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"Besonders die Kuh war mir ja eigentlich ein sehr wichtiges Tier"

Zu seinen Schülern gehörten Künstler wie Joseph Beuys und Georg Meistermann. Der deutsche Bildhauer Ewald Mataré gilt als ein begnadeter Tierplastiker des Expressionismus und als einer der einflussreichsten Kunstlehrer der Nachkriegszeit. Die Nationalsozialisten brandmarkten seine Kunst als "entartet", trotzdem ging Mataré nicht ins Exil.

Von Carsten Probst | 25.02.2012
    "Wir hatten damals überhaupt nicht geglaubt, noch vor 33 nicht, dass das ein solches Ausmaß annehmen würde. Ich wurde erst betroffen dadurch, dass ich hier schon an die Akademie berufen war und nach einem Jahr schon wieder fort war insofern, als ich einen Brief bekam von dem neuen Direktor damals von der Akademie, ich und Klee, wir hätten die Anstalt sofort zu verlassen und nicht mehr zu betreten."

    Für die Nationalsozialisten gehörte Ewald Mataré zu den "Entarteten Künstlern", musste aber, wie er selbst sagte, nicht um sein Leben fürchten. Er verlor jedoch seine eben erst erhaltene Bestallung als Lehrer an der Düsseldorfer Kunstakademie. Er ging nicht, wie viele andere, ins Exil. Aber er konnte sein Auskommen als Bildhauer nur noch mühsam sichern. 1940 zog er sich dann in den Gasthof des einstigen Zisterzienserklosters Eberbach im Rheingau zurück und bestritt seinen Lebensunterhalt mit kleineren kirchlichen Auftragsarbeiten.

    Matarés Stil war zwar figurativ, aber stark reduziert. Sein Interesse galt den Naturformen, aber er war kein Naturalist und schon gar kein monumentaler Bildhauer, obwohl er in seinem Leben viele öffentliche Denkmäler und Skulpturen geschaffen hat. Am 25. Februar 1887 in Aachen geboren, entstammte Mataré gutbürgerlichen Verhältnissen und wandte sich zunächst einer konservativen Malerei zu, wie seine Meisterschüler-Ausbildung bei dem späteren NS-Propagandamaler Arthur Kampf bezeugt. Doch schon bald ließ er die Malerei hinter sich und entdeckte die Skulptur. Bei Aufenthalten am Meer, vor allem an der Nordsee und im Baltikum, begann er ab 1920 mit angeschwemmtem Treibholz als Material für den modernen Holzschnitt zu arbeiten.

    "Ich war auf dem Land und war eigentlich geflüchtet aus der Stadt, um jetzt endlich für mich zu leben und vielleicht zu finden, wie ich mich künstlerisch betätigen sollte. Und das Tier als solches, besonders die Kuh, war mir ja eigentlich ein sehr wichtiges Tier, weil es in seinen Phasen des Lebens eigentlich nur drei oder vier Formen gibt, in denen es sich bewegt. Das ist das Liegen, das Stehen und das Fressen."

    Geschult an den Idealen neoklassizistischer Reduktion arbeitete Ewald Mataré nun an einer Kunst der elementaren Formen. Tiermotive, neben der Kuh vor allem Kalb, Katze und Hahn, erleichterten ihm den Zugang zu einer gemäßigten Abstraktion. Sie blieben als Körper erkennbar – in ihrer reduzierten Gestalt jedoch erwiesen sie sich mehr als mythische Symbole, als Zeichen mehr denn als Figuren. Eine neue Zeitlosigkeit in die Kunst einzuführen, das war sein Anliegen geworden. Zwar begriff er sich als Bildhauer der Moderne. Doch die Zeit, so Mataré, in die man als Künstler hineingeboren würde, präge das Werk ohnehin ganz von selbst, während es die Aufgabe des Künstlers sei, gerade nicht der eigenen Zeit hinterherzulaufen.

    "Der Wert zwischen Alt und Neu, der musste eigentlich besiegt werden durch die einfache Qualitätsfrage. Dass es gar nicht mehr so darauf ankam, was ist das, sondern das ist ja selbstverständlich, dass ich 1957 meinetwegen arbeite, sodass also das sogenannte Moderne daran ja an sich von selbst versteht, aber nicht, dass ich sage, jetzt will ich aber etwas Modernes machen, das kann ich nämlich nicht, das kann niemand eigentlich, dann wird er im Sinne modern, was man unter schlecht versteht, also modisch."

    Die Arbeit an historischen Bauten sah Mataré innerhalb seines Werkes als besondere Herausforderung an. Zu seinen berühmtesten Aufträgen zählen die Bischofs-, die Papst-, die Pfingst- und die Schöpfungstür am Kölner Dom, an denen er zwischen 1947 und 1954 arbeitete - auch unter handwerklicher Mithilfe seines wohl berühmtesten Schülers: Joseph Beuys. Mataré war zu dieser Zeit wieder als Akademielehrer in Düsseldorf eingesetzt. Beuys selbst, der in seinem Werk ebenfalls oft auf Tiermotive Bezug nimmt, hat später Matarés Einfluss stets hoch angesetzt. Tatsächlich aber war das Verhältnis zwischen beiden gespannt. Mataré, der sein Künstlerleben lang gegen jeden Personenkult angearbeitet hatte, setzte sich 1958 mit allem Nachdruck gegen Beuys' Berufung als Lehrer an die Düsseldorfer Kunstakademie ein: weil, so Mataré, "einer wie Beuys die Schüler mehr fasziniere und weniger zu sich selbst führe".