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Besiedlung Amerikas
Keine Spur von europäischem Einfluss

Paläoanthropologie. - 1968 wurde auf dem Grundstück der Familie Anzick in Montana Sandstein für Bauarbeiten an der örtlichen Schule gebrochen. Und dabei gelang unter einem Felsen eine zufällige Entdeckung, die sich fast ein halbes Jahrhundert später als zentraler Puzzlestein für die Rekonstruktion der Besiedlung Amerikas entpuppen sollte: das Grab eines kleines Kindes aus der sogenannten Clovis-Kultur: eine Kultur von Jägern und Sammlern, die vor weit mehr 12.000 Jahren in Amerika entstanden ist. In der neuen Nature wird nun eine Genanalyse präsentiert, die Licht in die Abstammungsgeschichte der amerikanischen Ureinwohner wirft.

Von Dagmar Röhrlich | 13.02.2014
    Berühmt sind sie vor allem für ihre Speerspitzen aus Feuerstein: sorgfältig bearbeitete, doppelseitige Schneiden, die 1937 zuerst in Clovis gefunden wurden, einem Ort im US-Bundesstaat New Mexico.
    "Die Clovis-Technologie entstand vor rund 13.000 Jahren in Nordamerika, südlich des Eisschilds, der Kanada bedeckte",
    beschreibt Michael Waters von der Texas A&M University in College Station. Viele Artefakte der Clovis-Kultur wurden inzwischen entdeckt, aber nur eine einzige Grabstätte: eben die des Anzick-Kindes.
    "Es wurde mit 125 Artefakten beigesetzt, darunter auch Speerspitzen. In der Zeremonie war alles mit Puder aus rotem Ocker bestäubt worden. Die Radiokarbondatierung ergab, dass der ein- bis anderthalb Jahre alte Junge vor etwa 12.600 Jahren starb und damit gegen Ende der Clovis-Kultur."
    Die genetische Analyse des Anzick-Kindes verrate viel über die Besiedlungsgeschichte Nordamerikas, erklärt Eske Willerslev von der Universität Kopenhagen:
    "Der Junge ist näher mit den amerikanischen Ureinwohnern verwandt als mit allen anderen Menschen der Welt. Die Familienlinie des Anzick-Kindes führt über die Clovis zu den Ureinwohnern Südamerikas und Mexikos. Wie es mit denen in den USA aussieht, ist mangels Vergleichsproben eine offene Frage."
    Die Ureinwohner Kanadas seien jedenfalls eher die Cousins der Anzick-Familie, führt Eske Willerslev weiter aus. Denn die DNA belegt auch, dass sich die Gruppen der nach Nordamerika eingewanderten Jäger und Sammler aufgespalten hatten - und zwar bevor die Clovis-Kultur entstand. Entschieden ist außerdem eine von einer Minderheit unter den Archäologen geführte Debatte:
    Willerslev: "Wir können sagen, dass die Hypothese, nach der die Vorfahren der Clovis aus Europa stammen könnten, nicht mit unseren Daten übereinstimmt."
    Vielmehr stammen die Ahnen der Anzick-Familie aus Asien, waren über die Beringia-Landbrücke gezogen, die während der Eiszeit Russland und Alaska verband. Angesichts dieser Ergebnisse begrüßt die Anthropologin Jennifer Raff von der University of Austin in Texas die Arbeit ihrer Kollegen: Sie begrabe die umstrittene Europa-Hypothese:
    "This study is the last shovel full of dirt on it‘s grave."