine Sätze sitzen, seine Beobachtungen für Jugendliche ab 13 Jahren machen Lust auf mehr.
    Umfassende Biografie mit Schwächen
    Mehr bietet auf jeden Fall die einzige im Augenblick lieferbare Biografie Bertha von Suttners von Brigitte Hamann. Geschrieben ist sie für Erwachsene, erschienen 2013, zum 170. Geburtstag der Nobelpreisträgerin.
    "Am 12. Juli 1876 wurden Arthur und Bertha in einer entlegenen Vorstadtkirche vor verschwiegenen Zeugen getraut. Wie wenig Bedeutung Bertha allerdings der kirchlichen Zeremonie beimaß ... zeigt die Tatsache, dass sie in ihren Memoiren die falsche Kirche angibt."
    Hamanns Text ist seriös recherchiert, enthält eine Menge Fotos und liest sich flüssig. Im Aufbau, Ton und zum Teil sogar in Details erinnert er an die vergriffene Biografie für Jugendliche von Ilse Kleberger. Insofern ist er für junge Leute ab circa 15 Jahren geeignet. Doch Hamanns Biografie teilt mit Klebergers Porträt auch dessen Schwächen: Sie referiert penibel Berthas Friedensaktivitäten, diese Aufzählung unzähliger Namen, Reisen, Begegnungen, Verhandlungen und Projekte wirkt jedoch zäh und auf die Dauer ermüdend. Eine umfassende Biografie also für Spezialisten oder Liebhaber, nicht aber für junge Leute, die man mit spannenden Entwicklungen und einem frischen Stil neugierig machen sollte.
    Zu kurze Porträts
    In drei weiteren Sammelbänden für Erwachsene gibt es Einzel-Porträts von Bertha von Suttner. "Wienerinnen, die lesen, sind gefährlich" heißt eine Anthologie von Isabella Lechner. Sie stellt die Kurzbiografien von 17 Wiener Frauenrechtlerinnen, Künstlerinnen, Schriftstellerinnen und anderen sogenannten "Pionierinnen" zusammenstellt. Anna Freud ist dabei, Alma Mahler-Werfel, Hilde Spiel und – erstaunlich - Elisabeth von Österreich. Die Zuordnungen sind ein wenig kurios, die Texte meist nicht mehr als sieben Seiten lang und eher spröde geschrieben. Ein Konfirmationsgeschenk für "Mädchen aus gutem Hause".
    "Frauen, die denken, sind gefährlich und stark", lautet der Titel von Stefan Bollmanns Sammelband mit den Porträts von 26 "Vordenkerinnen, Forscherinnen, Frauenrechtlerinnen oder Rebellinnen". Abgesehen davon, dass Bollmanns Bücher über Frauen, die lesen, denken oder schreiben, in die Reihe der Coffeetable-Books einzureihen sind - edel gemacht aber und irgendwie dünn - ist das dreiseitige Suttner-Porträt viel zu kurz, um einen Eindruck von der Persönlichkeit oder Bedeutung der Friedensnobelpreisträgerin bekommen.
    Wenig faszinierendes für Jugendliche
    Bleibt schließlich Dieter Wunderlichs Anthologie über "Wagemutige Frauen" im Piper Verlag. Wunderlich präsentiert 16 Porträts aus drei Jahrhunderten, das der Bertha von Suttner ist 22 Seiten lang. Doch der historische Tiefgang hat keine literarische Entsprechung. Der Text ist sachlich exakt geschrieben, aber ohne spürbare Begeisterung.
    Eine gute Biografie sollte Jugendliche aber faszinieren. Durch die Persönlichkeit und das Leben des Porträtierten. Durch ein Thema, das junge Leute packt und nicht zuletzt durch eine Sprache, die gut lesbar und verständlich ist, zugleich aber sensibel genug, um Brüche und Stolpersteine im Leben des Helden begreifbar zu machen. Eine solche Biografie ist zum 100. Todestag von Bertha von Suttner nicht auf dem Markt - und das ist sehr schade! Mein Wunsch wäre: dass Christian Nürnberger mit dem ihm eigenen Charme, Geschick und Einfühlungsvermögen diese Lücke füllt! Nicht umsonst ist er schon einmal für ein biografisches Buch mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet worden.