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Bestattungskultur
Verstreuen statt verbuddeln

Ob im Friedwald, auf See, im Weltall oder als Diamant: Die Bestattungskultur ist im Wandel. Nur noch 40 Prozent entscheiden sich für eine klassische Erdbestattung. Ein Grund dafür: Viele Menschen und deren Familien können sich eine Bestattung auf dem Friedhof nicht mehr leisten.

Von Susanne Grüters | 13.04.2017
    Ein Grab mit einer Kerze.
    Immer seltener entscheiden sich Menschen für eine klassische Beisetzung. (imago/McPHOTO)
    "Es ist angelegt wie ein sehr großer Brunnen, nicht ganz so hoch die Umfriedung, aber so mit richtigen, dicken Wackersteinen gemauert.
    Das ist für uns eine reine Kostenfrage. Eine Feuerbestattung kostet vielleicht ein Viertel von dem, was eine Erdbestattung kostet, und bei einer Erdbestattung kommt dazu, das Grab muss weiter gepflegt werden. Meine Kinder leben nicht hier."
    "Mein Vater war bei der Marine, für den war klar, er will mal auf See bestattet werden. Ich brauche keine Grabstätte, um um meine Eltern zu trauern. Es werden auch vom Bestattungsunternehmen so regelmäßige Trauertouren angeboten, man hat ja die See-Koordinaten und kann dort hinfahren und Blümchen hinbringen. Also ich könnte mir das für mich selber auch vorstellen."
    Zwei Stimmen, stellvertretend für die neue Bestattungskultur. Die Mehrheit der Deutschen bevorzugt mittlerweile eine Einäscherung mit Urnengrab. Nur noch etwa 40 Prozent lassen sich klassisch beerdigen.
    Inzwischen bleibt jedes dritte Erdgrab in Nordrhein-Westfalen leer, schätzt Uwe Brinkmann aus Essen vom Verband der Friedhofsverwalter.
    "Je weniger Nutzer es für einen Friedhof gibt, umso höher werden die Kosten. Man kann dem bedingt entgegenwirken, indem man eben halt versucht, Freiflächen extensiv zu pflegen, Leistungen ein bisschen zurückzubauen, die Anzahl der Wasserstellen, das muss alles angepasst werden, das ist gar keine Frage, aber es bringt in der Regel nicht das Einsparungspotenzial, was man braucht, um einen Friedhof eben halt wirtschaftlich zu halten."
    Viele Kommunen, ohnehin vom Pleitegeier umkreist, müssen das Finanzloch irgendwie stopfen. Jörg Hahn, Landesinnungsmeister der nordrheinischen Steinmetze in Düsseldorf, ahnt wie.
    "Ich habe da Beispiele vereinzelt aus Städten, wo man neue Rasengräber auch schön preiswert rechnet, damit man dann hinterher auch sagen kann, oh, das wird aber sehr vom Bürger angenommen und dann die traditionellen Grabarten, da kriegt man dann die Gemeinkosten für den Gesamtfriedhof nicht zustande und deswegen werden da die Gebühren teilweise fürs Nutzungsrecht in schwindelerregende Höhen getrieben."
    Gravierende Kostenunterschiede
    Stiftung Warentest und die Verbraucherinitiative Aeternitas haben die Grabnutzungsgebühren einiger Großstädte verglichen. In Berlin kostet ein Erdwahlgrab für 20 Jahre 520 Euro - in Köln für 30 Jahre 1.945 Euro. Auf Angehörige kommen weitere Kosten zu.
    "Ich habe nur bei meinem Vater das mitbekommen, wie viel Bürokratie das war, es waren ganz einfache Rentner, und das war so schwer für die zu stemmen, dass meine Mutter noch eineinhalb Jahre später an dem Sarg abzahlen musste, weil der Bestatter darauf Wert legte, dass man doch einen vernünftigen Sarg bekam und nicht eine einfachere Holzkiste, weil es ja doch dann etwas pietätlos gewesen wäre."
    Die Kosten für eine Bestattung werden heutzutage deutlicher hinterfragt als früher. Stephan Neuser vom Bundesverband Deutscher Bestatter in Düsseldorf hält pauschale Kritik an seiner Zunft aber für unbegründet.
    "Der Bestatter sollte da aufklären, der sollte sagen, wie sind die Kosten beim Friedhof, wie sind meine Kosten, wie sind diese sogenannten Fremdkosten zu sehen, und dann kann sich jeder ein transparentes Bild machen."
    Laut Stiftung Warentest bewegen sich die Gesamtkosten für eine Bestattung zwischen 1.000 Euro für ein schlichtes und dem Zehnfachen für ein anspruchsvolles Begräbnis. Steinmetz-Innungsmeister Jörg Hahn:
    "Bedenken Sie bitte, dass die Preise ja eigentlich eine Investition sind, die über 30 Jahre läuft, und wenn Sie das auf ein Jahr runterbrechen, ist das nicht mehr so gewaltig."
    Alexander Helbach von der Verbraucherinitiative Aeternitas mit Sitz in Königswinter bei Bonn berät Menschen, die im Trauerfall Rat suchen.
    "Was wir sehr viel haben, sind Probleme mit Bestattern, dass die Rechnungen nicht stimmen, dass es Diskrepanzen gibt zwischen Kostenvoranschlägen und Rechnungen. Dann haben wir viel auch mit Sozialbestattungen zu tun, dass Ämter die Sozialbestattungen nicht zahlen wollen, wie sie eigentlich müssten, die Probleme sterben leider nicht aus."
    Immer öfter muss der Staat einspringen
    Rund 860.000 Todesfälle gibt es jedes Jahr in Deutschland. Immer mehr Menschen können das Geld für ein Begräbnis nicht selbst aufbringen. Der Staat muss dafür aufkommen. Seit 2004 zahlen die Krankenkassen kein Sterbegeld mehr. Folge: Auch anonyme Bestattungen steigen an.
    Die Liebe zur Friedhofsordnung steht dem Trend zur Individualisierung der Bestattungskultur allerdings noch entgegen. Uwe Brinkmann vom Verband der Friedhofsverwalter versucht, auf die Kollegen einzuwirken, nicht immer erfolgreich.
    "Es gibt Mustersatzungen, und an den Mustersatzungen wird dann so lange rumgeschraubt und rumgeschrieben, bis es für den jeweiligen Friedhofsträger passt. Da ist der Friedhofsträger völlig autark, und der kann erst einmal seine Satzung so schreiben, wie er es meint."
    Darunter leiden auch die Beerdigungsunternehmen. Stephan Neuser vom Bundesverband Deutscher Bestatter:
    "Es ist mittlerweile ein Meisterhandwerk, das wissen viele gar nicht, und das auch zu Recht. Beispiel Wuppertal, da gibt es unendlich viele kleine Friedhöfe, jeder hat eine eigene Satzung und bei jedem muss sich natürlich der Bestatter mit den örtlichen Gegebenheiten auskennen."
    Neue Trends für den letzten Gang
    Hinzu kommen nun neue Bestattungsformen:Toten-Asche als Diamant gepresst, Weltallbestattungen, Trauerwandern oder eine Nachtbeisetzung mit Fackeln, Mensch-Tier-Friedhöfe, virtuelle Gräber. Und der gute alte Friedhof? Er wird so schnell nicht aussterben.
    "Für mich wäre das also undenkbar, dass wir keinen Ort mehr haben sollten, wo wir trauern können. Darum bin ich auch kein Freund von diesen Beerdigungen unterm Tannenbaum im Wald. Für mich ist der Friedhof auch ein wunderbarer Ort zum Spazierengehen, ein Parkersatz."