Freitag, 19. April 2024

Archiv


Besoldung unter Wert

Mit der Einführung der sogenannten W-Besoldung vor rund drei Jahren sanken die Grundgehälter neu berufener Professoren um etwa 20 Prozent. Bernhard Kempen vom Deutschen Hochschulverband fordert daher auch im Hinblick auf die Konkurrenzfähigkeit deutscher Universitäten eine erheblich höhere Professorenbesoldung.

Moderation: Jörg Biesler | 25.02.2008
    Jörg Biesler: Schon das jahrelange aufwendige und oft unprofessionell organisierte Berufungsverfahren, dessen Ende kaum vorhersehbar ist - wir haben es gerade gehört -, macht die Professur in Deutschland international wenig attraktiv. Seit 2005 gibt es aber auch noch weniger Geld als zuvor für die Professoren. Mit der Einführung der sogenannten W-Besoldung sanken die Grundgehälter neu berufener Professoren um etwa 20 Prozent. Außerdem bekommen sie nicht mehr automatisch alle zwei Jahre mehr Geld. Rund 3.900 Euro bekommt ein erstberufener W2-Professor seitdem. Das ist unter Umständen weniger als ein wissenschaftlicher Angestellter in der Gruppe BAT IIa. Vor einem Jahr hat der Deutsche Hochschulverband dringend eine Verbesserung der Professorenbesoldung angemahnt. Bernhard Kempen ist selbst Professor und Präsident des Deutschen Hochschulverbandes. Guten Tag, Herr Kempen!

    Bernhard Kempen: Guten Tag, Herr Biesler!

    Biesler: Um noch einmal zurückzuschauen: Was ist denn eigentlich der Grund gewesen für die Einführung der W-Besoldung?

    Kempen: Mit der W-Besoldung sollte im öffentlichen Dienst exemplarisch vorgeführt werden, wie Leistungsanreize gesetzt werden können und eine insgesamt leistungsgerechtere Besoldung geschaffen werden kann.

    Biesler: Also die Professoren, die sich besonders hervorgetan haben in der Forschung, in der Lehre, sollten einfach mehr Geld bekommen können als der Durchschnitt? Es sollte nicht mehr jeder gleich viel bekommen?

    Kempen: Ja, das ist richtig. Es sollten also Leistungen besonders honoriert werden und auf diese Weise sollte Motivation erzeugt werden. Aber das Problem ist, das kann nur gelingen, wenn man auch wirklich Summen ins Spiel bringt, die eine bestimmte oder eine deutliche Anreizfunktion haben. Und das ist leider nicht passiert, sondern wir reden hier über Größenordnungen, die im internationalen Vergleich und auch im Vergleich mit der Wirtschaft nicht diskussionswürdig sind und die in keiner Relation zu dem bürokratischen Aufwand stehen, den jeder einzelne Professor, jede einzelne Professorin betreiben muss, um in den Genuss einer solchen Leistungszulage zu kommen.

    Biesler: Ich habe es gerade gesagt, 3.900 Euro bekommt ein erstberufener W2-Professor. Bei einer W3-Professur, die also in etwa dem Standard von C4 früher entsprechen würde, wären es 4.500 Euro. Wo würde es denn anfangen, interessant zu werden?

    Kempen: Wir müssen die Grundbesoldung ganz erheblich nach oben bringen, denn nur so können wir im internationalen Vergleich mithalten. Sie müssen sich nur die Professorenbesoldung in der Schweiz anschauen, in Japan, in den Vereinigten Staaten von Amerika, und das sind die Staaten, mit denen wir uns auch im Leistungsvergleich messen wollen und messen können, um zu sehen, dass wir da hoffnungslos hinterherhinken. Es hat schon Gründe, warum viele Berufungslisten, übrigens auch in den süddeutschen Bundesländern, platzen, das heißt, da werden drei Kandidaten der Reihe nach sozusagen abgearbeitet, um dann festzustellen, dass keiner der Berufenen den Ruf angenommen hat, mit dem Grund oder mit dem Argument, dass die Besoldung, die da geboten wird, schlichtweg nicht ausreicht.

