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"Besonders attraktive Menschen haben genauso Schwierigkeiten"

Ankonditionierte Angst, Signale nicht wahrnehmen, falsche Informationsverarbeitung - Gründe, warum es mit dem Flirten nicht funktioniere, sagt Andreas Baranowski. Der Psychologe hat seine Diplomarbeit über Flirttechniken geschrieben und einige Tipps parat.

Andreas Baranowski im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel | 30.12.2011
    Ulrike Burgwinkel: Es ist entschuldbar, dass ich bislang nichts oder nur äußerst wenig über Seduction- oder Pick-up-Communities gewusst habe: falsches Geschlecht, falsches Alter, falscher Anspruch. In diesen Internetforen tauschen sich überwiegend Männer darüber aus, wie man am besten oder schnellsten eine Frau verführt. Ja, und einige wenige Frauen sind auch dabei, die erkunden dann eben, wie man Männer verführt und auch hält. Genau diese Anmachtipps, diese Flirttechniken, Anbaggerstrategien hat der Mainzer Psychologe Andreas Baranowski von der Uni Mainz in seiner Diplomarbeit unter die Lupe genommen. Titel seiner Arbeit "The Science of Seduction - die Wissenschaft der Verführung". Guten Tag, Herr Baranowski!

    Andreas Baranowski: Guten Tag, Frau Burgwinkel!

    Burgwinkel: Herr Baranowski, was war denn eigentlich Ihr Interesse an dem Thema?

    Baranowski: Ich muss zugeben, ich kannte die Szene, die Pick-up-Community, bevor ich mich wissenschaftlich damit beschäftigt habe, selber nicht. Mein betreuender Professor an der Universität Klagenfurt, wo ich meine Diplomarbeit geschrieben habe, hatte mir damals das Buch "Die perfekte Masche" von Neil Strauss vorgestellt. Und wir hatten überlegt, zu untersuchen, ob diese Techniken funktionieren, ob die funktionieren können, und haben dazu die Überlegung angestellt, die Szene zu untersuchen, die kommerziellen Angebote zu untersuchen. Wir hatten dann auch das Angebot an die Community gemacht, dass wir entsprechende Trainings evaluieren, nur das Feedback war relativ gering. Ja, es gab ein, zwei Firmen, die Interesse bekundet haben, aber im Großen und Ganzen relativ geringes Interesse. Und dazu wollten wir auch ein Training für Frauen anbieten, was es ja in der Community gar nicht gibt, und das dann auch mit denen der Männer vergleichen. Das war so der Hintergrund.

    Burgwinkel: Sie haben jetzt von verschiedenen Problemen gesprochen, aber Sie haben ja schon noch was rausbekommen bei Ihrer Arbeit?

    Baranowski: Genau! Ja, wir haben dann 40 Männer und Frauen gefunden, die sich bereit erklärt haben, an dem Training teilzunehmen. Um das Training zu evaluieren, mussten sowohl Männer wie auch Frauen vor und nach dem Training eine Stunde lang flirten gehen, in einem selbst gewählten Setting oder einer selbst gewählten Umgebung, teils auf der Straße, in einem Klub, wie sie wollten. Und Männer mussten so viele Telefonnummern, Frauen so viele Getränkeeinladungen wie möglich ergattern. Und raus kam, dass tatsächlich sowohl Männer wie Frauen sich verbessert haben, Frauen doppelt so viele Getränkeeinladungen, Männer sogar drei Mal so viele Telefonnummern bekommen.

    Burgwinkel: Ja, und wie geht das? Sie schicken die vor die Tür und sagen, so, jetzt fangt mal an zu flirten - was müssen die denn dann machen?

    Baranowski: Wir hatten einen theoretischen Teil, das war ein sechsstündiges Training, in dem ich auch viel Theorie gemacht habe, Möglichkeiten, Rollen lernen, also vorgestellt, so könnte man das machen, also an Möglichkeiten, die es gibt, aber auch einen praktischen Teil, in dem die Leute rausgeschickt wurden, gesagt wurde, probiert das aus, probiert jenes aus, und kommt wieder, und dann reden wir darüber, wie es euch damit gegangen ist - weil wie überall gilt hier auch: Training macht den Meister -, um so zu sehen: Ich kann mich verbessern, ich kann tatsächlich Erfolge erzielen mit kleinen Schritten.

