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Berufsverkehr
Belohnung für Stauvermeider

Wer sein Auto zu Hauptverkehrszeiten stehen lässt, bekommt Geld - so lautete das Prinzip eines Modellversuchs in den Niederlanden, mit dem Staus vermieden werden sollten. Das Ergebnis ist eindeutig.

Von Kerstin Schweighöfer | 03.04.2014
    Schon seit Jahrzehnten droht den Niederländern der Verkehrsinfarkt, das Melden der morgendlichen Staus dauert manchmal länger als das Lesen der Nachrichten. Nur in Belgien stehen Autofahren in Europa länger im Stau als in den Niederlanden. Nichts hat die Niederländer bislang dazu bewegen können, das Auto stehen zu lassen oder weniger zu benutzen. Auch nicht der Versuch, bestimmte Autobahnteilstrecken für den normalen Verkehr zu sperren und dort nur noch Fahrgemeinschaften zuzulassen - also Pkw, in denen mindesten zwei Personen sitzen. Diese Maßnahme aus den 1980er Jahren zählt zu den denkwürdigsten überhaupt - auch deshalb, weil viele Autofahrer beim Überholen erstaunt feststellen mussten, dass im Auto nebenan eine Schaufensterpuppe auf dem Beifahrersitz saß.
    Der Plan, diese Maßnahme landesweit einzuführen, verschwand nach dem misslungenen Pilotprojekt schnell wieder in der Schublade. Das gilt auch für den Versuch, eine Staugebühr einzuführen - also Autofahrer zu bestrafen, wenn sie im Stau stehen, weil sie unbedingt zu den Stoßzeiten auf die Straßen müssen.
    Erfolgreich hingegen verlief soeben ein Projekt zwischen Utrecht, Hilversum und Amersfoort, das es andersherum versuchte - sozusagen im Guten: Wer das Auto zu den Stoßzeiten stehen ließ, wurde jedes Mal belohnt und konnte bis zu 100 Euro pro Monat verdienen. "Meide den Stau" hieß das Projekt:
    "Bestrafen funktioniert nicht", sagt Remco van Lunteren, Abgeordneter der Provinz Utrecht für Verkehr und Mobilität. "Es ist viel besser, Menschen zu belohnen. Das zeigt Effekt."
    Das Projekt begann 2011. 5000 Autofahrer beteiligten sich. Allen wurde ein schwarzes Kästchen ins Auto eingebaut, das GPS-Signale empfangen kann zur Registrierung sämtlicher Fahrten und das am Monatsanfang immer automatisch mit einem Guthaben von 100 Euro gefüllt wurde.
    Bei Benutzung des Autos zu den Hauptverkehrszeiten morgens oder abends wurde von den 100 Euro immer ein Teil abgezogen. Folge: Für die 5000 Teilnehmer wurde es ein Sport, am Monatsende möglichst viel von den 100 Euro übrig zu haben. Das Geld stand zur freien Verfügung.
    Ergebnis: Die Staus wurden kleiner und lösten sich schneller auf, die Autos besser über den Tag verteilt. Denn statt wie bisher an fünf begaben sich die Teilnehmer nur noch an drei Wochentagen zu den Stoßzeiten auf die Straßen. Pro Tag nahm die Zahl der Autos um 3000 ab, das sind fünf Prozent weniger. Anders ausgedrückt: Pro Monat wurden zu den Stoßzeiten 1,5 Millionen Kilometer weniger gefahren. Das bedeutet auch weniger Benzin und weniger CO2-Ausstoss. Und damit nicht genug, sagt Abgeordneter van Lunteren: Auf diese Weise könnten auch noch fünf Millionen Euro pro Jahr auf anderen Gebieten eingespart werden:
    "Es passieren ja auch weniger Unfälle. Außerdem werden die Straßen weniger intensiv genutzt, dadurch kann beim Unterhalt Einiges eingespart werden!"
    Das "Meide den Stau"-Projekt endete im Februar 2014, der Abschlussbericht wird für die nächsten Monate erwartet - und damit möglicherweise auch eine Fortsetzung.