    Biesler: Die genannten Summen sind ja Einstiegsgehälter, also für Erstberufene. Für Professoren, die ihren Lehrstuhl wechseln von einer Hochschule zur anderen, gibt es ja durchaus die Möglichkeit, mehr zu zahlen. Reicht das immer noch nicht aus?

    Kempen: Nein, das reicht immer noch nicht aus. Aber zunächst noch ein Wort zu den Grundgehältern. Die Grundgehälter 3.890 Euro für eine W2-Professur, das ist, wie gesagt, zunächst einmal viel Geld, das wissen wir auch. Aber Sie müssen das immer in der Relation sehen zu den Gehältern, die in der Wirtschaft bezahlt werden etwa, oder auch zu den Gehältern und Besoldungen, die im Ausland geleistet werden. Und dann wird deutlich, dass das so nicht gehen kann. Jetzt zu den Berufungszulagen. Es gibt Berufungszulagen, aber auch hier muss man sehen, dass der Topf nach oben gedeckelt ist. Das heißt, ein Bundesland, selbst wenn es in der Lage wäre, sozusagen viel Geld für Professorenbesoldung aufzuwenden, kann dies gar nicht, weil gesetzlich ein Deckel draufgeschraubt ist sozusagen. Die Besoldung darf pro Haushaltsjahr immer nur um fünf Prozent nach oben oder auch nach unten rauf- oder runtergefahren werden. Und dieser Deckel wird an die Universitäten weitergegeben, und in den Universitäten an die Fakultäten, sodass man mit anderen Worten da wenig Spielraum ist, um mit der Besoldung tatsächlich eine gewisse Flexibilität zu erreichen.

    Biesler: Das würde also bedeuten, wenn ich als Universität eine Koryphäe einkaufen will, muss ich dafür ganz viel Durchschnitt einkaufen, um sozusagen wieder auf dem gleichen Level zu sein, was die Gesamtbezahlung angeht?

    Kempen: Genauso ist es. Was wir dem einen geben, das müssen wir vorher bei dem anderen genommen haben. Und Sie können sich vorstellen, dass das nicht unbedingt den sozialen Frieden innerhalb einer Fakultät oder Einrichtung fördert und dass im Übrigen auch, wie soll man sagen, die Manövriermasse dann sehr schmal wird. Wie will eine Fakultät sich hier tatsächlich in der Breite gut aufstellen und exzellente Leistungen bringen, wenn es ihr nur möglich ist, in einzelnen Fällen tatsächlich mal eine zarte Besoldungszulage zu gewähren.

    Biesler: Jetzt haben Sie vor einem Jahr - ich habe es zu Beginn gesagt - einmal einen Forderungskatalog aufgestellt, was sich eigentlich verändern müsste, in welche Richtung - Sie nannten es damals eine Weiterentwicklung - die Professorenbesoldung sich bewegen sollte. Wie hat die Politik bis jetzt darauf reagiert, nach etwa zwölf Monaten?

    Kempen: Das Sagen haben hier weniger die Wissenschaftsminister, sondern die Finanzminister. Und deswegen sind wir seit einiger Zeit mit den Finanzministerien in den 16 Bundesländern in Kontakt, und wir beobachten, dass in einzelnen Bundesländern immerhin bereits Ansätze vorhanden sind, die W-Besoldung zu reformieren. Wir werden jetzt dieses Jahr 2008 sehr aktiv werden, um hier politischen Druck zu erzeugen, um dafür zu sorgen, dass einzelne Bundesländer zur Korrektur schreiten. Ich fühle mich da etwas ermuntert und auch ermutigt, weil die Gespräche, die wir mit Ministerien führen und auch mit den Ministern führen, allesamt zu einem gemeinsamen Befund kommen: Es gibt heute niemand in der politischen Szene, der uns widerspricht, wenn wir sagen, die W-Besoldung ist stark reformbedürftig, es muss mehr Geld ins System.

    Biesler: Die Professorenbesoldung und ihre Konkurrenzfähigkeit. Das Gespräch mit Bernhard Kempen vom Deutschen Hochschulverband haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.