    Burgwinkel: Das heißt, ich kann meine Angst überwinden, die Angst vor Zurückweisung, oder was ist denn der Hauptgrund? Sind die alle so schüchtern, oder wieso kommen die so schlecht dazu, zum Flirten und brauchen dafür Anweisungen?

    Baranowski: Es gibt ganz unterschiedliche Gründe. Also die Hauptgründe sind tatsächlich ankonditionierte Angst, dass ich einfach Angst habe, andere anzusprechen, weil ich Angst habe, dass ich zurückgewiesen werde, aber auch die falsche Informationsverarbeitung, dass ich gar nicht erkenne, dass die andere Person mich attraktiv findet und die Signale gar nicht wahrnehme. Dann gibt es auch Leute, denen soziale Fähigkeiten fehlen, die es einfach nie gelernt haben, kann man sagen. Und ein geringeres Problem, aber durchaus vorhanden, ist die Attraktivität, dass manche Leute sich einfach zu wenig attraktiv finden, oder auch umgekehrt, besonders attraktive Menschen haben genau so Schwierigkeiten beim Flirten.

    Burgwinkel: Man würde vermuten, dass schöne Menschen es generell leichter haben. Eine Studie der Uni Lüneburg hat gerade noch mal nachgewiesen, dass attraktive Menschen sehr viel mehr verdienen und seltener arbeitslos sind. Das ist gar nicht so beim Flirten?

    Baranowski: Das stimmt, also im alltäglichen Leben haben hübsche Menschen, attraktive Menschen viele Vorteile, aber konkret beim Flirten haben die Leute, die besonders hübsch sind, Schwierigkeiten, einen Partner zu finden, weil sie - vor allem bei Frauen - die Schwierigkeit haben, dass die Partner eingeschüchtert sind. Die haben Angst, die Person anzusprechen. Und dadurch resultiert das, dass große Selbstzweifel auch damit einhergehen, dass sie sagen: Warum spricht mich denn jemand an? Ich bin doch hübsch? Bin ich gar nicht hübsch? Das ist wirklich relativ schwierig. Wobei man auch sagen muss, unsere Studien, meine Studie jetzt, habe ich hauptsächlich mit durchschnittlich attraktiven Menschen gemacht.

    Burgwinkel: Jetzt steht Silvester vor der Tür, Herr Baranowski. Vielleicht hätten Sie noch so einen ganz konkreten Tipp für Schüchterne oder Flirtlernwillige?

    Baranowski: Ja, also eine Möglichkeit ist, einfach mal selber zu probieren, einfach mal rauszugehen, eine Möglichkeit ist doch, wenn Sie es heute hören, gehen sie doch einfach nachher mal raus und jeden, dem Sie begegnen, grüßen Sie einfach mal mit einem "Hi!" und einem breiten Lächeln auf den Lippen. Oder wenn Sie jetzt sagen, das ist mir zu allgemein, ich will schon auch jemand ansprechen, der mir gefällt - gehen Sie zu der Person, überwinden Sie die Angst und fragen Sie einfach was Unverfängliches: Wo ist denn der nächste Supermarkt? Oder: Kennst du dich hier aus? Ich würde heute Abend gerne irgendwo hin weggehen. Weißt du, wo man da hingehen kann? Und so kommt man schon unverfänglich ins Gespräch mit jemand, und auch wenn daraus nichts wird, zumindest hat man mal ein positives Feedback, positive Resonanz und überwindet diese Angst.

    Burgwinkel: Herzlichen Dank! Das war Andreas Baranowski. Er berichtete über die Ergebnisse seiner Diplomarbeit mit dem schönen Titel "The Science of Seduction".

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.