Donnerstag, 28. März 2024

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Besser Bahnhof als Galerie

Der politische Druck aus dem Bundesverkehrsministerium war nach Ansicht der Ausstellungsmacherin Beate Klarsfeld entscheidend dafür, dass die Deutsche Bahn AG im Streit um die Ausstellung über die Deportation der Juden eingelenkt hat. Entscheidend sei für sie nun, dass die Einigung dazu führt, dass die Schau an möglichst vielen Bahnhöfen in deren Zentrum gezeigt werde.

Moderation: Michael Köhler | 01.12.2006
    Michael Köhler: Im Streit zwischen Bundesverkehrsministerium und Deutscher Bahn um Ausstellung, die umstrittene Ausstellung über die Deportation von Juden zur Zeit des Nationalsozialismus ist es heute Nachmittag zu einer Übereinkunft gekommen. Bahn und Ministerium teilten mit, dass die Ausstellung ab 2008 auf deutschen Bahnhöfen stattfinden kann. Die Absicht der Ausstellungsmacherin Beate Klarsfeld und ihres Mannes, ihre Ausstellung über 11.000 jüdische Kinder "Mit der Reichsbahn in den Tod", auf deutschen Bahnhöfen zu zeigen, das war bislang abgelehnt worden. Im Juni hatten wir dazu Beate Klarsfeld hier in "Kultur heute" gehört. Die Ausstellungsmacherin ist nun gebeten worden, ihr Material und das der Organisation "Filles et Fils des Déportés Juifs de France" (Töchter und Söhne deportierter Juden Frankreichs") für eine größere Ausstellung nun zur Verfügung zu stellen. Ich habe sie vorhin gefragt, was ihrer Meinung nach zum Einlenken geführt hat.

    Beate Klarsfeld: Ausschlaggebend war wahrscheinlich der Druck von Herrn Tiefensee, nicht? Denn er hatte ja schon vor einigen Monaten ein Interview gegeben, wo er also Herrn Mehdorn aufforderte, die Ausstellung in Bahnhöfen zu zeigen. Das war in der "Jüdischen Allgemeinen". Und jetzt noch mal, glaube ich, nach dem fürchterlichen Interview, das Herr Mehdorn in der "Welt am Sonntag" gegeben hatte, wo er uns als Skandalleute bezeichnete, das wäre eine Ausstellung, die nicht in Bahnhöfe gehört, und es wäre ein "Shock and Go". Daraufhin hatten die "Fils et Filles" einen Brief geschrieben an Herrn Tiefensee, am 28. Oktober, gesagt, also wir würden ihm erst mal herzlich danken für sein Engagement und dass er sich doch dem Herrn Mehdorn gestellt hat. Und wenn das so ist, dass das Verkehrsministerium und Reemtsma-Institut eine große Ausstellung aufbauen wollen, dann würden wir vorschlagen, sie sollten sie erweitern auf Deportation und Rettung jüdischer Kinder.

    Denn vor Kriegsbeginn hatten ja viele Eltern die Kinder rausgeschickt, oder die Amerikaner oder die englische Regierung hatten ja die Kinder auch gerettet und viele rausgeholt, 10.000 Kinder gingen nach England und haben überlebt. Dann hatten wir gesagt, was Frankreich anbetrifft, da würden wir gerne, die "Fils et Filles" würden gerne ihr Material zur Verfügung stellen, die "Fils et Filles" würden auch gerne helfen, die Ausstellung zu betreuen, so wie wahrscheinlich auch die Initiative "11.000 Kinder", die sich ja zwei Jahre lang dafür geschlagen haben, und wir würden gerne da mitarbeiten.

    Köhler: Sie haben die Organisation "Fils et Filles" schon mehrfach erwähnt "des Déportés Juifs de France". Diese Ausstellung ist in Frankreich ja sehr erfolgreich gewesen …

    Klarsfeld: Ja, wir hatten ja mit der französischen Eisenbahn, ich meine, der Ausgangspunkt war ja, als wir unsere Ausstellung hier in Frankreich beendeten in den 18 großen Reisebahnhöfen, und von den 11.400 Kindern, die aus Frankreich deportiert waren, waren über 750 entweder in Deutschland oder in Österreich geboren. Und da hatten wir gesagt, also für Deutschland könnte das, für deutsche Bahnhöfe könnte interessant sein, diese Kinder herauszuholen.

    Köhler: Worauf werden Sie Wert legen, Frau Klarsfeld, wenn es um die Präsentation geht?

    Klarsfeld: Also ich meine, da wird einbezogen da die, wahrscheinlich die Technik von der DB, denn die haben eine Historikerin, Frau Susanne Kill. Dann sehe ich auch das Technische Museum. Ich nehme an, auch dass immerhin ein Mittelpunkt sein wird die Ausstellung, die es in Nürnberg gibt über die Verantwortung der Reichsbahn. Wir finden es sehr gut, dass in dieser Erklärung gesagt wurde, im Mittelpunkt soll sein in den Bahnhöfen das unermessliche Leid der deportierten jüdischen Kinder.

    Köhler: Und darüber hinaus, dass es auch in der unmittelbaren Nähe auch gezeigt werden kann?

    Klarsfeld: Na, Bahnhöfe auch, aber nicht? Also, Bahnhof stand ja da. Aber ja auch, natürlich? Also nun weiß ich nicht. Ich meine, in der Erklärung ist nichts, ich habe nichts gehört. Ich weiß nicht, wie viele Bahnhöfe es sein werden. Ich weiß auch nicht, ob es wirklich im Zentrum sein wird, das wissen wir noch nicht.

    Köhler: Insgesamt würden Sie sagen "Ein kleiner Triumph" – soweit man das sagen darf?

    Klarsfeld: Wenn das wahr ist, was in der Erklärung steht, dass es in den Bahnhöfen sein soll und im Mittelpunkt das Leid der deportierten Kinder. Hauptsache für uns war der Bahnhof, denn der Ausgangspunkt war ja Bahnhof. Denn ich meine, die Kinder wurden ja in den Viehwaggons deportiert, fuhren durch diese Bahnhöfe von Paris nach, von Drancy nach Auschwitz ging es über Weimar, ging es über Saarbrücken und Frankfurt und so weiter. Und ein Reisender kann sich das viel einfacher vorstellen, was das Leiden der Kinder war. Sie haben auch den Zug jetzt, als sie "Der letzte Zug" von Brauner gezeigt haben, wie das in den Zügen war. Also ich meine, die Reaktion und das sich Einbinden in solches, in diese Ausstellung ist stärker, wenn man das auf einem Bahnhof tut als in einer Galerie.

    Köhler: Die Ausstellungsmacherin Beate Klarsfeld zur Zusage an der Ausstellung über Deportationen von Juden und der Verwicklung der Reichsbahn daran teilnehmen zu können.